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Ach, hätte er doch den erzwungenen, 90-tägigen Verzicht auf seinen Thron, die Suspendierung durch die FIFA-Ethik-Kommission akzeptiert. Dann wäre Sepp Blatter nach Ablauf seiner Amtszeit im Februar in den Adelsstand der Legende erhoben worden. Eine Legende ist in diesem Zusammenhang eine Persönlichkeit, die auf Grund besonderer Leistung und Bedeutung zu ewiger Berühmtheit gelangt. Und die wäre dem Fussball-Sonnenkönig, der seit 1998 über ein Reich von 209 Ländern und 1,6 Milliarden Untertanen (Menschen, die direkt oder indirekt mit dem Fussball in Verbindung stehen) herrscht, sicher gewesen.
Und seine Bewunderer hätten ihn als letzten absolutistischen Herrscher des 21. Jahrhunderts in Erinnerung behalten. Als Fussball-Sonnenkönig, der nur von einem Gericht zum vorübergehenden Thronverzicht gezwungen werden konnte, das er selber geschaffen und legitimiert hatte.
Mit der Berufung gegen die 90-tägige Suspendierung (Sperre) kann Sepp Blatter nichts gewinnen. Ist sein Einspruch erfolgreich, dann wird es politisch-psychologisch ein «Freispruch zweiter Klasse». Jene Kritiker werden recht behalten, die monieren, die mit dem Segen von Sepp Blatter kreierte Ethik-Kommission der FIFA sei halt doch nichts anderes als die juristische Prätorianer-Garde des Sonnenkönigs. Also ein Teil eines Justiz-Apparats, der vor allem eifrig gegen die Feinde Sepp Blatters ermittelt – aber den Präsidenten am Ende doch ungeschoren davonkommen lässt.
Wird der Einspruch abgewiesen, bleibt der Eindruck von Uneinsichtigkeit zurück. Es wäre Sepp Blatter kein Zacken aus der Krone der Ehre und der Redlichkeit gefallen, wenn er das Verdikt, den 90-tägigen Thronverzicht akzeptiert hätte. Es handelt sich bei diesem FIFA-internen Gremium ja nicht um ein weltliches Gericht und um ein Verfahren, das mit einem Strafregister-Eintrag endet.
Aber Sepp Blatter ist, wie er ist. Von seiner eigenen Unfehlbarkeit überzeugt wie die Helden der griechischen Tragödien, die schuldlos schuldig endeten. «Wenn es jetzt diese Zeiten sind, dann braucht es eines solchen Mannes», huldigte einst Andrew Marwell dem barocken Machtmenschen Oliver Cromwell. So sieht sich Sepp Blatter. In diesen struben Zeiten braucht es oben auf dem Zürichberg, im Versailles des Fussballs, eines Mannes wie ihn.
Eines Mannes, der noch nie etwas anderes gewollt hat, als die Welt mit einem Spiel namens Fussball zu einem besseren Ort zu machen. Wie Martin Luther, der vor dem Reichstag in Worms seine Thesen wiederrufen sollte. Er weigerte sich mit der weltberühmten Begründung: «Hier stehe ich und kann nicht anders! Gott helfe mir, Amen!» Wie einst Napoléon, der es nicht lassen konnte und aus der Verbannung von Elba noch einmal für 100 Tage an die Macht zurückkehrte. Ein Comeback, das mit der welthistorischen Pleite von Waterloo endete.
Es ist dieser Stolz, der sich so wunderbar im Ausspruch von General Pierre Cambronne zeigt. Als ihn die Briten in Waterloo aufforderten, sich zu ergeben, erwiderte er stolz: «Die Garde stirbt, aber sie ergibt sich nicht.» «La garde meurt, mais se ne rends pas.»
So ist es jetzt beim Fussball-Sonnenkönig. Sepp Blatter riskiert noch einmal alles. Seine Bewunderer mögen sagen, mit dieser stolzen, unbeugsamen Haltung sei Sepp Blatter sozusagen eine Mischung aus Napoléon und Luther. Und als eine der bekanntesten Persönlichkeiten der Zeitgeschichte dürfen wir ihn ja schon mit solchen Grössen der Weltgeschichte vergleichen. Er hat sicherlich nichts dagegen.
In Tat und Wahrheit reitet er auf ein Waterloo der Justiz, der Ehre und des Prestiges zu. Er setzt nicht nur den Adelsstand der Legende aufs Spiel. Am Ende dieser grandiosen griechischen Funktionärs-Tragödie wartet die Lächerlichkeit.