Remo Läng, warum springen Sie aus Höhen von mehreren Kilometern? Remo Läng: Fliegen ist einfach schön, es ist ein Traum des Menschen. Schon als Knabe stellte ich mir vor, einfach abzuheben und die Treppen rauf- und runterzufliegen. Mit 16 Jahren begann ich mit Gleitschirmfliegen, dann kam das Fallschirmspringen. Das Wingsuit-Fliegen, das ich heute vor allem mache, kommt diesem Bubentraum am nächsten. Für mich ist es auch schön, draussen in der Natur zu sein, zu spüren, wenn man beispielsweise durch eine Wolke fliegt und es feucht wird und einem warm oder kalt wird – wie man das beim Skifahren auch spürt.
Warum muss es dann unbedingt Extremsport sein?
Für mich ist das, was ich mache, kein Extremsport, sondern normale Freizeitbeschäftigung. Ich springe aus dem Flieger, wie andere ins Wasser springen. Ich mache es auch nicht wegen eines bestimmten Adrenalinkicks. Diesen verspüre ich bei 200 bis 400 Sprüngen pro Jahr ohnehin nicht mehr.
Haben Sie dabei nie Angst, am Abend nicht mehr heimzukehren? Man weiss nie, ob man auf der Strasse überfahren wird oder sonst irgendwas passiert. Aber beim Fliegen habe ich sicherlich keine Angst. Wenn ich das Gefühl habe, dass irgendetwas nicht stimmt, springe ich nicht.
Letzte Woche ist der bekannte Basejumper Dean Potter, der ebenfalls mit dem Wingsuit unterwegs war, tödlich verunglückt. Was löst eine solche Nachricht bei Ihnen aus?
Das sind zwei verschiedene Disziplinen. Ich mache klassisches Fallschirmspringen mit einem Wingsuit. Potter machte Basejumping mit einem Wingsuit. Beim Basejumping springt man von einem fixen Standort aus und fliegt oft sehr nahe an Objekten entlang. Ausserdem hat man bei diesem Sport auch keinen Notschirm dabei.
Sie springen also nie ohne Notschirm?
Sag niemals nie. Ich möchte den Leuten aber vor allem das Schöne am Sport zeigen. Das, was ich mache, ist Fallschirmspringen – ein anderer Sport als Basejumping. Das Problem beim Basejumping ist, dass es einen sehr schlechten Ruf hat. Die Leute denken, dass so etwas nur Lebensmüde oder sonstige Freaks machen.
Also ist Fallschirmspringen vergleichsweise ungefährlich?
Ja. Von der Suva wird Basejumping als ein Sport mit hoher Unfallgefahr und Fallschirmspringen als normaler Sport eingestuft. Ich wage es allerdings zu behaupten, dass Basejumping nicht gefährlicher als Fallschirmspringen wäre, wenn die Leute sich normal verhalten würden. Man sieht immer wieder solche, die vorher noch einen Joint drehen oder sonst irgendwelche Drogen einnehmen und dann springen. Das ist für mich kein Sport. Das Problem der Youtube-Generation ist, dass die Leute zu Dingen animiert werden, die sie gar nicht können. Es fehlen ihnen schlicht die Routine und die Erfahrung, um Unfälle zu vermeiden.
Am nächsten Mittwoch wollen Sie den Speedrekord im Wingsuit-Fliegen brechen, wird das klappen?
Es wird sehr schwierig. Wenn ich den Rekord unbedingt knacken wollte, würde ich die Sache anders angehen. Ich würde alles bereitlegen und dann warten, bis die Bedingungen ideal sind. Wind, Wetter, Temperatur und Luftfeuchtigkeit spielen eine entscheidende Rolle für das Gelingen des Rekords. Darüber hinaus muss der Sprung perfekt ablaufen. Hauchfein muss ich fliegen und spüren, wie viel ich dem Wingsuit abverlangen kann. Wenn Kopf und Schultern nicht schön symmetrisch sind, habe ich keine Chance.
Warum machen Sie es trotzdem?
Von den Organisatoren der Rekord- und Kulturtage in Biel wurde ich vor etwa zwei Monaten angefragt, ob ich als Einheimischer nicht einen Rekord fliegen könnte. Zuerst wollte ich absagen, da ein Höhensprung viel Vorbereitungszeit braucht. Von den Schweizer Meisterschaften her wusste ich allerdings, dass ich schnell bin. Dann dachte ich mir, man könnte versuchen, den Speedrekord zu brechen. Und das machen wir jetzt.
Was spricht dafür, dass Sie es dennoch schaffen könnten?
Erstens habe ich einen neuen Wingsuit, der extra für Speed angefertigt ist. Zweitens wiege ich mit meinen 95 Kilogramm mehr als andere und bin so schon schneller. Drittens habe ich schon etliche Wingsuit-Sprünge gemacht in meinem Leben, fühle mich sehr wohl darin und denke, dass ich alles aus dem Wingsuit rausholen kann.
Wären Sie besorgt, wenn Ihre Familie solche Sachen machen würde?
Ich habe früher mit meinem Vater und mit dem kleinen Bruder Gleitschirmflüge gemacht. Später fing er auch mit Fallschirmspringen an. Meine Mutter hat mit fast 60 noch damit angefangen, Gleitschirm zu fliegen. So wie andere Familien zusammen Ski fahren, waren wir halt ab und zu in der Luft.
Sie nennen sich selbst 4-D-Künstler. Woher kommt diese Bezeichnung?
Tauchen und Fliegen ist beides 3-dimensional, man kann rauf, runter, links oder rechts. Da ich beides mache und beides ein bisschen extrem, sagten mir meine Freunde: «Du bist die vierte Dimension.»