Sport
Kommentar

Betonmischen 2.0: So hat Juventus Barcelona besiegt

Barcelona's Luis Suarez, right, challenges Juventus's Giorgio Chiellini, left, and Juventus's Leonardo Bonucci, center, during the Champions League quarterfinal second leg soccer match  ...
Was für ein Duo: Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini sind das beste Innenverteidiger-Duo der Welt.Bild: Manu Fernandez/AP/KEYSTONE
Kommentar

So geht Betonmischen 2.0: Juventus zeigt uns, dass auch Verteidigen Spass machen kann

Barcelona ist entzaubert. Der sechste Champions-League-Titel für den ewigen Favoriten muss warten. Grund dafür ist Juventus Turin – und das mehr als verdient, mit schön anzusehendem Betonmischen 2.0.
20.04.2017, 09:3420.04.2017, 12:55
Reto Fehr
Folge mir
Mehr «Sport»

Jetzt können wir endlich mal ein Loblied auf Juventus Turin singen – und dann ist unser Juventino, Rasenmeister Zappella, nicht im Büro. Darum wird mir die Aufgabe zugeteilt. Es fällt mir etwas schwer. Denn Juve mag ich nicht.

Aber gestern hatte ich grossen Spass am italienischen Serienmeister. Vor dem Spiel kündete ich einem anderen Arbeitskollegen, der an das Wunder von Barcelona glaubte, zwar noch an: «Italiener lassen sich nicht mit 3:0 oder 4:0 abschiessen.» Aber dass Juventus dann so souverän auftreten würde, das hätte ich nicht gedacht. In den letzten zwei Saisons blieb nur Malaga im Camp Nou ohne Gegentor. Die Südspanier wussten wohl kaum warum. Juventus kennt die Gründe genau: BBC und Betonmischen 2.0.

Juventus players celebrate at the end of the Champions League quarterfinal second leg soccer match between Barcelona and Juventus at Camp Nou stadium in Barcelona, Spain, Wednesday, April 19, 2017. Th ...
BBC und Betonmischen 2.0: So darf sich Juventus über das CL-Halbfinale freuen.Bild: Emilio Morenatti/AP/KEYSTONE

Nie musste man Angst haben, dass die «alte Dame» im Camp Nou noch stolpern würde. Dabei spielte Barcelona nicht mal schlecht. Aber spätestens in der entscheidenden Zone ging nichts mehr. Der vielgelobte MSN-Sturm blieb impotent. Lionel Messi hatte zwar Torchancen, aber die Genauigkeit fehlte; Neymar war bemüht, aber glücklos; Luis Suarez ein Ausfall. Die «Marca» gibt dem Uruguayer gar das Prädikat: «Schlechtester Mann auf dem Platz.»

Kein MSN-Sturm, dafür die italienische BBC-Verteidigung

Es fehlte einfach die Magie, die es für ein zweites Wunder wie gegen den PSG gebraucht hätte. Denn Juventus hat zwar kein MSN, dafür aber das italienische BBC: Buffon, Bonucci, Chiellini. Wie diese drei die Mannschaft dirigierten, war schlicht phänomenal. Allen voran Giorgio Chiellini. Der 32-Jährige ist ein Meister des Spiellesens, grätscht wie kein Zweiter und war eine unüberwindbare Hürde. Gegenspieler Suarez verdankt sein «Marca»-Prädikat dem Abwehrrecken. 

epa05915859 FC Barcelona's Luis Suarez (L) and Giorgio Chiellini (R) of Juventus react during the UEFA Champions League quarter final, second leg soccer match between FC Barcelona and Juventus FC ...
Eine Geste, zwei Aussagen: «Was soll ich machen, der ist so gut» (Suarez) und «Was soll ich machen, ich bin so gut» (Chiellini).Bild: EPA/EFE

Neben Chiellini verteidigt Leonardo Bonucci, 29-jährig, Nationalmannschaftskollege und mit ähnlichen Attributen wie sein Nebenmann gesegnet. Dass dann dahinter noch Gigi Buffon im Tor steht, trägt das Übrige zum genialen Defensivverbund Juventus' bei. Gestern musste er zwar nicht oft eingreifen, aber wenn – dann war der Goalie da.

