Am Freitag ist WM-Pause, endlich können wir kurz durchatmen. Nach 15 Tagen mit je drei bis vier Spielen seien uns diese 24 fussballfreien Stunden gegönnt. Zeit für etwas Ablenkung, Zeit für ein kleines Gedankenexperiment.
48 Matches wurden in den letzten Tagen insgesamt gespielt. Weil in der letzten Runde der Gruppenspiele je zwei Spiele zeitgleich liefen, konnte man 3600 Minuten WM mitverfolgen. Das entspricht 60 Stunden Fussball, Nachspielzeit nicht mit eingerechnet.
Und jetzt Hand aufs Herz: Wer von euch hat alle oder fast alle Spiele geschaut? Wer tat während der Arbeit so, als würde er fokussiert in den Computer gucken, und streamte stattdessen das Fussballspiel von 14 Uhr? Wer machte bereits um 16 Uhr Feierabend, um den Match vom Nachmittag nicht zu verpassen?
60 Stunden Fussball also. Weisst du, was du in dieser Zeit auch noch hättest machen können? Nicht? Wir schon. Bitteschön:
Wieso auch nicht? Der obligatorische Berufsbildnerkurs dauert bloss vierzig Stunden. Locker hättest du das bei so viel Zeit geschafft – und dazwischen sogar noch Pausen einlegen können. Stell dir vor, dann könntest du jetzt eigene Lehrlinge in deiner Bude rumhetzen und für dich arbeiten lassen. Aber nein, du wolltest ja unbedingt WM schauen.
60 Stunden reichen locker, um in den heiligen Bund der Ehe einzutreten und ihn wieder aufzulösen. Der Beweis: Britney Spears' Ehe mit Jason Alexander, die sie nach 55 Stunden wieder annullieren liess.
Den Weltrekord der schnellsten Weltumrundung mit einem Linienflugzeug hält Michael Quandt. 2004 flog er von Singapur nach Sydney, nach Los Angeles, nach Houston, nach Caracas, nach London, nach Kairo, nach Kuala Lumpur und zurück nach Singapur – in 66 Stunden und 31 Minuten. Nehmen wir die von den Schiedsrichtern grosszügig gewährte Nachspielzeit hinzu, hättest du in der Zeit, in der du WM geschaut hast, die Weltumrundung geschafft.
Im Flachen schafft man zu Fuss pro Stunde eine Distanz von 4,2 Kilometern. Wenn wir jetzt mal die Alpen beiseite lassen wie Neymar die Regeln der Schwerkraft, dann hättest du in 60 Stunden 252 Kilometer weit wandern können. Du hättest am Zürcher Hauptbahnhof starten können und würdest jetzt beispielsweise in Porto di San Felice deine Füsse im Gardasee kühlen oder im Englischen Garten in München eine Mass Bier trinken.
Wenn du dich ganz so ungeschickt angestellt hättest wie unsere geschätzte Redaktionskollegin Chantal Stäubli, hätte es nicht gereicht. Aber im Normalfall hättest du in 60 Stunden den Führerschein gemacht und wärst jetzt offiziell auf der Strasse zugelassen. Ja, dann könntest du jetzt deine Freunde mit dem Auto zum nächsten Public Viewing fahren und nach dem Spiel hupend durchs Quartier düsen.
Wikipedia sagt, «ein durchschnittlicher, geübter Leser kann etwa 200 bis 300 Wörter pro Minute erfassen, sofern der zu lesende Text nicht übermässig kompliziert ist». Alle sieben Harry-Potter-Bände haben zusammengerechnet knapp über eine Million Wörter. Wenn dich die Romanreihe einmal gepackt hat, liest du locker 300 Wörter pro Minute und hättest die ganze Reihe in 60 Stunden geschafft.
Alle deine Freunde sprechen über Game of Thrones und du hast dich bisher immer geweigert, auf den Serien-Trend aufzuspringen? Tja, jetzt wäre die perfekte Chance für einen Episoden-Marathon gewesen. Du hättest dir fast alle bisher erschienenen sieben Staffeln reinziehen können. Die sieben bisher erschienenen Staffeln mit insgesamt 67 Episoden dauerten zusammengerechnet 63 Stunden und 30 Minuten.
Wie oft hast du dir schon vorgenommen, mehr Sport zu machen? Stell dir vor, du hättest die 144 Stunden Fussball schauen genutzt, um deinen Body zu stählen. Eine 75 Kilogramm schwere Person, die langsam joggt, hätte in dieser Zeit 21'600 Kalorien verbrannt. Das entspricht der Verbrennung von knapp drei Kilogramm Körperfett. (sar)