Ambrì verliert die Partie gegen Biel nach Penaltyschiessen 3:4. Die Schlüsselszene, die jetzt Einzelrichter Reto Steinmann in erster Instanz beschäftigt: Nach 19 Minuten und 32 Sekunden werden Biels Philippe Wetzel und Simon Rytz sowie Daniel Steiner mit einer Zweiminutenstrafe belegt. Da bereits Biels Gianni Ehrensperger nach 18 Minuten und 27 Sekunden nach Partiebeginn auf der Strafbank sitzt, kann Ambrì mit fünf gegen drei Feldspieler spielen.
Das Problem: Ambrì beendet dieses erste Drittel tatsächlich mit fünf gegen drei Feldspieler. Aber Wetzel sass nicht draussen auf der Strafbank, um auf das Anlaufen seiner aufgeschobenen Strafzeit zu warten. Er spielte die letzten 28 Sekunden Boxplay.
Wetzel hat also seine Wartezeit sozusagen auf dem Eis statt auf der Strafbank verbracht. Ambrì und Biel legen in der Pause Spielfeldprotest ein. Biel bestätigt den Protest als Sieger der Partie hinterher nicht. Ambrì hat den Protest am Samstagvormittag bestätigt. Beim Beginn des zweiten Drittels hat dann alles wieder seine Ordnung. Philippe Wetzel hat auf der Strafbank Platz genommen.
Die Frage ist nun: regeltechnischer Fehler oder Chaos auf der Strafbankaufsicht? Ein regeltechnischer Fehler liegt dann vor und macht eine Spielwiederholung zwingend notwendig, wenn die Schiedsrichter eine Regel falsch auslegen. Ein Beispiel: Wenn eine Mannschaft in der letzten Minute den Torhüter mit einem sechsten Feldspieler ersetzt und ein Foul begeht, entscheiden sich die Schiedsrichter für zwei Minuten statt für ein technisches Tor. Dann muss der Spielfeldprotest auf dem Eis beim Schiedsrichter deponiert werden, bevor das Spiel wieder beginnt. Damit er die Möglichkeit hat, seinen Irrtum zu korrigieren. Besteht er dann immer noch auf seiner Entscheidung, dann hat er einen regeltechnischen Fehler begangen und die Partie wird wiederholt.
So eindeutig ist der Fall Ambrì allerdings nicht. Erstens: Der Spielfeldprotest hätte theoretisch bereits beim Spielunterbruch, als Philippe Wetzel auf dem Eis stand, deponiert werden müssen. Damit die Schiedsrichter die Möglichkeit gehabt hätten, zu sagen: «Okay, ja, der muss auf die Strafbank.» Der Spielfeldprotest kam aber erst nach Wetzels Einsatz in der Pause.
Nun kann man sagen: Zu spät! Spielfeldprotest abgelehnt. Oder aber: Es war ja nicht eher möglich, einen Spielfeldprotest einzulegen. Die Tatsache, dass Philippe Wetzel illegal spielte, wurde ja erst dadurch geschaffen, dass das Spiel wieder begann. Also ist der nächste Termin für einen Spielfeldprotest der nächste Spielunterbruch, der mit dem Ende des ersten Drittels identisch ist. Also kann man sagen: Spielfeldprotest korrekt.
Zweitens: Die Schiedsrichter haben keine Regel falsch und zum Nachteil Ambrìs ausgelegt. Ambrì konnte mit fünf gegen drei Feldspieler spielen. Die Schiedsrichter haben bloss nicht bemerkt, dass da einer mitspielte, der nicht sollte. Eindeutig wäre der Fall nur, wenn Biel mit vier statt mit drei Feldspielern gespielt hätte.
Wer ist nun schuld, wenn einer spielt, der auf die Strafbank gehört? Da liegt die Verantwortung auch bei der Strafbankaufsicht. Diese obliegt den Funktionären des Heimklubs. Wir können also sagen: Kein regeltechnischer Fehler, sondern Chaos bei der Strafbankaufsicht.
Der Fall ist so komplex, dass so oder so entschieden werden kann. Ja, es ist der komplizierteste Protestrechtsfall seit Einführung der Playoffs (1986). Meine Erfahrung sagt, dass dieser Spielfeldprotest von Ambrì wahrscheinlich in erster Instanz abgewiesen wird. Es gibt zu viele Möglichkeiten, eine Abweisung gut zu begründen.
Einzelrichter Reto Steinmann wird als ehemaliger Berufsrichter kaum eine Spielwiederholung anordnen, wenn die Rechtslage nicht hundertprozentig eindeutig ist. Nach dem Grundsatz, der für alle Richter dieser Welt gilt: Im Zweifel für den Angeklagten.