Belinda Bencic konnte sich an diesem Donnerstagabend in London wenig vorwerfen: Ihre Gegnerin, die ehemalige Weltnummer 1 aus Polen, spielte nahe an der Perfektion. Die einzigen beiden Breakchancen, die Bencic hatte, wurden eindrücklich abgewehrt. Nach gut 70 Minuten war das Spiel zu Ende und die Ostschweizerin verliess zügig den Center Court. Ihr Fazit an der Pressekonferenz: «Iga hat auf einem anderen Level gespielt. Sie hat mich nicht eine Sekunde ins Spiel gelassen.»
Andere Umstände, etwa ein Tag mehr Ruhezeit, hätten kaum etwas am Ausgang des Spiels geändert, so Bencic. «Sie war heute einfach viel besser als ich.»
Für Bencic war es das zweite Halbfinalspiel an einem Grand-Slam-Turnier nach dem US Open 2019. Der erstmalige Finaleinzug auf höchster Stufe - den Olympiasieg 2021 ausgenommen - muss weiter warten. Dennoch könne sie viel Positives aus dem Turnier mitnehmen, hielt Bencic fest. «Ich habe nicht immer mein bestes Tennis gespielt und bin trotzdem weit gekommen. Das gibt Selbstvertrauen und darauf lässt sich weiter aufbauen.»
Kaum jemand hätte vor zwei Wochen darauf gesetzt, dass Bencic beim Rasen-Klassiker bis in die Halbfinals vorstossen würde. Die 28-Jährige hatte sich gerade erst von ihrer Anfang Mai zugezogenen Armverletzung erholt. Beim Comeback in Bad Homburg scheiterte sie in der ersten Runde 1:6, 2:6 an Jekaterina Alexandrowa.
Zwei Wochen später traf Bencic erneut auf die Russin: Im Wimbledon-Achtelfinal präsentierte sie sich wie verwandelt und setzte sich in zwei Sätzen durch. In diesen Tagen überzeugte Bencic vor allem mit ihrer Nervenstärke. Gegen Elisabetta Cocciaretto gewann sie das Match-Tiebreak und auch gegen Alexandrowa und danach im Viertelfinal gegen Mirra Andrejewa, die Weltranglisten-Siebte, entschied sie sämtliche Tiebreaks für sich.
Diese Coolness führte sie nicht zuletzt auf ihre neue Mutterrolle zurück. 15 Monate nach der Geburt von Bella fühle sie sich vor den Matches «weniger nervös», hatte Bencic nach dem Viertelfinalsieg gesagt. Auch wenn ihr das gegen Swiatek nichts nützte, kann Bencic auf schöne Tage zurückblicken. Dank ihrer Leistungen in London wird sie in der Weltrangliste einen Sprung bis in die Top 20 machen. Zu Beginn des Jahres war Bencic noch auf Platz 489 zu finden.
Während Bencic die Heimreise antreten muss, hat Swiatek bewiesen, dass sie auch auf Rasen zu glänzen vermag. Vor diesem Jahr hatte Swiatek eine einmalige Viertelfinal-Qualifikation als Bestresultat in Wimbledon vorzuweisen. Die Polin ist sonst als Sandplatz-Spezialistin bekannt: Viermal triumphierte sie bisher am French Open (2020, 2022-2024), einmal am US Open (2022). Nun soll mit Wimbledon der sechste Triumph an einem Grand-Slam-Turnier hinzukommen.
«Ich habe meine Bewegungsabläufe verbessert und schlage sehr gut auf», sagte Swiatek auf die Frage, wie sie es geschafft habe, auch auf Rasen so stark zu werden. Trotzdem habe sie vor dem Turnier nicht damit gerechnet, in den Final vorzustossen. «Ich bin stolz, dass ich mich selbst immer noch überraschen kann.»
Amanda Anisimova erreicht erstmals in ihrer Karriere den Final eines Grand-Slam-Turniers. Die 23-jährige Amerikanerin besiegt die Weltnummer 1 Aryna Sabalenka 6:4, 4:6, 6:4.
Dass sie die Belarussin besiegen kann, wusste Anisimova (WTA 12) genau. Von den zuvor acht Duellen zwischen den beiden hatte sie deren fünf gewonnen. Allerdings hatte sich zuletzt eine Trendwende abgezeichnet: Denn drei der letzten vier Duelle, darunter der Achtelfinal am French Open in diesem Jahr, waren an Sabalenka gegangen. Nun aber holte Anisimova ihren bereits sechsten Sieg gegen die vier Jahre ältere Kontrahentin.
Dabei lieferten sich die beiden einen Schlagabtausch sondergleichen, wobei Anisimova auch einige Rückschläge verkraften musste. So hatte sie beim Stand von 5:3 und eigenem Aufschlag bereits einen Matchball, den sich nicht verwerten konnte und darauf das Break kassierte. Bei Aufschlag Sabalenka funktionierte es dann aber doch noch: Beim vierten Matchball jubelte Anisimova und verhinderte damit, dass Sabalenka auch im dritten Grand-Slam-Turnier des Jahres den Final erreichte.
Stattdessen darf sich Anisimova, deren Eltern vor ihrer Geburt aus Russland in die USA ausgewandert waren, über die Chance freuen, erstmals auf höchster Stufe zu triumphieren. Seit ihrem sensationellen Vorstoss in den Halbfinal der French Open (2019) war die Viertelfinal-Qualifikation in Wimbledon (2022) das höchste der Gefühle. In diesem Jahr hatte Anisimova allerdings bereits mit dem Sieg am WTA-1000-Turnier in Doha, ihr dritter Titel auf WTA-Stufe, aufhorchen lassen. Im Final trifft Anisimova auf die Polin Iga Swiatek (WTA 4). (riz/sda)