Mit der goldenen Startnummer des Titelverteidigers vor Augen, rückt der letzte Auftritt vom Schweizer Marathon-Held Viktor Röthlin einen weiteren Schritt näher. «Ein toller Moment, diese Nummer vor sich zu haben. Ich freue mich aufs Rennen, aber verspüre natürlich auch ein wenig Wehmut», blickt Röthlin dementsprechend zwiespältig auf den Marathon vom Sonntag.
Mit seiner fünften EM-Teilnahme beendet der Nidwaldner seine erfolgreiche Karriere. Obwohl der 39-Jährige in seinen vielen Jahren als Profi schon einiges erlebt hat, ist die EM im eigenen Lande auch für ihn eine neue Erfahrung. Zum ersten Mal steht der Schweizer nicht alleine am Start: «Es ist eine schöne Erfahrung, als Team anzutreten und für mich eine völlig neue Ausgangslage», so der Titelverteidiger.
Für Tadesse Abraham, Christian Kreienbühl, Adrian Lehmann, Michael Ott und Patrick Wieser wird die EM im eigenen Lande auch gleich ihre erste sein, weshalb Marathon-Chef Fritz Schmocker in Röthlin den Leader sieht. Welche Aufgaben dem Routinier dabei zustehen, verrät er gleich selbst: «Die anderen bringen mir ihre dreckigen Kleider und ich wasche sie. Ausserdem putze ich nach den Trainings jeweils ihre Schuhe.»
Nach allgemeinem Gelächter im Saal des Teamhotels wird Röthlin dann wieder ernst: «Nein natürlich nicht. Aber ich denke, das Team ist genug motiviert, um auf sich alleine aufzupassen. Bestimmt musste ich die eine oder andere Frage mehr beantworten, doch wir haben im Training alle voneinander profitiert.»
Neben der gemeinsamen Vorbereitung bieten sich mit einem sechsköpfigen Team auch im Rennen neue Möglichkeiten. Vorallem mit Tadesse Abraham besitzt Röthlin einen Läufer, der ebenfalls in der Spitzengruppe vertreten sein wird: «Mit Tadesse habe ich völlig neuen taktischen Spielraum. Ich bin nicht mehr auf mich alleine gestellt. Doch darf man nicht vergessen, dass in den 42,195 Kilometern alles wieder Einzelsportler sind und auf sich selbst achten müssen.»
Wie genau Röthlin das Rennen angehen wird, verriet er natürlich nicht. Die Chancen auf Edelmetall sind aber intakt: «Etwa zehn bis zwölf Läufer kämpfen um eine Medaille, da ist alles möglich. Meine Form stimmt, ich konnte die geplanten Vorbereitungen voll durchziehen. Aber man darf nicht vergessen: Tadesse ist unsere Nummer 1. Es wird spannend zu sehen sein, ob er der Favoritenrolle gerecht wird.»
Die Favoritenrolle hat Abraham seiner im letzten Jahr gelaufenen Zeit zu verdanken. Mit 2:07:45 wäre der gebürtige Eritreer der schnellste Europäer gewesen. Doch der 32-Jährige besitzt erst seit Juni dieses Jahres den Schweizer Pass. Umso mehr freut er sich auf die neue Ausgangslage: «Es ist spannend, nach mehreren Jahren an so einem grossen Event laufen zu können. Dass ich dabei die Farben Rot und Weiss tragen kann, gefällt mir sehr.» Auch die Schweiz darf sich freuen: Dank Abraham darf man sich berechtigte Hoffnungen auf die so sehr ersehnte EM-Medaille machen.