«Jaja, das geht wunderbar», verspricht mir mein Taxifahrer in Libreville. Ich habe leichte Zweifel, denn an der Frontscheibe prangen zwei Fähnchen mitten im Sichtfeld.
«Ich bin halt ein Fan, was soll ich machen?», ergänzt er. Ja, gut, dann ist das so. Ich blicke wieder nach vorne auf die Strasse und bestaune Gabuns Flagge.
«Schnall dich an», sagt er dann noch. Er fahre sonst nicht. Ich nehme den ausgeleierten und ein bisschen ausgefransten Gurt und tue, wie mir gesagt. Auch wenn ich genau weiss: Gibt's einen Unfall und es geht nur etwas kaputt, dann wird das dieser Gurt sein.
Ähnliche Situationen erlebe ich praktisch in allen Taxis. Auf das Angurten bestehen die Fahrer, aber sonst scheint der Zustand des Gefährts egal zu sein. Wäre ich Mitarbeiter der Schweizer Motorfahrzeugkontrolle, ich würde vor Schreck 1000 Tode sterben. Kaum ein Gefährt, das nicht einen offensichtlichen Mangel aufweist. Zum Beispiel ein Auto, bei dem an allen Türen der Griff innen und aussen noch dran ist – überhaupt keine Selbstverständlichkeit.
Den Höhepunkt an Autos, die in der Schweiz längst nicht mehr zugelassen wären, erlebe ich auf der ersten längeren Fahrt. «Nach Lambaréné?», fragt mich Luc, als ich an der grossen Strassenkreuzung «PK8» ankomme, von wo die Busse ins vier Stunden entfernte Ort abfahren. Ich nicke, er zeigt auf seinen Fünfplätzer. Sind vier Fahrgäste gefunden, geht's los. Die Frontscheibe ist zwar zersplittert, unten rechts hat sie ein regelrechtes Loch, aber sonst sieht der Wagen mehr oder weniger okay aus.
Das bisschen kaputte Scheibe haut mich längst nicht mehr um. Da habe ich in den letzten Tagen in Gabun schon zu viel anderes erlebt. «15'000 Francs», will Luc für die Fahrt. «7000», kontere ich, «ich weiss, was es kostet.» Zum Glück hatte ich mich in der Unterkunft informiert. Luc lächelt: «10'000, dafür fahr' ich dich bis zum Albert-Schweitzer-Spital.» Ich schüttle den Kopf und laufe davon. Luc lächelt noch immer: «Okay, 7000.»
So geht das ja problemlos. Aber die Preisverhandlungen bei Stadt-Taxis, bis ich da endlich durchblickte. Weil das funktioniert so: Du stehst am Strassenrand, winkst, das Taxi verlangsamt, du schreist durchs Fenster «Stade, 1000», der Fahrer hupt und hält oder fährt weiter. Weil den Preis, den sagt der Kunde. Ist der Taxifahrer einverstanden, hält er, findet er's zu teuer, musst du's beim nächsten versuchen.
Immerhin haben zu Beginn einige Taxifahrer Mitleid mit dem weissen Touristen und halten für Verhandlungen an. Als ich da beim ersten Mal fragte, wie viel es zum Stadion kostet, meinte der Fahrer: «Du musst den Preis sagen. Stimmt er für mich, steigst du ein, sonst lasse ich dich laufen.» Ich kann euch versichern, die Lernkurve für das Kennen der Taxipreise ist extrem steil.
Und sitzt du mal im Taxi, gehört es natürlich nicht dir alleine, sondern funktioniert weiterhin als Sammeltaxi. Der Fahrer verlangsamt bei potentiellen Kunden ständig und wenn Richtung und Preis des möglichen neuen Gastes stimmt, wird dieser ebenfalls mitgenommen.
Bei Lucs Taxi nach Lambaréné sind mittlerweile vier Gäste drin. Es kann losgehen. Allerdings verzögert sich der Start, weil sein Zündmechanismus funktioniert nicht mehr. Er muss den Schlüssel drehen (Motor springt nicht an), aussteigen, vorne am Motor den Wagen starten, wieder einsteigen und losfahren.
Es ist nicht der einzige Mangel seines Gefährts, wie ich später bei Check-Points in leicht abfallendem Gefälle feststelle. Die Handbremse zieht nicht mehr. Weil Luc bekanntlich seinen Wagen nicht abstellen kann, ohne dass er ihn mühsam vorne am Motor wieder starten muss, bittet er jeweils die Polizisten darum, ihm einen Stein zu suchen und unter das Rad zu legen, damit der Wagen im Leergang nicht davonrollt, bevor er aussteigen und seine Dokumente zeigen kann.
Bei einem ausserordentlichen Pinkelstopp unterwegs muss ich aus seinem Kofferraum ein Stück Holz holen und dieses als «Bremse» unterlegen. Die Mithilfe ist im Preis von 7000 Francs natürlich einbegriffen. Genauso wie das kurzfristige Ausleihen von Geld beim Tanken. In Lambaréné bittet er dann einen Freund, mir seine Schulden zurückzuzahlen.
Aber ja, wir kommen an. Und mit jedem Taxi, in welches ich wieder steige, denke ich mir: Ach, die zwei Fähnchen im Sichtfeld auf der Frontscheibe, die sind jetzt wirklich kein Problem.