Rafael Nadal. Ich höre den Namen und werde gleich leicht aggressiv. Vor allem jetzt, wo Nadal Roger Federer schon wieder bezwungen hat. So viele Titel mehr hätte der Baselbieter gewinnen können, wäre dieser Nadal nicht da. Federers Bilanz gegen seinen ewigen Konkurrenten steht neuerdings bei 10:23, Wawrinkas gar bei 0:12. Was ist der Grund dafür? Hier gibts fünf Antworten, eine Lösung und zwei Lichtblicke für Wawrinkas Duell mit der Weltnummer 1 am Sonntag.
Roger Federer - und während des Australian Open auch Stanislas Wawrinka - diktieren gerne das Spiel. Sie agieren angriffig und wollen die Punkte gewinnen. Aber dieser Nadal bringt einfach alles zurück. Alles. Ja, wir meinen alles. Der ist eine Gummiwand. Er steht drei Meter hinter der Linie, rennt wie ein Stier und bringt alles zurück. Alles. Irgendwann unterlaufen dem Angriffsspieler dann Fehler. Und Nadal lacht sich ins Fäustchen. Zudem ist Nadal einer der Besten, wenn es um Passierbälle geht. Die Flucht ans Netz kann daher gegen Tsonga oder Murray hervorragend funktionieren, ist aber gegen Nadal nur bedingt erfolgreich.
Wohl der wichtigste Punkt, warum Roger Federer und Stanislas Wawrinka gegen Nadal so grosse Probleme haben. Beide Schweizer führen die Rückhand einhändig aus. Zwar wird Wawrinka rund um den Globus für seine Backhand bewundert und hat eine der besten der Welt, aber wenn ein Spieler mit so viel Topspin wie Nadal auf die Bälle drischt, fehlt dieser einhändigen Rückhand die Power. Der Druck ist weg. Die sonst gefürchteten Bälle der Schweizer werden zu Vorlagen für den Mallorquiner.
Rafael Nadal ist Linkshänder. Nein, das stimmt ja gar nicht. Ich fang nochmals an: Nadal ist Rechtshänder. Aber Onkel Toni hat ihm von Anfang an gesagt: Spiel mit links und du wirst davon profitieren. So sieht es leider tatsächlich aus. Federer und Wawrinka müssen ihr Spiel jedes Mal anpassen, wenn sie gegen den Balearen antreten. Was sonst ein fieser Ball auf die Rückhand des Gegners ist, wird bei Nadal eine Einladung auf die Vorhand.
Nadal führt gegen Wawrinka 12:0. Von 26 gespielten Sätzen hat der Spanier gegen den Romand noch keinen einzigen abgegeben. Noch keinen. Null. Zero. Federer weist mit einer Bilanz von 10:23 die mit Abstand schlechteste Ausbeute von allen je gespielten Gegnern aus. Die letzten fünf Partien hat Federer verloren. An Grand Slams - also dann wenn es zählt - wartet er seit Wimbledon 2007 oder sieben Partien auf einen Sieg. Für Nadal ist die Ausgangslage einfach. Er weiss genau: Spiel so wie immer und es kommt gut. Die beiden Schweizer wissen: Spiel so wie immer und du gehst unter. Darum müssen sie neue Dinge ausprobieren, sie geraten aus der Komfortzone und am Schluss sehen sie immer wieder die Nadal-Faust.
Alle diese Punkte führen zu einer Konsequenz: Federer und Wawrinka müssen anders spielen gegen Nadal, als dass sie es gewohnt sind. Sie müssen mehr Risiko eingehen - und produzieren daher mehr Fehler. So einfach ist das.
Wir können hier im warmen Büro sitzen und ein Rezept präsentieren. Aber wäre es so einfach, Federer und Wawrinka hätten es längst in die Tat umgesetzt. Tatsache ist jedoch: Djokovic sieht gegen die Weltnummer 1 meist besser aus. Der Grund: Auch er ist ein defensiver Spieler. Er nimmt weniger Risiko, macht weniger Fehler und kann den Spanier so eher aus der Komfortzone locken.
Wir wollen vor Wawrinkas erstem Grand-Slam-Final ja positiv denken. Darum hier zwei Argumente für den Schweizer. Er hat zwar alle 26 Sätze gegen Nadal verloren, aber immerhin die letzten drei erst im Tiebreak. Er ist also auf gutem Weg. Und das zweite Argument für den grössten Erfolg Wawrinkas in dessen Karriere liefert mit Nelson Mandela der grösste Mensch, der je gelebt hat. Eines der bekanntesten Zitate Madibas ist: «Es erscheint immer unmöglich, bis man es gemacht hat.» Möge Wawrinka sich daran erinnern.