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Dieser Bieler springt aus 8000 Metern und will den Speedrekord mit dem Wingsuit brechen. Er sagt: «Das ist kein Extremsport»

Remo Läng: Der 39-Jährige will den Weltrekord im Speed-Fliegen brechen.
Remo Läng: Der 39-Jährige will den Weltrekord im Speed-Fliegen brechen.bild: zvg

Dieser Bieler springt aus 8000 Metern und will den Speedrekord mit dem Wingsuit brechen. Er sagt: «Das ist kein Extremsport»

Remo Läng aus Biel wagt sich an den Speedrekord im Wingsuit-Fliegen. Zu schlagen gilt es rund 315 Kilometer pro Stunde
22.05.2015, 08:1122.05.2015, 10:36
irene müller / aargauer zeitung
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Ein Artikel von
Aargauer Zeitung

Remo Läng, warum springen Sie aus Höhen von mehreren Kilometern? Remo Läng: Fliegen ist einfach schön, es ist ein Traum des Menschen. Schon als Knabe stellte ich mir vor, einfach abzuheben und die Treppen rauf- und runterzufliegen. Mit 16 Jahren begann ich mit Gleitschirmfliegen, dann kam das Fallschirmspringen. Das Wingsuit-Fliegen, das ich heute vor allem mache, kommt diesem Bubentraum am nächsten. Für mich ist es auch schön, draussen in der Natur zu sein, zu spüren, wenn man beispielsweise durch eine Wolke fliegt und es feucht wird und einem warm oder kalt wird – wie man das beim Skifahren auch spürt. 

Der Herausforderer: Remo Läng
Der 39-jährige Remo Läng ist in Nidau neben Biel aufgewachsen. Er hat Stromer und Detailhandelsangestellter gelernt. Heute ist er Mitbesitzer des Tauchgeschäfts Deep World in Brügg. Remo Läng war der erste Mensch, der die Alpen mit dem Wingsuit überquert hat, und ebenso der erste, der von 8000 Meter Höhe ohne Sauerstoff mit dem Wingsuit gesprungen ist. Am Mittwoch, 27. Mai, um 14.00 Uhr versucht er zum Auftakt der Rekord- und Kulturtage in Biel den Speedrekord im Wingsuit-Fliegen zu brechen. Dabei springt er aus einer Höhe von 3499 Metern aus einem Helikopter. Zu schlagen gilt es die 314,9 km/h des Amerikaners Mickle Travis. (imü)

Warum muss es dann unbedingt Extremsport sein? 
Für mich ist das, was ich mache, kein Extremsport, sondern normale Freizeitbeschäftigung. Ich springe aus dem Flieger, wie andere ins Wasser springen. Ich mache es auch nicht wegen eines bestimmten Adrenalinkicks. Diesen verspüre ich bei 200 bis 400 Sprüngen pro Jahr ohnehin nicht mehr. 

Haben Sie dabei nie Angst, am Abend nicht mehr heimzukehren? Man weiss nie, ob man auf der Strasse überfahren wird oder sonst irgendwas passiert. Aber beim Fliegen habe ich sicherlich keine Angst. Wenn ich das Gefühl habe, dass irgendetwas nicht stimmt, springe ich nicht.

Ballonsprung mit Wingsuit

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gif: gifmaker/youtube

Letzte Woche ist der bekannte Basejumper Dean Potter, der ebenfalls mit dem Wingsuit unterwegs war, tödlich verunglückt. Was löst eine solche Nachricht bei Ihnen aus?
Das sind zwei verschiedene Disziplinen. Ich mache klassisches Fallschirmspringen mit einem Wingsuit. Potter machte Basejumping mit einem Wingsuit. Beim Basejumping springt man von einem fixen Standort aus und fliegt oft sehr nahe an Objekten entlang. Ausserdem hat man bei diesem Sport auch keinen Notschirm dabei. 

Sie springen also nie ohne Notschirm? 
Sag niemals nie. Ich möchte den Leuten aber vor allem das Schöne am Sport zeigen. Das, was ich mache, ist Fallschirmspringen – ein anderer Sport als Basejumping. Das Problem beim Basejumping ist, dass es einen sehr schlechten Ruf hat. Die Leute denken, dass so etwas nur Lebensmüde oder sonstige Freaks machen. 

