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Olympia-Kolumne: Wieso Karl Marx in Rio grosse Freude hätte

2016 Rio Olympics - Olympic Park - Rio de Janeiro, Brazil - 07/08/2016. Olympic volunteers pose for pictures with spectators outside Olympic Park. REUTERS/Reinhard Krause TPX IMAGES OF THE DAY
Frohe Stimmung in Rio: Fans posieren mit Volunteers.
Bild: REINHARD KRAUSE/REUTERS

Wieso unser Olympia-Kolumnist in Rio oft an Karl Marx denkt, obwohl er nie ein Linker war

Schade, dass der gute alte Karl Marx die Olympischen Spiele nie besuchen konnte. Das Spektakel in Rio hätte auch ihn inspiriert.
09.08.2016, 10:5409.08.2016, 11:15
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Nein, ich habe auf dem langen Hinflug nicht Karl Marx gelesen. Seine Werke sind viel zu langweilig. Sie gehören zu den langweiligsten Büchern, die je gedruckt worden sind. Ich war in jungen Jahren auch nie im linken Untergrund. Und doch muss ich in Rio de Janeiro hin und wieder an Karl Marx denken.

Der deutsche Kapitalismuskritiker und Polemiker hätte hier bei Olympia Antworten auf viele Fragen gefunden, die ihn zeitlebens umgetrieben haben. Beispielsweise auf die Frage, warum die Reichen immer reicher werden.

Worker Michael Six fixes a huge German soccer jersey around the monument of former German philosopher and and revolutionary socialist Karl Marx before the start of the soccer match Germany vs Ghana du ...
Marx, der Fussballfan? Er starb 1883, bevor die Olympischen Spiele neu lanciert wurden.
Bild: Jens Meyer/AP/KEYSTONE

Frondienst wie im Mittelalter

Das IOC ist ein global operierender Milliarden-Konzern mit Sitz in Lausanne und verdient sein Geld mit den Olympischen Spielen. Das ist keine Kritik. Bloss eine sachliche Feststellung. Diese Geldmaschine funktioniert, weil mehr 50'000 Menschen herbei eilen, um bei den Spielen unentgeltlich zu arbeiten und so den Reichtum des IOC zu mehren.

Aus aller Welt sind Frauen und Männer auch nach Rio gekommen, um olympischen Frondienst zu leisten. Frondienst war einst im Mittelalter eine Leistung der Bauern für den Grund- oder Leibherrn. Mit der Entwicklung der Geldwirtschaft sind die Frondienste durch bezahlte Arbeit abgelöst worden.

Das IOC hat den Frondienst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im grossen Stil wiedereingeführt. Es wäre möglich, alle, die in Rio zum Gelingen der Spiele beitragen, zu bezahlen. Das IOC würde immer noch viel Geld verdienen. Aber es muss eben oben immer mehr und unten weniger sein.

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Selfie mit der Schweizerin: Eine Freiwillige vor dem Strassenrennen der Frauen mit Jolanda Neff.Bild: EPA/EFE

Zwei Wochen lang auf einem Parkplatz Autos einweisen

Die freiwilligen Helferinnen und Helfer müssen einen Schulabschluss haben,  mindestens 18 Jahre alt sein und sich für mindestens zehn Tage zur Verfügung stellen. Sie arbeiten nicht nur gratis. Sie reisen auch auf eigene Kosten an und die Unterkunft müssen sie selber organisieren und bezahlen. Aber anders als die Bauern im Mittelalter ist es zumindest nicht vorgeschrieben auch noch Werkzeug und Pferde mitzubringen.

Drei T-Shirts, zwei Hosen, ein Paar Schuhe, eine Tasche und Verpflegung während des Einsatzes – das ist alles, was sie bekommen. Viele opfern ihre Ferien für die olympische Erfahrung. Die olympischen Fronarbeiterinnen und -Arbeiter dürfen zwar wünschen, was sie tun möchten. Aber am Ende des Tages werden sie eingeteilt, so wie einst die Bauern von ihren Guts- und Leibherren. Es kann sein, dass jemand die ganzen Spiele damit verbringt, irgendwo auf einem Parkplatz Autos einzuweisen.

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Ohne Freiwillige läuft auch beim Volleyball nichts.
Bild: EPA/EFE

Die Magie der olympischen Idee

Ich frage immer mal wieder einen der freundlichen Helfer oder eine der freundlichen und charmanten Helferinnen, was die Motivation sei. Die Antwort ist stets die gleiche. Aus Freude. Um ein Teil der olympischen Familie zu sein. Um dabei zu sein. Die Magie der olympischen Idee.

Karl Marx würde polemisieren, das sei nichts anderes als Ausbeutung der Werktätigen mit Hilfe der Ideologie mit den fünf bunten Ringen. So etwas wage ich natürlich nicht zu sagen und ich entschuldige mich, dass ich auch nur an so etwas gedacht habe. Sonst kommt doch noch jemand auf den Gedanken, ich hätte auf dem Hinflug Karl Marx gelesen oder sei ein linker Aktivist gewesen.

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17 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Dan Rifter
09.08.2016 12:08registriert Februar 2015
Da können wir gleich bei Klaus' anderem Lieblingsgebiet anknüpfen: Auch im Hockey funktioniert kein NLA-Ckub ohne Freiwillige, die in ihrer Freizeit für ein Sandwich und freien Eintritt hinstehen.
In Fribourg wurde den Volunteers letztes Jahr die Verpflegung (ein Sandwich) gestrichen, um zu sparen.
Dies, während gewisse Spieler solid 6-stellig verdienen, weil sie einmal eine gute Saison hatten.'
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Karl Müller
09.08.2016 11:10registriert März 2015
Es wäre schön, um nicht zu sagen unabdingbar, wenn in diesem Artikel Zahlen genannt würden. Wieviel nimmt das IOC ein, was verdienen die Oberen?
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Volande
09.08.2016 11:15registriert Dezember 2014
Marx langweilig? Nun ja. Seine Reportagen immerhin, denn Journi war er eben auch, hatten Hand und Fuss. Absoluter Rohrkrepierer, diese Olympia-Kolumne, sorry für die drastische Worte: Die soziale Frage in Brasilien ist heftig, wie Proteste vor WM und Olympia gezeigt haben. Aber man kann natürlich auch von lachenden Gesichtern von Volunteers ausgehen und daraus aufs Gesamte schliessen. Wenn man schon theoretisieren will, was letztlich auch unbedachten Sportjournis offen steht, sollte man seine Beispiele besser wählen. Volunteers lachen immer – weil sie müssen.
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