Als Präsident des Spielerrats, so umriss er seine Vision, wolle er integrierend wirken. Sich für eine gerechtere Verteilung der Preisgelder einsetzen. Dafür, dass mehr als nur die besten hundert Spieler der Welt vom Tennis leben könnten. Doch erreicht hat Novak Djokovic, 32, das Gegenteil: Zwietracht, Missgunst, ein gestörter Dialog und ein Zwist zwischen den Wortführern – ihm, Roger Federer und Rafael Nadal.
Längst wird er in der Öffentlichkeit ausgetragen. Entbrannt war die Debatte an der Frage, ob der Ende Jahr auslaufende Vertrag von Chris Kermode als Präsident der ATP verlängert werden soll. Djokovic hatte über Monate hinweg darauf hingewirkt, den Briten abzusetzen.
Er diskreditierte ihn, obwohl sich die Preisgelder unter dessen Führung seit 2013 verdoppelt haben, schmiedete Allianzen, führte Gespräche, verschickte E-Mails und sorgte mit seinen Kollegen im Spielerrat für die Absetzung des Spielervertreters Roger Rasheed.
Anfang März wähnte sich Djokovic am Ziel: Kermodes Vertrag wird nicht verlängert. Den Ausschlag gaben die drei Spielervertreter David Edges, Alex Inglot und Justin Gimelstob. Er löste Ablehnung und Entrüstung aus. Magnus Norman, der Coach von Stan Wawrinka, schrieb: «Ein trauriger Tag für die ATP-Tour. Der Mann hat einen unglaublichen Job für die Spieler und die Turniere gemacht.»
Und auch die Grosszahl der Spieler reagierte mit Befremden bis hin zu offener Kritik. Roger Federer sagte, er habe versucht, mit Novak Djokovic zu sprechen. Doch der sei für ihn nicht erreichbar gewesen. Auch Rafael Nadal beklagte mehrfach, Djokovic habe ihn nie angehört.
Das eigentlich florierende Geschäft mit dem Tennis befindet sich seit Monaten in einer fundamentalen Umwälzung, bei der es um Macht und Millionen geht. Just in dieser Zeit verstricken sich die Ikonen in Grabenkämpfen. Federer kündigte an, sich künftig wieder in politische Fragen einmischen zu wollen, obschon er im Herbst seiner Karriere steht und Anfang Jahr zur «Aargauer Zeitung» sagte: «Es stehen andere in der Verantwortung. Sie sollen den Rat so führen, wie sie es für richtig halten.»
Doch durch die Absetzung Kermodes ist ein Vakuum entstanden. Lange galt es als ausgemacht, dass Gimelstob, der als Spielervertreter die Absetzung Kermodes mitverantwortete, die Nachfolge antritt. Er gilt wie David Edges, der Ende 2018 den vom Spielerrat um Djokovic ausgebooteten Roger Rasheed ersetzte, als Verbündeter des Serben.
Doch spätestens seit diesem Montag ist Gimelstob nicht mehr tragbar. Er wurde von einem Gericht in Los Angeles zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Der 42-Jährige hatte am 21. November 2018 einen Nachbarn auf offener Strasse angegriffen und während dreier Minuten über 50-mal auf dessen Kopf eingeschlagen. So steht es in der Anklageschrift.
Read the full victim impact statement from Randall Kaplan, the man beaten by Justin Gimelstob last Halloween. (1/5) pic.twitter.com/S1qCKl4Ovh
— Ben Rothenberg (@BenRothenberg) April 22, 2019
Gimelstob schrie dabei unentwegt «Ich werde dich töten». Und das vor den Augen der schwangeren Frau des Opfers und des zweijährigen Sohns. «Nie in meinem Leben hatte ich solche Schmerzen und solche Angst», schilderte das Opfer, Randall Kaplan. Gimelstob hatte er vor elf Jahren bei einer Hochzeit eines gemeinsamen Bekannten kennen gelernt. Sie hätten fünf Jahre gar keinen Kontakt gehabt, ehe Gimelstob ihn im letzten Mai sechsmal telefonisch zu erreichen versucht habe.
Kaplan reagierte nicht darauf. Als es eine Woche später in einem Restaurant zu einem zufälligen Treffen kam, habe Gimelstob ihn damit konfrontiert, weshalb er seine Anrufe ignoriere. In der Folge drohte er Kaplan im Beisein seiner Anwältin mit dem Tod und sagte: «Ich habe Geld. Sie ist die beste Anwältin der Welt und holt mich überall raus.» Sechs Monate später erfolgte der Angriff. Vom Vorfall traumatisiert, erlitt Kaplans Frau in der Folgewoche eine Fehlgeburt. «Bis dahin war es eine normale Schwangerschaft. Für die Ärzte ist klar: Es gibt keine andere Erklärung», sagte Kaplan vor Gericht.
Es ist nicht das erste Mal, dass Gimelstob übergriffig wurde. So soll er versucht haben, seine Ex-Frau, die er mehrfach misshandelt haben soll, mit dem Auto zu überfahren, während das gemeinsame Kind auf dem Rücksitz sass. Fünf weitere Fälle von Gewalt in den letzten vier Jahren sind dokumentiert: Doch immer wieder schüchterte Gimelstob die Opfer ein. Deshalb kam es bisher nie zu einer Verurteilung.
Noch Anfang Jahr hatte Djokovic sich für Gimelstob starkgemacht, als er sagte, das seien alles nur Behauptungen, und es gelte die Unschuldsvermutung. Gimelstob sei ein «grossartiger Spielervertreter». Mit seiner falschen Loyalität hat Djokovic nicht nur Spielerkollegen gegen sich aufgebracht, sondern das Tennis auch in eine tiefe Führungskrise manövriert.
Kermode ist Ende Jahr weg, wer auf ihn folgt, ist indes ungeklärt. Gimelstob sollte Djokovics verlängerter Arm in die Machtzentrale des Tennis werden. Noch ist er einer von drei Spielervetretern. Tritt er nicht zurück, kann er nur von einer einfachen Mehrheit des von Djokovic präsidierten Spielerrats abgesetzt werden. Dieser berät sich am 14. Mai in Rom.
Auch sportlich hat Djokovic der Konflikt zermürbt. Bei den letzten drei Turnieren gewann er nur noch fünf Spiele. Er habe sich von den Debatten zu sehr ablenken lassen. Nach einer Niederlage sagte er: «Ich habe meine Lektion gelernt.» Angesichts der Ereignisse bleibt zu hoffen, dass er sich bei dieser Aussage nicht nur auf den Sport bezogen hat. (aargauerzeitung.ch)
Ich würde ihn nur zu gerne Therapieren.