Also ist Fallschirmspringen vergleichsweise ungefährlich? 
Ja. Von der Suva wird Basejumping als ein Sport mit hoher Unfallgefahr und Fallschirmspringen als normaler Sport eingestuft. Ich wage es allerdings zu behaupten, dass Basejumping nicht gefährlicher als Fallschirmspringen wäre, wenn die Leute sich normal verhalten würden. Man sieht immer wieder solche, die vorher noch einen Joint drehen oder sonst irgendwelche Drogen einnehmen und dann springen. Das ist für mich kein Sport. Das Problem der Youtube-Generation ist, dass die Leute zu Dingen animiert werden, die sie gar nicht können. Es fehlen ihnen schlicht die Routine und die Erfahrung, um Unfälle zu vermeiden.

Neue Materialien für waghalsigere Sprünge
Am 16. Mai ist mit Dean Potter einer der erfahrensten Base-jumper der Welt tödlich verunglückt. Potter und sein Begleiter starben bei einem Wingsuit-Sprung im Yosemite-Nationalpark in Kalifornien und ergänzten somit die Liste der tödlichen geendeten Basejumps auf bereits 256 Fälle. Dass es beim Basejumping immer wieder mal zu Todesopfern kommt, ist nichts Neues. In den letzten Jahren traf es allerdings vermehrt auch routinierte Springer. Michael Schwery, Präsident der Swiss Base Association, bestätigte gegenüber «Watson. ch»: «Vor zehn Jahren verunglückten vor allem Anfänger. Heute trifft es vermehrt erfahrene Springer.» Das hat auch damit zu tun, dass sich die Wingsuit-Technologie in letzter Zeit extrem verbessert hat. Das ermögliche Sprünge an Orten, die zuvor ungeeignet waren und gemieden wurden. Früher musste eine Felswand mindestens 250 Meter vertikal runtergehen, damit sie sich als Absprungort eignete. Die präzisen Möglichkeiten zur Navigation können zu einem grösseren Risiko verleiten. Die Profis gehen auf sehr hohem Niveau an ihre Grenzen. Im Extremfall entscheiden dann nicht Sekunden, sondern Sekundenbruchteile über Leben und Tod. Laut «wingsuitly.com» sprangen 71,5% der verunglückten Basejumper von Klippen. 
watson.ch

Am nächsten Mittwoch wollen Sie den Speedrekord im Wingsuit-Fliegen brechen, wird das klappen?
Es wird sehr schwierig. Wenn ich den Rekord unbedingt knacken wollte, würde ich die Sache anders angehen. Ich würde alles bereitlegen und dann warten, bis die Bedingungen ideal sind. Wind, Wetter, Temperatur und Luftfeuchtigkeit spielen eine entscheidende Rolle für das Gelingen des Rekords. Darüber hinaus muss der Sprung perfekt ablaufen. Hauchfein muss ich fliegen und spüren, wie viel ich dem Wingsuit abverlangen kann. Wenn Kopf und Schultern nicht schön symmetrisch sind, habe ich keine Chance.

Warum machen Sie es trotzdem?
 Von den Organisatoren der Rekord- und Kulturtage in Biel wurde ich vor etwa zwei Monaten angefragt, ob ich als Einheimischer nicht einen Rekord fliegen könnte. Zuerst wollte ich absagen, da ein Höhensprung viel Vorbereitungszeit braucht. Von den Schweizer Meisterschaften her wusste ich allerdings, dass ich schnell bin. Dann dachte ich mir, man könnte versuchen, den Speedrekord zu brechen. Und das machen wir jetzt. 

Remo Läng: Alpenüberquerung mit dem Wingsuit

Was spricht dafür, dass Sie es dennoch schaffen könnten?
Erstens habe ich einen neuen Wingsuit, der extra für Speed angefertigt ist. Zweitens wiege ich mit meinen 95 Kilogramm mehr als andere und bin so schon schneller. Drittens habe ich schon etliche Wingsuit-Sprünge gemacht in meinem Leben, fühle mich sehr wohl darin und denke, dass ich alles aus dem Wingsuit rausholen kann.

Jetzt auf

Wären Sie besorgt, wenn Ihre Familie solche Sachen machen würde?
Ich habe früher mit meinem Vater und mit dem kleinen Bruder Gleitschirmflüge gemacht. Später fing er auch mit Fallschirmspringen an. Meine Mutter hat mit fast 60 noch damit angefangen, Gleitschirm zu fliegen. So wie andere Familien zusammen Ski fahren, waren wir halt ab und zu in der Luft.

Sie nennen sich selbst 4-D-Künstler. Woher kommt diese Bezeichnung?
Tauchen und Fliegen ist beides 3-dimensional, man kann rauf, runter, links oder rechts. Da ich beides mache und beides ein bisschen extrem, sagten mir meine Freunde: «Du bist die vierte Dimension.»

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