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Olympia: Darum tut das deutsche Hockey-Wunder gegen Schweden der Schweiz gut

epa06550462 Players of Germany celebrate after winning the men's play-offs Quarterfinals match between Sweden and Germany inside the Kwandong Hockey Centre at the PyeongChang Winter Olympic Games ...
Deutsche Freudentaumel nach dem Sieg gegen Schweden.Bild: EPA/EPA
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Darum tut das deutsche Hockey-Wunder gegen Schweden der Schweiz gut

Eine der grossen olympischen Sensationen. Deutschland besiegt Schweden 4:3 n.V und steht im Halbfinale. Dort, wo wir sein sollten, sein könnten, sein müssten.
21.02.2018, 20:2422.02.2018, 06:55
klaus zaugg, südkorea
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Nun stehen wir ganz nackt da. Wir haben keine Ausreden mehr. Das ist gut so. Die unsäglich, rufschädigende Ausrede, unsere Liga, unser Hockey seien halt nicht gut genug und das Jammern über zu wenig gute Vorbereitung haben sich – Gott sei Dank – in Luft aufgelöst. Den Deutschen sei Dank. Wenigstens schadet die sportliche Pleite nicht auch noch unserer Liga.

Zu wenig Intensität in der Liga? Zu viele Spiele in der Liga? Einfach eine faule Ausrede. Die Deutschen rekrutieren ihre Mannschaft aus der Operetten-Liga DEL und die Spieler haben 49 Qualifikationspartien in den Beinen.

Wir brauchen mehr Vorbereitungszeit? Ach was, bloss Gejammer. Die Deutschen hatten noch weniger Nationalmannschafts-Termine. Im Dezember und im Januar spielte die Liga bis zum Abflug nach Südkorea durch. Keine Pause. Auch nicht in der Altjahrswoche.

Ungemach bei der Vorbereitung? Die Schweizer jammerten hier nach der Ankunft erst einmal über zu harte Betten. Nichts symbolisiert die Verweichlichung, die sich unter Patrick Fischer und seiner Entourage breitgemacht hat, besser, als dieses offizielle Jammern über die Betten. Kein Wunder schlugen wir zum Schluss hart auf dem Boden der Realität auf.

Die Deutschen warteten wegen einer technischen Panne sechs Stunden am Flughafen auf den Abflug. Klagen waren keine zu hören.

epa05951029 Germany's head coach Marco Sturm during the 2017 IIHF Ice Hockey World Championship group A preliminary round match between Germany and Russia at Lanxess Arena in Cologne, Germany, 08 ...
Mit Marco Sturm an der Bande erlebt das deutsche Eishockey neue Höhenflüge.Bild: EPA/EPA

Unter dem freundlichen Titanen Marco Sturm, einer ehemaligen NHL-Grösse, einer Autoritäts- und Respektsperson, spielen die Deutschen gut geordnetes, taktisch schlaues und erstaunlich hochklassiges Hockey.

Das «Transition-Game» – also das schnelle Umschalten von Defensive auf Offensive – beherrschen sie meisterhaft. Fast so gut wie wir, als wir noch Nationaltrainer wie Ralph Krueger uns Sean Simpson hatten. Und sie können Powerplay. Mit weniger talentierten Spielern als die Schweizer. Wir können Powerplay nicht.

Zwischen dem naiven, wilden «Pausenplatzhockey» der Schweizer und dem klugen, auf die eigenen Fähigkeiten zugeschnittenen, einfachen «Lego-Hockey» der Deutschen liegen Welten.

Die Deutschen haben die richtige Mischung aus «Eishockey arbeiten» und «Eishockey spielen» gefunden. Sie haben weniger Talent, aber mehr taktischen Verstand als die Schweizer. Und ihr Durchsetzungsvermögen in den Zweikämpfen ist im Quadrat höher.

Die Deutschen führen uns hier vor, was wir mit unserem Potenzial hätten erreichen können, hätten erreichen sollen, hätten erreichen müssen. Wir können es noch anders sagen: Kein einziger Spieler der Deutschen ist individuell gut genug, um in unserer Liga eine dominierende Rolle in der Ausländerposition zu spielen. Das ist wahrlich Salz in unsere olympischen Hockey-Wunden.

Die Schweden sind von den Deutschen für ihre Arroganz bestraft worden. Wie 2002, als sie im olympischen Viertelfinale sensationell an den Weissrussen gescheitert waren (3:4). Wir haben soeben die grösste Sensation des olympischen Hockeys seit eben dieser Schweden-Pleite von 2002 erlebt. Und den grössten Triumph des teutonischen Hockeys seit der olympischen Bronze-Medaille von 1976 in Innsbruck.

epa06550509 Johan Fransson of Sweden react after losing the men's play-offs Quarterfinals match between Sweden and Germany inside the Kwandong Hockey Centre at the PyeongChang Winter Olympic Game ...
Hängender Kopf beim Schweden Johan Fransson.Bild: EPA/EPA

Unsere Liga ist bei weitem gut genug. Dafür gibt es noch ein Beispiel. Kanadas Verteidigungsminister Maxim Noreau ist der beste Skorer seines Teams. Er hat Kanada mit einem Weitschuss gegen Finnland (1:0) ins Halbfinale befördert. In unserer Liga ist er beim SCB als 5. Ausländer oft überzählig.

Der Abstieg in die Mittelklasse hat hier in Südkorea begonnen. Nach der Halbfinalqualifikation haben uns die Deutschen in der Weltrangliste bereits überholt. Wir werden nach dem Turnier vom 7. auf den 8. Platz zurückfallen. Da sich die Norweger immerhin für die Viertelfinals qualifiziert haben, kommen sie uns in der Weltrangliste näher. Fallen wir aus den «Top 8», dann verlieren wir auch die automatische Qualifikation für die olympischen Spiele 2022 in Peking. Wir müssen uns dann das Ticket über ein Qualifikationsturnier sichern.

Deutschland im Halbfinale, Deutschland darf zweimal um eine Medaille spielen und unsere Spieler sind schon auf der Heimreise. Das Eishockey-Herz blutet.

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17 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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bokl
21.02.2018 21:42registriert Februar 2014
Schönreden hilft nicht mehr. Die CH-Liga ist vom Geld zerstört. Es gibt für alle zu viel ohne Leistung. Es wird nur nach "Talent" bezahlt. An Turnieren braucht es aber auch Arbeiter. Purer Einsatz, ohne Fragen was es bringt.

Es geht ums Gewinnen, nicht ums Verdienen.
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Freshlemonspace
21.02.2018 21:14registriert Juli 2016
Also die DEL gleich als operettenliga abzutun finde ich ein bisschen gar harsch, auf jeden fall nicht so gut wie die NL(A) aber weitaus besser als auchschon.
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andre63
21.02.2018 22:03registriert März 2014
die deutschem spielen mit stolz und leidenschaft, mit ehrlicher arbeit, sind bereit eis zu fressen....
all das habe ich bei der ch-nati vermisst.
selbstverständlich sind sie im flow, aber sie nützen ihn. haben auch gegen canada eine chance, bin gespannt.
einzig muzzi, um den würde ich mir dann doch etwas sorgen machen 🤣
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