Viele hatten Nadals Vormachtstellung auf Sand wackeln sehen, nachdem er nur eines (Madrid) der grossen Turniere vor dem French Open gewonnen hatte. Gegen David Ferrer (Monte Carlo) und Nicolas Almagro (Barcelona) setzte es unstandesgemässe Niederlagen ab. Nun scheint er aber rechtzeitig wieder seine Topform zu finden. Gegen Murray funktionierten insbesondere Aufschlag und Vorhand vorzüglich. Onkel und Coach Toni Nadal meinte denn auch: «Das ist eine seiner besten Leistungen in Roland Garros.» Und das will beim achtfachen Sieger etwas heissen.
Dieser zeigte sich denn auch sehr zufrieden. «Mein Spiel ist mit jeder Woche auf Sand besser geworden», bilanzierte der Spanier, der am Dienstag seinen 28. Geburtstag gefeiert hatte. «Jetzt bin ich sehr glücklich damit, wo ich stehe.» Und natürlich helfe es ihm, wenn es wärmer sei, weil dann seine Topspin-Bälle höher und schneller wegspringen.
Bei Novak Djokovic war es offensichtlich, dass er keinesfalls länger auf dem Platz verbringen wollte als nötig. Letztlich behielt Djokovic die Nerven. Nach einem erneuten Break zum 5:3 qualifizierte er sich nach 2:34 Stunden für seinen zweiten French-Open-Final. «Heute haben wir beide nicht gut gespielt», bedauerte Überraschungsmann Gulbis nach seinem ersten grossen Halbfinal. «Aber ich werde daraus lernen. Jetzt bin ich nämlich süchtig nach Erfolg.»
Anschliessend gab Djokovic zu, dass er sich ab Mitte des dritten Satzes körperlich nicht mehr gut gefühlt habe. Als er sich erst zwei Stunden nach Spielende den Medien stellte, versuchte Djokovic zu beschwichtigen. «Ich fühlte mich einfach müde, aber es ist nichts Schlimmes», sagte er. «Ich war wahrscheinlich beeinflusst von den Bedingungen oder anderen Dingen, die ich heute fühlte.» Mehr wollte er dazu nicht sagen. Es ist allerdings kaum anzunehmen, dass 25 Grad ein Problem sind für den Spieler, der 2012 am Australian Open einen Final von fast sechs Stunden Länge gegen Nadal gewann. «Ich habe nun zwei Tage Pause, um mich auf den Final vorzubereiten», betonte der Serbe.
Im diesem Final steht am Sonntag einiges auf dem Spiel. Nadal will seine neunte Krone auf dem Sand von Paris und mit dem 14. Grand-Slam-Titel mit Pete Sampras gleichziehen. Er wäre damit der erste Spieler, der ein Turnier mindestens neunmal gewinnt. In diesem Jahr hatte der Mallorquiner diese Chance schon in Monte Carlo und Barcelona – vergab sie aber zweimal.
Gleichzeitig muss er seinen Weltranglistenthron verteidigen, denn mit einem Sieg würde ihn Djokovic als Nummer 1 ablösen. Dieser versucht hingegen, seine Sammlung an Major-Trophäen zu vervollständigen und das einzige Grand-Slam-Turnier zu gewinnen, das ihm noch fehlt.
Nach den gezeigten Leistungen ist eher der Sandkönig aus Mallorca zu favorisieren. In Roland Garros - und generell in Sandpartien über drei Gewinnsätze (insgesamt 89 Matches) - hat Nadal erst einmal verloren (2009 in Paris gegen Robin Söderling). Auch beim bisher einzigen French-Open-Final von Djokovic stand ihm der Spanier im Weg (2012). Anderseits hat der Serbe die letzten vier Direktbegegnungen seit September 2013 alle gewonnen - zuletzt vor drei Wochen im Final von Rom auch auf Sand. Insgesamt führt Nadal aber noch mit 22:19 Siegen.
«Natürlich hätte ich die letzten vier Partien lieber nicht verloren», gibt Nadal zu. «Aber ich habe jetzt das Gefühl, dass mein Spiel wieder absolut top ist.» Djokovic, der im vergangenen Jahr im Halbfinal in fünf hochklassigen Sätzen gegen den Spanier verlor, glaubt, dass er sich vom Druck nicht beirren lässt. «Dass ich letztes Jahr so nahe dran war, gibt mir die Überzeugung, dass ich gewinnen kann», sagte er. «Vor zwei Jahren setzte ich mich noch stärker unter Druck, aber jetzt ist die Aussicht auf den Titel mehr eine positive Motivation als Stress.» (si/fox)