Der SC Bern kann gegen eine starke, von Milliardären alimentierte Konkurrenz (Zug, Lugano, ZSC Lions, Lausanne) die Meisterschaft nur gewinnen, wenn alles stimmt. YB wird die Meisterschaft mit ziemlicher Sicherheit nicht achtmal in Serie gewinnen wie der FC Basel. Nein, YB und der SCB werden nicht Serienmeister.
Aber mit dem Vorstoss von YB in die Champions League ist der «Machtwechsel» (die Entmachtung des FC Basel) im nationalen Fussball vollzogen. Nach dem SCB bekommt auch YB ein solides wirtschaftliches Fundament. Nun sind die Berner dazu in der Lage, über Jahre hinaus unseren Fussball und unser Eishockey zu prägen. Bern bleibt langfristig die einzige Stadt im Land mit Spitzenteams im Fussball und im Eishockey.
YB und der SCB, Fussball und Eishockey, Rasen und Eis mögen verschieden sein. Die neuere Geschichte der beiden Berner Traditionsklubs weist hingegen erstaunliche Parallelen auf. Der SCB und YB sind aus finanziellen Ruinen auferstanden. Beide standen am Abgrund des Konkurses. Der SCB brauchte eine Nachlassstundung um 1998 wieder auf die Beine zu kommen. Die Young Boys überstanden die schwerste Krise ihrer Geschichte nur, weil die Erbauer des «Stade de Suisse» den Klub finanziell künstlich beatmeten. Was wäre denn aus dem neuen Fussballtempel ohne YB geworden?
Der Unterschied ist bloss, dass der SCB zu Beginn dieses Jahrhunderts schon viel früher als YB wieder die sportliche und wirtschaftliche Basis eines Spitzenklubs hatte. Die sportliche Vormachtstellung der Young Boys hat erst durch die Qualifikation für die Champions League ein finanzielles Fundament bekommen.
Eigentlich müsste ja Zürich als Wirtschaftshauptstadt und Finanzzentrum des Landes die kapitalistischen Sportarten Fussball und Eishockey dominieren. Und es wäre logisch, wenn Bern am Katzentisch des grossen helvetischen Mannschaftsportes sitzen müsste.
Aber es ist genau umgekehrt. Weil es zwischen Bern und Zürich einen ganz wichtigen Unterschied gibt. Beide Städte werden zwar seit Jahren von den Linken regiert. Aber in Bern haben die Sozialisten den Kapitalisten geholfen, Sportstadien zu bauen. In Zürich hingegen hintertreiben die Sozialisten seit Jahrzehnten den Neubau von Sporttempeln.
Es ist nachgerade ein Wunder, dass wenigstens die ZSC Lions ein Hockey-Stadion bauen dürfen. Doch ein neues Fussballstadion wird es in den nächsten 25 Jahren nicht geben. Zürich bleibt ein Unikum: die einzige wichtige Stadt der Welt ohne echte Fussballarena. Obwohl doch die FIFA ihren Sitz in Zürich hat.
Der Vorteil bei der sportlichen Infrastruktur ist der Grund, warum die Sportstadt Bern der Sportstadt Zürich inzwischen weit überlegen ist und diese Überlegenheit behaupten wird. Die Stadien ermöglichen es nämlich dem SC Bern und den Young Boys, mit dem Eishockey- bzw. Fussballgeschäft genug Geld zu verdienen, um sich aus der Abhängigkeit von Mäzen weitgehend zu befreien und echte Unternehmensstrukturen zu entwickeln.
In Zürich sind nur die ZSC Lions wie ein Unternehmen strukturiert. Der FCZ ist ein Operetten-Fussballclub mit monarchistischen Strukturen und völliger Abhängigkeit von den Launen eines Fussball-Königspaares. GC ist längst zu einem nicht mehr führ- und reformierbaren «Selbstbedienungsladen» verkommen. Die Einnahmen versickern in einem weitverzweigten finanziellen Entwässerungssystem, das Präsident Stephan Anliker, den guten Menschen aus dem bernischen Oberaargau, an den Rand der Verzweiflung bringt. GC kann nur noch in Ausnahmefällen mit einem Heimspiel Gewinn erwirtschaften.