Dumm für Juventus' Marketingchef ist einzig, dass sich Shirts von Verteidigern und Goalies deutlich schlechter verkaufen als Stürmer-Leibchen. Seit 2010 verteidigen die drei zusammen bei der Juve und in der Nationalmannschaft. Man sieht es ihnen jede Sekunde an.

Juventus' Leonardo Bonucci, left, fights for the ball with Barcelona's Luis Suarez during the Champions League quarterfinal second leg soccer match between Barcelona and Juventus at Camp Nou ...
Leonardo Bonucci: Du kommst hier nicht vorbei, Luis!Bild: Emilio Morenatti/AP/KEYSTONE

Attraktives Verteidigen

Den Triumph mit einer Mauertaktik zu begründen, wäre allerdings viel zu kurz gegriffen. Natürlich stand der italienische Meister defensiv extrem solid und spulte sein Programm unaufgeregt und nie nervös ab. Aber vom alten italienischen Catenaccio war das weit entfernt. Denn selbst als neutraler Zuschauer machte Juventus' Darbietung Spass.

Betonmischen 2.0 können wir es nennen: Aktiv verteidigen, aggressiv und hart, aber fair spielen und auch nach vorne agieren. Juve hatte über beide Spiele gesehen kaum weniger Torchancen als Barcelona. Im Hinspiel überraschte Juventus insbesondere in der ersten Halbzeit offensiv mit Dybala, Higuain, Mandzukic und Cuadrado in Spiellaune und auch im Rückspiel zeigten sich die Gäste frech und hätten mehrfach ein Tor erzielen können.

Barcelonas Trainer Luis Enrique musste an der Pressekonferenz nach der Partie gestehen: «Wir haben zwei Teams gesehen, die angriffen. Wir, weil wir mussten, aber sie haben sich auch nicht einfach nur eingeigelt.» Sein Gegenüber Massimiliano Allegri lobte seine Squadra derweil: «Barcelona hatte heute weniger Chancen als in Turin. Wir standen sehr gut. In zwei Spielen gegen Barcelona kein Tor kassieren, das kommt nicht oft vor. Offensiv hätten wir unsere Chancen konsequenter zu Ende spielen müssen.»

epa05915959 Juventus' head coach Massimiliano Allegri reacts during the UEFA Champions League quarter final, second leg soccer match between FC Barcelona and Juventus FC at Camp Nou stadium in Ba ...
Der Baumeister des Erfolgs: Massimiliano Allegri.Bild: EPA/EFE

Allegri steht am Ursprung dieser Leistung. Im Sommer 2016 vollzog er den Umbruch und sorgte nach Startschwierigkeiten für die Auferstehung der alten Dame. Jetzt hat er sein Team so weit geschult, dass der Titel in der Königsklasse zuzutrauen ist. Erst zwei Gegentore kassierte Juventus in der diesjährigen Champions League, in der K.o.-Phase hielt Buffon seinen Kasten bisher gar noch rein. Das schaffte seit der Saison 2005/06 (Arsenal) seither niemand mehr.

Der irische Experte Eamon Dunphy ist trotz allem noch nicht ganz überzeugt von Juventus Turin. Er sieht da praktisch nur Esel im Team.Video: YouTube/RDinHD

Die Krone auf Buffons Karriere?

