Der Vorwurf, dem sich Schiedsrichter Carlos Ramos nach dem US-Open-Final der Frauen von Serena Williams ausgesetzt sieht, ist gravierend: Sexismus. Doch was ist Sexismus? Die Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes schreibt: «Sexismus ist ein weites Feld und betrifft alle Menschen.» Es gehe dabei nicht ausschliesslich um die Diskriminierung eines Geschlechts, sondern vielmehr um die daran geknüpften Verhaltensanforderungen.
Sexismus kann offen sein, aber auch subtil. Das Phänomen ist vielschichtig und beinhaltet auch Erwartungen an die sexuelle Orientierung. Heisst in der Fortsetzung: Wer sich über die sexuelle Orientierung anderer mokiert, ist ein Sexist. Genau das hat Serena Williams, die den Punktabzug im Final der US Open als «sexistisches Statement» bezeichnete, selber mehrfach getan. Im Zentrum stand eine ihrer grössten Rivalinnen, die Französin Amélie Mauresmo.
«Serena Williams rettet den Tag», titelt der englische Boulevard im November 2008 über einen Sketch in der Comedy-Serie «Mad TV». Dabei wird die Amerikanerin als Superheldin inszeniert: Der designierte US-Präsident Barack Obama bittet Williams im Kampf gegen die Russen um Hilfe. Diese hätten Pläne für Waffen gestohlen. Ihre Gegnerin: Alisa Karbelnikov, eine Anlehnung an die ehemalige Tennis-Spielerin Anna Kournikowa.
Williams schlüpft nun in ein enges Kostüm, verwandelt sich in «Black Racket». Der zuvor hinter ihr als unbeholfener Balljunge wirkende Asiate wird zu ihrem Gehilfen «Ping Pong». Im Hintergrund wehen amerikanische Fahnen. Auf einem Racket fliegen sie nach Russland. Dort fordert Williams: «Gib mir die Pläne, oder ich töte dich.» Es kommt zum Duell auf dem Platz. Williams: «Bist du bereit dafür, dass ich dir deinen knochigen, blonden Arsch versohle?»
Kann man das noch als lustvolles Spiel mit Stereotypen bezeichnen, wird es spätestens ab diesem Moment fragwürdig. Karbelnikov fragt: «Dachtest du wirklich, du spielst gegen mich? Nein, nein. Du spielst gegen die französische Bankdrückerin Amélie Mauresmo.» Ihr Name wird nicht verfremdet. Sie wird gespielt von einem Mann, muskulös, breitbeinig, die Oberweite ist ausstaffiert. Zur Begrüssung zerdrückt sie einen Tennisball zwischen ihren Beinen.
Martina Hingis hatte Mauresmo einmal als «halben Mann» bezeichnet und Lindsay Davenport sagte, die Französin spiele wie ein Mann. 1999, im Alter von nur 19 Jahren, outete Mauresmo sich als lesbisch. Später trainierte sie Andy Murray. Williams' Trainer Patrick Mouratoglou sagte damals: «Nichts gegen Frauen, aber es ist komisch für einen Mann, eine Frau anzustellen.» Mauresmo ist heute Captain des französischen Davis-Cup-Teams und zweifache Mutter.
Im Sketch von «Mad TV» zerlegt Williams das Mannsweib nach allen Regeln der Kunst. Selbst eine Handgranate, von der russischen Agentin Karbelnikow zugespielt, retourniert sie gekonnt. Sie hinterlässt ein riesiges Loch im Bauch von «Bankdrückerin Mauresmo». «Game, Set and Match», sagt Williams. Karbelnikow anerkennt, sie spiele so gut, wie sie aussehe. Williams antwortet lasziv: «Und ich schaue verdammt gut aus.» Die Superheldin hat die Mission erfüllt.
Der Sketch spielt in einer Comedy-Serie. Serena Williams ist inzwischen Mutter. Sie kämpft gegen Sexismus, Rassismus und jede Form von Diskriminierung. Sie wurde selber wohl oft genug Opfer von Ausgrenzung und Vorurteilen. Ein russischer Turnierveranstalter nannte sie und ihre Schwester einst «Williams Brothers». Er wurde für ein Jahr gesperrt. Nun sieht sie sich als Opfer einer «Doppelmoral». Im Sketch von «Mad TV» aber ist sie die Täterin.
Emotional ending of the Serena's presser (📽 ESPN) pic.twitter.com/8bEgSndZsB
— Ilya Ryvlin (@ryvlin) 8. September 2018