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Rio de Janeiro unterscheidet sich grundsätzlich von den letzten Sommerspielen in Athen (2004), Peking (2008) und London (2012). Weil sich Rio nicht den Spielen anpasst. Die Spiele müssen sich Rio anpassen. Das ist gut so.
Als die Spiele nach Athen kamen, flohen die Einwohner aus der Stadt, das Verkehrschaos blieb aus und Athen gehörte Olympia. In Peking schuf ein autoritäres Regime eine olympische Parallelwelt, eine perfekte Organisation und mit dem wahren Leben Chinas kamen die Besucher nicht in Kontakt. London hatte keine Mühe, mit seiner sehr gut ausgebauten Infrastruktur (Nahverkehr) die Spiele in die Stadt zu integrieren, und das Leben ging neben den Spielen seinen gewohnten Gang.
Aber Rio, das zeichnet sich schon früh ab, wird anders. Perfekt, oder nahezu perfekt wie in Athen, Peking und London werden diese Spiele nicht sein. Aber sie werden lebendiger, vitaler und so letztlich schöner. Die Olympischen Macher gehen vom funktionierenden «Sofortismus» des Westens aus. Doch den gibt es in Rio nicht. Zum Glück. Rio lehrt die Olympische Familie wieder ein bisschen Geduld. Das Leben in dieser Stadt hält nicht inne, pausiert nicht wegen der Spiele. Es geht weiter, nimmt seinen gewohnten Gang und wer hier ist, muss sich anpassen.
Alleine die Lage der Stadt, die langgestreckt zwischen Meer und Hügeln liegt und den Verkehr auf wenige Hauptachsen zwingt, macht Fahrten durch die Stadt, von einem olympischen Schauplatz zum anderen, zu einer Geduldsprobe. Trotz der olympischen Spur auf den Strassen, die ausschliesslich für die Benzinkutschen der olympischen Familie bestimmt sind.
Die Improvisation hat das Primat über die Organisation, der Charme über die Professionalität, die Lebensfreude über das calvinistische Arbeitsethos. Alleine die melodische portugiesische Sprache, so etwas wie spanisch, aber ohne Knochen, beruhigt den gestressten Fremden, der in diese Stadt kommt.
Es gibt ein schönes Beispiel, wie Rio seine Besucher vereinnahmt – und sich nicht den Besuchern anpasst. Die Eröffnungsfeier des «Schweizer Hauses» am 1. August. «Swissness» trifft auf brasilianische Wirklichkeit.
Lebensfreude und Sinneslust sind selbst am Nationalfeiertag stärker als helvetische Beschaulichkeit. Selbst die Ausstrahlung unserer freundlichen, schönen und klugen Miss Schweiz Lauriane Sallin mahnt eher an eine adrette Handarbeitsschullehrerin. Lass mich diese frivole und politisch gewiss nicht korrekte Formulierung – wofür ich mich in aller Form entschuldige – wenigstens erklären.
Es geht also um das «Schweizer Haus». Eine Idee, die wir eigentlich den Österreichern abgekupfert haben. Erstmals führten sie während der Spiele von 1964 in Innsbruck ein «Österreicher Haus», um Gäste zu bewirten. Ja, 1972 während der «goldenen Tage von Sapporo» war der Besuch unserer Olympia-Helden im «Österreicher Haus» sozusagen Pflicht.
Passage de charme de Lauriane Sallin à la maison suisse. Miss Suisse illumine notre petit bout d'Helvétie à Rio. pic.twitter.com/kd9WJLXs0H
— Nicolas Bideau (@NicolasBideau) 2. August 2016
Seit 1992 gibt es bei den Spielen auch ein «Schweizer Haus». Inzwischen mieten die Schweizer nicht einfach ein Restaurant vor Ort. Längst ist das «Schweizer Haus» so etwas wie eine staatliche Einrichtung unter der Federführung von «Präsenz Schweiz» geworden.
Hier in Rio ist das «Schweizer Haus» ein kleines Dorf, nur für die olympischen Tage gebaut, wunderbar am Ufer einer Lagune gelegen und fürs Publikum zugänglich. Ein Treffpunkt über den Sport hinaus. Die Kosten von 6.5 Millionen Franken werden vom Bund und privaten Investoren getragen.
Für die Eröffnungsfeier sind mehr als 1000 Einladungen an die in Rio ansässigen Schweizerinnen und Schweizer verschickt worden. Weit über 1000 kommen. Bald einmal bricht ein wunderbares Chaos aus. Die Getränke- und Racletteausgabe bricht zusammen. Brasilianische Improvisation statt eidgenössische Organisation. Dazu rockt Mark Sway. Alphornklänge habe ich nie gehört, gejodelt wird auch nicht.
So ungezwungen, locker brasilianisch ist der helvetische Nationalfeiertag offiziell wohl selten zelebriert worden. «Das ist der Herr Botschafter», raunt mir jemand zu, als ich mich gerade mit einem freundlichen, charmanten Gentleman unterhalte. Gar mancher Gast lässt sich zwischendurch auf einen der Liegestühle nieder, die mit einem farbigen Konterfei von Schwingerkönig Matthias Sempach, einem Steinstosser oder Hornusser verziert sind. Um neue Kräfte für die Party zu schöpfen.
Ja, Lauriane Sallin, unsere Miss Schweiz, ist auch unter den Gästen. Eine Miss – also die schönste Frau eines Landes – ist immer der strahlende Mittelpunkt einer jeden Veranstaltung. So jedenfalls stelle ich mir das vor, naiv wie ich bin. Nun, hier, bei der 1. August-Samba-Rock-Party zu Rio ist es ein bisschen anders.
Two beauties at House of Switzerland: Lauriane Sallin, Miss Switzerland @missschweiz and @HappyLilly_ #swissando pic.twitter.com/bel04wwHCL
— House of Switzerland (@HofSwitzerland) 2. August 2016
Unter den vielen temperamentvollen, schönen, lebensfrohen und manchmal wilden brasilianischen Besucherinnen wirkt sie eher – excusez l’expression – wie eine adrette Handarbeitsschullehrerin. Miss Schweiz in Rio – na und? Hätte sie nicht zwischendurch mit zwei riesigen drolligen Bernhardiner-Hunden für Fotos posiert, hätte ich sie am Abend dieser grandiosen Feier wahrscheinlich gar nicht erkannt.