Der 39-jährige Goalie will diesen Titel unbedingt. Neben der Europameister-Trophäe ist er der einzige, der im Palmares noch fehlt. «Wir haben mit unserer Vorstellung hier gezeigt, was wir können. Da waren vor allem in der Defensive einige Momente, in denen wir bewiesen, dass wir ein echtes Team sind. Aber der Erfolg heute bringt nichts, wenn wir den Titel nicht gewinnen.»

epa05903536 Juventus' goalkeeper Gianluigi Buffon celebrates their 3-0 win at the end of the UEFA Champions League quarter final first leg soccer match between Juventus FC and FC Barcelona at Juv ...
Gigi Buffon: Er will nach dem Uefa-Cup 1999 mit Parma auch die Champions League endlich gewinnen.Bild: EPA/ANSA

2015 stand Juventus letztmals im Final. Damals unterlagen die Turiner Barcelona klar mit 1:3. Jetzt soll der erste Champions-League-Titel seit 1996 her. Es ist ein altes Sprichwort, das Juventus Mumm macht: «Mit dem Sturm gewinnst du Spiele, mit der Verteidigung Meisterschaften.» Die Serie A ist zwar seit Jahren nicht mehr die beste Liga der Welt, aber Juventus aktuell sicherlich eines der besten Teams des Planeten. Mit dieser taktischen Reife würden die Bianconeri die Premier League gewinnen. Und so gewinnen sie auch die Champions League.

Wer gewinnt die Champions League?

PS: Falls du das liest, Rasenmeister Zappella: Das heisst nicht, dass ich Juventus nun plötzlich mag. Und wichtig ist jetzt, dass alle auf dem Boden bleiben.

Gigi Buffons Karriere in Bildern

1 / 27
Die Karriere von Gianluigi Buffon in Bildern
19. November 1995: Gianluigi Buffon gibt sein Profi-Debüt in der Serie A. Er hält seinen Kasten beim 0:0 gegen die AC Milan rein. Vor dem Spiel sagt er zu Teamkollege Alessandro Melli: «Ich hoffe, Milan bekommt einen Penalty, damit ich ihn halten kann.»
quelle: juventus.com
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
32 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Cesare Maldini
20.04.2017 09:57registriert April 2017
Guter Kommentar Herr Fehr, schön zusammengefasst und für eine schweizer Online-Portal ziemlich kompetent. Die Serie A mag rein optisch für den neutralen "Event-Zuschauer" nicht so spektäkulär sein wie zBsp. die Premier League, allerdings ist sie meiner Meinung nach immernoch die schwierigste Liga für Stürmer und taktisch die durchdachteste. Was in England für Chancen zugelassen (und nicht verwertet) werden ist zum Teil zum Haareraufen. Conte wird mit Chelsea Meister und beweist dass Fussballtaktisch kein Land mit den Italiener mithalten kann, auch nicht Deutschland....
829
Melden
Zum Kommentar
avatar
SkyDaddy
20.04.2017 11:26registriert Januar 2017
Als Barca Fan, muss ich sagen das uch mich freue mal andere Mannschaften im Halbfinale stehen als die üblichen Verdächtigen.

Traumfinale wäre Monacco vs Juve ☺️
642
Melden
Zum Kommentar
avatar
elmono
20.04.2017 10:02registriert April 2014
BBC bezieht sich auf Barzagli, Bonucci und Chiellini. Plus noch die andere Sache, aber die hat mit Fussball nichts zu tun😂😂😂
531
Melden
Zum Kommentar
32
Lionel Messi sieht das Ende seiner Karriere nahen – das sagt er dazu
Lionel Messi hat in seiner Karriere viel erreicht. In wenigen Monaten feiert der Weltmeister seinen 37. Geburtstag. Rückt nun das Ende näher?

Der argentinische Fussballstar Lionel Messi macht sein Karriereende nicht von einem bestimmten Alter abhängig. «Es wird der Moment sein, in dem ich merke, dass ich meine Leistung nicht mehr bringe, dass ich keinen Spass mehr habe, dass ich meinen Mitspielern nicht mehr helfen kann», sagte der Weltmeister in einer Folge des saudi-arabischen Podcasts «Big Time».

Zur Story