Etwas skeptisch war ich ja schon vor dem Knüller Kroatien gegen Argentinien, nach all den 1:0-Siegen der Favoriten in den letzten Tagen. Das hat mich schon fast etwas angewidert. Diese Kontrolle der Top-Teams war zuweilen beinahe arrogant. «Ein gutes Pferd springt nicht höher, als es muss», sagt das Sprichwort. «Dummes Pferd, wir wollen dich hoch springen sehen», sage ich.
Auch gestern war das in der ersten Halbzeit noch ziemliche Magerkost. Zwar intensiv, mehr aber auch nicht. Aber verdammt, war das geil, was die Kroaten in der zweiten Hälfte geboten haben! Sie haben Argentinien, den Finalisten der letzten WM, gegen Ende der Partie regelrecht vorgeführt und verdient 3:0 gewonnen.
Nach all den zuletzt eher anstrengenden Partien haben die Kroaten gestern endlich wieder das WM-Feuer entfacht. Der Spitzname verpflichtet schliesslich auch dazu: «Vatreni» nennt man die Kroaten daheim, «die Feurigen».
Über die Qualitäten der Kroaten braucht man nicht zu diskutieren. Schon 2016 hatte ich sie als Europameister auf der Rechnung, damals war die Mannschaft noch nicht so weit.
Nun ist die «neue goldene Generation» auf ihrem Höhepunkt. Die Ausnahmespieler Luka Modric (32) und Ivan Rakitic (30) bilden das beste zentrale Mittelfeld der WM. Aber sie werden auch nicht mehr jünger – 2018 ist eine ihrer letzten Chancen an einem grossen Turnier.
Symptomatisch für den Auftritt und die Einstellung der Kroaten ist die Aktion in der 85. Spielminute. Ivan Rakitic wird gefoult, Nicolas Otamendi schiesst den Mittelfeld-Regisseur danach mit dem Ball ab und tritt ihn sogar noch leicht. Der Argentinier sieht bloss die Gelbe statt der Roten Karte.
Otamendi kicked rakitic in the face @Notamendi30 💙💙 pic.twitter.com/E5pPHd3dgu
— Deutschland + (@SL_FuT) 21. Juni 2018
Rakitic bleibt nicht am Boden liegen. Er steht sofort auf, knüpft sich Otamendi vor, es kommt zu einer kleinen Rudelbildung. Als sich die Situation wieder beruhigt hat, macht sich Rakitic bereit für den anschliessenden Freistoss. Mit der Wut im Bauch hämmert er das Leder wuchtig ans Lattenkreuz. Wäre das Drehbuch richtig geschrieben gewesen, hätte der Ball im Tor eingeschlagen.
Doch ein Rakitic lässt sich von Fehlern im Drehbuch nicht beirren. Wenig später holt er Verpasstes nach und sorgt gegen eine desolate Gaucho-Defensive mit dem 3:0 für den Schlusspunkt.
Was lernen wir daraus? Man kann die Kroaten zwar provozieren, nur ist es kontraproduktiv. Sind die Emotionen erst einmal entfacht, sind sie kaum mehr zu stoppen.
Als sich Kroatien 1998 das erste Mal auf der Fussball-Landkarte bemerkbar machte und an der WM in Frankreich den dritten Platz holte, hatten sie bereits einmal eine goldene Generation mit Spielern wie Robert Prosinecki, Zvonimir Boban und Robert Jarni. Aber vor allem ein Mann, Torschützenkönig Davor Suker, war mit sechs Toren in sieben Partien der Erfolgsgarant.
Jetzt, 20 Jahre später, fehlt dieser Knipser. Mario Mandzukic zeigte gestern, warum er eher als Kämpfer denn als Torjäger in die Geschichte eingehen wird. Mit Ivan Perisic und Ante Rebic hat Kroatien auf den Aussenpositionen zwei weitere starke Spieler. Aber eben nicht solche, die an einem Turnier fünf oder mehr Tore erzielen.
Das braucht es aber auch nicht. Die Abhängigkeit von einem Topstar im Sturm – das hat gerade Argentinien sehr gut gezeigt – kann kontraproduktiv sein. Auch bei Polen mit Alleinunterhalter Robert Lewandowski oder bei Brasilien mit Neymar hat man gesehen, dass die Mannschaften grosse Mühe haben, wenn man es schafft, ihren grossen Star zu isolieren.
Teams mit einer überragenden Mentalität, diese richtigen eingeschworenen Mannschaften – das haben wir bisher nur von Aussenseitern wie Island, die ohne die Einstellung keine Chancen hätten, gesehen. Kroatien legt ebenfalls diese Überzeugung an den Tag. Und kombiniert mit den riesigen Qualitäten der Spieler entsteht dann das, was wir gestern gesehen haben. Freude am Fussball. Für die Mannschaft. Für die Fans.
Deshalb jubelte gestern sogar der Holländer neben mir. Und der Italiener in mir.
Danke, Kroatien ❤
Und generell, was der argentinische Trainer aufgestellt hat ist halt einfach nur tragisch...
Geweint hat er auch bei Caballeros "Torwartkünsten".
Kroatien hat gut gekämpft, aber was sich Argentinien an diesem Turnier erlaubt, ist schlicht eine Frechheit.
Miserables Zusammenspiel, Disziplinlosigkeit, schwache Spieler wie Messi, aber auch Otamendi, etc.
Vielleicht hätte Argentinien ein Knipser wie Icardi gut getan. Das Denkmal Messi kann man nur für Barcelona brauchen. Ausserhalb davon ist er nur ein WM-Tourist.