Seit seinem Triumph bei den French Open vor einem knappen Jahr hat Novak Djokovic nur noch zwei Turniere gewonnen. Der Serbe hat nicht nur die Spitzenposition der Weltrangliste an Andy Murray eingebüsst, er belegt in der Jahreswertung derzeit auch nur den 20. Rang. «Tennis ist nicht mehr meine oberste Priorität. Ich bin nicht mehr derselbe», sagt Djokovic, der im Mai 30 wird. Er sei nicht nur Sportler, sondern auch Vater und Ehemann.
Seit dem letzten Dezember zählt Boris Becker nicht mehr zum Trainerteam Djokovics. Vor zu kritischen Äusserungen hatte er sich bisher aber stets gescheut.
Nun lässt sich der Deutsche in einem Interview mit dem TV-Sender «Sky Sports» dennoch zu einer brisanten Aussage hinreissen: «Seine Denkweise hat sich geändert. Mit dem Sieg in Roland Garros ist Novaks Lebenstraum in Erfüllung gegangen. Seither ist bei ihm die Luft draussen.»
Niemand vergesse, wie man eine Vor- oder Rückhand spielt, oder wie man aufschlägt. «Wer zweifelt, der hat schon verloren. Die Gegner in der Kabine bekommen das mit. Sie erkennen auch die Körpersprache und sie lernen, wie sie Novak schlagen können.» Beobachter sagen, Djokovic habe das Training vernachlässigt und zeige Anzeichen einer Sinnkrise. Dazu passt, dass mit Pepe Imaz ein Ex-Spieler, der Liebe und Frieden predigt, Einfluss nimmt.
Er spiele immer noch mit grosser Leidenschaft Tennis. Noch immer sei es das Spiel, das er liebe wie beim ersten Mal. Damals, als er im vom Krieg versehrten Belgrad erstmals ein Racket in die Hand nahm. Später mit 13 Jahren, beseelt vom Traum, der beste Spieler der Welt zu werden, nach München auswanderte. Später angetrieben davon, aus dem Schatten der erfolgreicheren und beliebteren Roger Federer und Rafael Nadal zu treten.
Nach Jahren der Dominanz, der Askese, dem Streben nach Perfektion hat Djokovic jedes Ziel erreicht. Er ist zwölffacher Grand-Slam-Sieger. Mit 108 Millionen Dollar hat er mehr Preisgeld verdient als jeder andere. Er war 122 Wochen die Nummer 1. Doch trotz Jahren der Dominanz steht er nun wieder im Schatten von Federer und Nadal. Vielleicht hilft ihm die Wut darüber, das innere Feuer wieder zu entfachen. Aber vielleicht erstickt es auch das letzte Glühen.