Stan Wawrinka steht in seinem dritten Grand-Slam-Final. Erstmals gelingt der Weltnummer 3 die Endspiel-Teilnahme beim US Open. Der Schweizer hat damit am Sonntag ab 22 Uhr gegen Novak Djokovic die Möglichkeit, seinen dritten Major-Titel zu feiern. Die Bilanz gegen den Serben sieht mit 4:19 zwar düster aus. Aber im Halbfinal wackelte Djokovic, während Wawrinka nach Startproblemen zu Hochform auflief.
Kei Nishikori startet unglaublich stark. Bei eigenen Services ist er unantastbar, Wawrinka nimmt er den Service zum 3:2 ab und bringt den Vorsprung zum 6:4 im ersten Satz über die Runden.
Im zweiten Durchgang kommt Wawrinka mit dem sofortigen Rebreak zum 2:2 auch im Match an. In der Folge wehrt der Schweizer beim Stand von 3:3 vier Breakbälle ab, drei davon in Serie. Nachdem der Romand auch beim 4:4 Breakbälle abwehrte, kam er besser auf. Den ersten Satzball bei 5:4 verpasste er noch, doch den zweiten zum 7:5 holte er sich mit dem Servicedurchbruch.
Satz 3 scheint eine klare Angelegenheit zu sein. Wawrinka schafft das Break zum 3:1, spielt stark und hat zwei Breakbälle in Serie zum 5:1. Doch Nishikori wehrt beide ab und schafft seinerseits den Servicedurchbruch zum 3:4. Danach wird die Partie kurz unterbrochen, weil das Dach geschlossen wird.
Nach der Pause erlebt Nishikori ein Zwischenhoch und schnuppert am Break zum 5:4. Doch Wawrinka zieht den Kopf aus der Schlinge, sichert sich das Game und nutzt wenig später seinen zweiten Satzball bei Aufschlag des Japaners zum 6:4. Und was kommt dann? Genau: Die Finger-an-die-Stirn-Geste.
Jetzt war Wawrinka «on fire». Die ersten zwölf Punkte im vierten Durchgang liess er sich notieren und zog mit einem Break auf 3:0 davon. Stehaufmännchen Nishikori kam zwar nochmals auf 2:3 heran, aber Wawrinka gelingt nach genau drei Stunden Spielzeit das erneute Break zum 4:2. Danach ist der Widerstand gebrochen. Wawrinka nutzt seinen zweiten Matchball zum Sieg.
«Es waren schwierige Bedingungen», sagt der Romand nach dem Spiel, heiss und feucht sei es gewesen. «Kei war von Anfang an gut und diktierte das Spiel», darum sei für ihn der Schlüssel gewesen, noch aggressiver, noch härter zu spielen, um es dem Japaner ebenfalls «unangenehm zu machen».
«Ich musste leiden und das akzeptieren», sagt Wawrinka, dem das gelang und der darum berechtigterweise stolz auf sich sein kann. Den bevorstehenden Final kann er trotz seiner negativen Direktbilanz mit Djokovic positiv angehen: Seine letzten zehn (!) Finals hat der Waadtländer nämlich gewonnen. «Ich bin immer bereit, wenn ich auf dem Platz happy bin», schliesst er das Platzinterview verheissungsvoll.
So einfach wie in diesem Jahr in New York schaffte es Djokovic noch nie in einen Grand-Slam-Final. Für die sechs Siege stand er gerade mal 8 Stunden und 58 Minuten auf dem Platz. Dreimal profitierte die Weltnummer 1 von Verletzungen seiner Gegner, im Halbfinal davon, dass Gaël Monfils in seinem erst zweiten Grand-Slam-Halbfinal überfordert war. Und doch musste der Serbe im Halbfinal gegen Monfils leiden, ehe er seinen 13. Sieg im 13. Duell mit «La Monf» im Trockenen hatte.
Die ersten zwei Sätze waren eine überraschend klare Sache für Djokovic. Speziell dabei: Als Monfils im ersten Satz 1:5 zurück lag und Djokovic bei eigenem Aufschlag 40:0 führte, stand der Franzose demonstrativ schon beim 1. Aufschlag ins Feld hinein und wartete anteilslos, als käme bald ein Bus.
After admitting he was a "little pissed off" at set 1 Monfils, Djokovic again blames himself for allowing that. pic.twitter.com/C0hwCluWtG
— Andrew Jerell Jones (@sluggahjells) 9. September 2016
Doch Djokovic liess sich durch die grenzwärtige Aktion verwirren, kassierte das Break und wehrte einen Breakball zum 4:5 ab, bevor er den Satz holen konnte. Monfils erklärte nach der Partie, es sei eine taktische Variante gewesen. Djokovic ärgerte sich an der Pressekonferenz, dass er sich davon beeinflussen liess.
Als er auch im dritten Durchgang sogleich 2:0 in Führung ging, schien er zu einem weiteren lockeren Sieg zu spazieren. Monfils, der den Halbfinal ohne Satzverlust erreicht hatte, leistete aber doch noch ein wenig Widerstand. Der Franzose gewann praktisch aus heiterem Himmel fünf Games in Folge und später den Satz.
Novak Djokovic ripped his shirt off https://t.co/qVKuW9L1MO pic.twitter.com/B0b7C2GMDB
— Kenny Ducey (@KennyDucey) 9. September 2016
In einem der bizarrsten Halbfinals der jüngeren Geschichte schienen beide Spieler zu leiden. Djokovic liess sich an der linken Schulter behandeln, im vierten dann auch noch an der rechten. Und Monfils hinkte zwischen den Ballwechseln und fasste sich immer wieder ans Knie. So konnte keiner konstant gut spielen und sich entscheidend absetzen.
Am Ende hatte Djokovic den grösseren Siegeswillen und rettete sich nach einem Break zum 4:2 im vierten Satz über die Ziellinie. Er steht im Final, über seinen Form- und Fitnessstand herrscht jedoch absolute Ungewissheit. Nicht zum ersten Mal zeigte er sich verwundbar bei grosser Hitze und Luftfeuchtigkeit. Und vor allem plagt er sich offensichtlich mit allerlei kleinen Blessuren herum.
Dass er es dennoch in seinen 21. Grand-Slam-Final schaffte – und am Sonntag seinen dritten US-Open-Titel anvisieren kann –, spricht ebenso für seine Entschlossenheit wie für die Schwäche seiner Gegner am diesjährigen Turnier. Im Final trifft er auf den Schweizer Stan Wawrinka oder den Japaner Kei Nishikori.
Das Leiden der Tennisnation Frankreich geht weiter. Seit 1983 stand nun 26 Mal ein Franzose im Halbfinal eines Grand-Slam-Turniers, Yannick Noahs Triumph am French Open ist aber noch immer das letzte Mal, dass einer den Titel holte. (fox/drd/sda)