Jammern über die Technik ist im Macho-Millieu Töff unehrenhaft. Und nicht gut fürs Geschäft. Kein technischer Ausrüster liest oder hört gerne über Mängel an seinen Höllenmaschinen.
Deshalb sagt Dominique Aegerter nach dem 17. Platz in Barcelona kleinlaut: «Die Luft ist mir ausgegangen. Ich musste auf den Geraden den Kopf heben um Sauerstoff zu bekommen. Ich konnte einfach nicht mehr. Sonst wäre wohl ein 8. Rang möglich gewesen.» Er nimmt die Schuld auf sich. So möge die Kirche im Dorf bleiben.
Aber die Kirche ist schon lange nicht mehr im Dorf. Ein Fahrer, der das Talent für Podestplätze hat, schafft es gerade in die 7. Startreihe (19.) und im Rennen auf den 17. Platz. Da stimmt etwas nicht. Und die Erklärung des Piloten ist ein Witz. Dominique Aegerter geht schon vor der Rennhälfte die Luft aus? Einem der besttrainierten Töffpiloten der Welt? Einem jungen Mann, der Marathonläufe bestreitet?
Tatsächlich ist Dominique Aegerters Erklärung barer Unsinn. Sein Manager Robert Siegrist und sein Cheftechniker Jochen Kiefer mögen diese offizielle Lüge nicht mehr hören. Das Problem ist die Technik. Die gefährliche Überhitzung der Motoren.
Motoren bringen die beste Leistung bei einer Betriebstemperatur von knapp 80 Grad. Heisser sollten die Triebwerke nicht werden. Weil dann die Leistung abbaut. Wenn ein Motor gar über 100 Grad erhitzt, dann nimmt die ganze Maschine die Hitze auf, wird im besten Sinne zu einer Höllenmaschine und macht das Fahren für den Piloten zur Qual. Wie die neue Suter.
Jochen Kiefer bestätigt den Augenschein des Chronisten in der Box: «Ja, es stimmt, die Überhitzung war besorgniserregend. Die Temperatur stieg auf über 100 Grad. Dominique konnte nicht mehr Windschatten fahren – er musste ausscheren um sich und den Motor zu kühlen ...» Normalerweise suchen die Piloten den Windschatten.
Dominique Aegerter wurde hier in Barcelona auf einer Maschine, die 100 Grad Hitze abstrahlte, buchstäblich geröstet. Er musste auf den Geraden nicht den Kopf heben um Sauerstoff zu bekommen – sondern um sich zu kühlen. Und das schon ab der 5. Runde. Tarran McKenzie, der zweite Pilot im Kiefer-Team, konnte nicht einmal mehr Arme und Beine eng an die Maschine anschliessen. Zu heiss.
In der Moto2-Klasse haben alle die gleichen Motoren (Honda) und die gleichen Reifen – aber unterschiedliche Fahrgestelle und Verschalungen. Das Marc VDS-Team, das mit Alex Marquez und Franco Morbidelli die Klasse dominiert, hat sogar ein eigenes Kühlungssystem entwickelt und unter der Verschalung eingebaut. Jochen Kiefer sagt: «Erstens ist der Kühler der Suter-Maschinen kleiner als bei der Kalex. Aber das eigentliche Problem ist ein anderes: Die heisse Luft fliesst nicht ab und es kommt zu einem Hitzestau. Das wird bei Hitzerennen zum grossen Problem.»
In Mugello hatte die Hitze Dominique Aegerter und der Maschine bereits Probleme bereitet – aber bei einer Temperatur von 23 Grad und 31 Grad auf dem Asphalt es ging gerade noch. In Barcelona war es 32 Grad warm und der Asphalt erhitzte auf 50 Grad.
Was nun? Bei Hitzerennen ist Dominique Aegerter arg im Nachteil. Jochen Kiefer verspricht Besserung. «Wir werden in den nächsten Tagen am Problem arbeiten. Aber auf die Schnelle ist keine Lösung möglich.» Am meisten wird wohl bei den nächsten Rennen kühleres Wetter helfen. Aber es kann in Assen, auf dem Sachsenring und nach der Pause in Brünn oder in Misano auch teuflisch heiss werden.
Das Hitzeproblem bei den Suter-Maschinen ist bekannt. Tom Lüthis Manager Daniel M. Epp sagt: «Wir hatten mit der Suter ähnliche Probleme. Und das ist drei Jahre her.» Tom Lüthi ist Ende Saison 2014 auf Kalex umgestiegen.
Jochen Kiefer ist zwar sauer, aber auch diplomatisch. «Es gibt nur Lösungen mit einer konstruktiven Zusammenarbeit mit dem Hersteller.» Er hat gar keine andere Wahl. Eskil Suter, der Schweizer Hersteller der Höllenmaschinen von Dominique Aegerter, ist gefordert.