In Bern hat sich erst der SCB und nun in neuster Zeit auch YB zu einem modernen, säkularen Sportunternehmen entwickelt. Also zu Sportunternehmen, die «Kirche» und «Staat», also Sport und Finanzen, Geld und Geist trennen: die sportliche Entwicklung steht in Einklang mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten. Erstaunlicherweise ist nicht nur die Stadt, sondern die Region Bern im Eishockey und im Fussball dem Kanton Zürich weit voraus. Ausserhalb der Stadt Zürich darben inzwischen alle Hockey- und Fussballklubs in der Zweitklassigkeit, die Zürcher Geschäftswelt hat es sogar geschafft, den EHC Kloten zu ruinieren. Im Einzugsgebiet der Stadt Bern gibt es hingegen solide Hockey- und Fussballklubs in der höchsten Liga (FC Thun, EHC Biel, SCL Tigers) die das Geschäft zusätzlich befeuern.
Interessant ist dabei, dass die Geschäftsführer beim SCB (Marc Lüthi) und bei YB (Wanja Greuel) aus dem gleichen «Stall» kommen: aus der Männerrunde um den Berner Verleger und Vermarktungsspezialisten Erwin Gross (IMS Sport AG), Marc Lüthi war sogar Mitbegründer der Firma.
Auffallend ist auch, dass bei beiden Klubs die sportliche Stabilisierung erst Sportchefs gelungen ist, die mit der Unternehmenskultur vertraut sind und die auch (aber nicht nur) für den SCB bzw. YB gespielt haben: Roberto Triulzi und dann Sven Leuenberger prägten ab der Jahrhundertwende die sportliche Entwicklung beim SC Bern. Inzwischen hat Sven Leuenberger den ZSC Lions bereits in seinem ersten Amtsjahr einen Titel beschert. Sein Nachfolger Alex Chatelain leitete vorher die SCB-Nachwuchsorganisation. Bei YB ist Sportchef Christoph Spycher drauf und dran, die Fussball-Antwort auf Sven Leuenberger zu werden.
Das Fussball-Business ist viel internationaler und weniger transparent als Eishockey. Im Fussball ist ein loyaler Sportchef, der nicht mit Spielern, Trainern und Agenten kungelt sondern die Interessen seines Arbeitgebers vertritt, noch viel wichtiger als im Eishockey.
YB hat mittelfristig sogar noch bessere sportliche Voraussetzungen als der SCB. Der erstmalige Vorstoss in die Champions League beschert Einnahmen, die YB zum wirtschaftlich stärksten helvetischen Fussballunternehmen machen. Der FC Basel ist mittelfristig wirtschaftlich und damit sportlich keine Konkurrenz mehr. Die Basler haben die Architekten des Ruhmes verloren. Es ist ihnen nicht mehr gelungen, die sportlichen und wirtschaftlichen Schlüsselpositionen wieder erstklassig zu besetzen. Die neue Führung muss ihre Zeit nicht mehr in die Organisation von Meisterfeiern investieren. Sie kann sich um die sportliche und finanzielle Sanierung des Unternehmens kümmern – und die wird jahrelang dauern.
Während sich YB in den nächsten Monaten auf über 30 Millionen aus der Champions League freuen kann, verliert der SCB als europäisches Spitzenteam mit der Champions League im Hockey Geld und hat keine Möglichkeiten, aus dem internationalen Geschäft Geld zu verdienen. Es gibt im Eishockey nach wie vor kein paneuropäisches Business. Deshalb wird sich der SCB in den nächsten Jahren mit stärkerer nationaler Konkurrenz zu messen haben als YB. Was nichts daran ändert, dass Bern auf Jahre hinaus die Sporthauptstadt der Schweiz bleiben wird.
Der sportliche Erfolg lässt sich zwar auch in Bern weder programmieren noch planen. Aber der SCB und die Young Boys haben – im Gegensatz zu den Zürcher Stadtklubs – die Voraussetzungen (Infrastruktur, Unternehmenskultur, wirtschaftliche Grundlage) um Spitzenklubs zu bleiben und im Falle eines Falles sportliche Krisen zu überwinden. Und anders als in Zürich kann sich das Management auf das Eishockey- bzw. Fussballgeschäft konzentrieren und verbraucht die Energie nicht durch Auseinandersetzungen mit zänkischen LokalpolitikerInnen.
Damit soll nichts gegen die Politik gesagt sein. Immerhin ist der Kanton Zürich im Rahmen des nationalen Finanzausgleichs mit gut und gerne einer halben Milliarde der grösste Einzahler. Die Berner hingegen müssen nichts zahlen. Sie bekommen vielmehr aus diesem Topf pro Jahr mehr als eine Milliarde. Da können wir auch fragen: Wo wären Bern und sein Sport ohne die Subventionen aus Zürich?