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Trennung von Radek Stepanek: Novak Djokovics Welt zerbricht in ihre Einzelteile

epa06434678 Novak Djokovic of Serbia (R) and his coaches Andre Agassi (L) of the USA and Radek Stepanek (C) of the Czech Republic during a training session at the Australian Open Grand Slam tennis tou ...
Da waren sie noch zu dritt. Mittlerweile hat sich Djokovic von Agassi (links) und Stepanek (Mitte) getrennt.Bild: EPA/EPA

Nächste Trennung: Novak Djokovics Welt zerbricht in ihre Einzelteile

Nach der Trennung von Andre Agassi beendet Novak Djokovic die Zusammenarbeit mit Radek Stepanek, seinem zweiten Trainer. Die Liste wird immer länger, die Verzweiflung immer greifbarer. Wer ihm keine Antworten liefert, verschwindet schnell wieder von der Bildfläche.
04.04.2018, 14:4304.04.2018, 15:47
simon häring / aargauer zeitung
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Sie hatte etwas Skurriles, die Inszenierung, mit der Novak Djokovic im letzten Winter die Verpflichtung von Radek Stepanek als Trainer bekannt gab. Er machte es via Livestream über Instagram. Darin erzählte der Serbe von seinen letzten Wochen, von der Vorbereitung auf die neue Saison, von seinen Zielen. Und davon, dass er eine wichtige Mitteilung zu überbringen habe. Dann stiess er die Tür zum Nebenraum auf, wo Radek Stepanek sass, der neue Trainer.

So stellte Novak Djokovic im letzten Winter seinen neuen Trainer Radek Stepanek vor.Video: YouTube/pasanski

Nicht einmal ein halbes Jahr später ist diese Paarung bereits Geschichte. Nach dem Masters-Turnier in Miami, wo Djokovic nach Indian Wells zum zweiten Mal in Folge bereits seinen ersten Match verloren hatte, geht das Reinemachen weiter. Erst hatte sich Andre Agassi von ihm getrennt, mit salbungsvollen Worten, mit der sanften Stimme, die ihn ausmacht, aber auch mit subtiler Kritik: «Wir sind übereingekommen, dass wir zu oft nicht übereinkommen.»

Serbia's Novak Djokovic talks with coach Andre Agassi, left, during a practice session ahead of the Australian Open tennis championships in Melbourne, Australia, Saturday, Jan. 13, 2018. (AP Phot ...
Andre Agassi und Novak Djokovic waren sich zu oft uneinig.Bild: AP/AP

Und nun die Trennung vom Tschechen Radek Stepanek (39), der ehemaligen Nummer acht der Welt. Sie ist begleitet von den Worten, die solche Trennungen immer begleiten. Man sei gemeinsam zu diesem Schluss gekommen. Man sei dankbar für die gemeinsame Zeit. Und man bleibe Freunde fürs Leben. Die Wahrheit? Die kennen wohl nur Djokovic und Stepanek, der im Sommer erstmals Vater wird. Auch das dürfte eine Rolle gespielt haben.

Das alles ändert aber nichts an der sportlichen Misere. Djokovic wirkte zuletzt nur noch wie ein Schatten seiner selbst. «Ich versuche alles, aber nichts funktioniert. Ich fühle mich einfach nicht gut genug», sagte er in Miami. «Alles im Leben hat seinen Grund», ist zu seinem Mantra geworden. Doch der 30-Jährige macht noch immer den Eindruck, als falle es ihm schwer, mit letzter Konsequenz zu akzeptieren, dass es nicht auf jede Frage eine Antwort gibt.

Serbia's Novak Djokovic casts the shadow on the Rod Laver Arena as he plays France's Gael Monfils during their second round match at the Australian Open tennis championships in Melbourne, Au ...
Novak Djokovic ist nur noch ein Schatten seiner selbst.Bild: AP/AP

Trainer, Manager, Einflüsterer, Gurus

Also hört er auf andere: auf Trainer, auf Physiotherapeuten, auf Manager, auf Einflüsterer, sogar auf Gurus. Und wenn ihm diese nicht die Antwort liefern, so scheint es, verschwinden sie ebenso schnell wieder von der Bildfläche, wie sie aufgetaucht sind. Von seiner Lohnliste verschwunden sind in den letzten Jahren: Boris Becker, Fitnesstrainer Gebhard Phil Gritsch und Physiotherapeut Miljan Amanovic, sogar Marjan Vaida. Und nun Agassi und Stepanek.

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Djokovic beim Sieg des French Open 2016.Bild: EPA/epa
«Mein ganzes Glück pflegte davon abzuhängen, Tennismatches zu gewinnen.»
Novak Djokovic

Seit seinem Erfolg bei den French Open 2016 hat Novak Djokovic begonnen, sich von seinem alten Selbst zu emanzipieren. Vom getriebenen Asketen, der fast ein Jahrzehnt im Schatten von Roger Federer und Rafael Nadal gestanden war. Der als Sinnbild eines Selbstoptimierers die beste Version seiner selbst werden wollte und geworden war. Ein zwölffacher Grand-Slam-Sieger, der während 223 Wochen die Weltrangliste anführte. Einer der Besten der Geschichte.

Operation am Handgelenk

Hin zum Familienvater, weg vom Dominator, raus aus dem Tennis-Nirwana. Denn Erfüllung hatte ihm das offenbar nicht gebracht. Also wandte er sich der Spiritualität zu. «Mein ganzes Glück pflegte davon abzuhängen, Tennismatches zu gewinnen. Vielen Athleten geht es heute so. Aber ich versuche, davon loszukommen», sagte er im letzten Sommer. Dann beendete er seine Saison. Eine hartnäckige Verletzung am Ellenbogen hatte ihn dazu gezwungen.

Als er im Januar zurückkehrte, schien er vom Geist beseelt, der ihn aus dem Schatten Federers und Nadals hat treten lassen, inspiriert, angestachelt. Er erreichte in Melbourne immerhin die Achtelfinals. Doch das Hoch – es war nur von kurzer Dauer. Es folgten neuerlich Probleme und eine Operation am Handgelenk in der Muttenzer Rennbahnklinik. Den Stab an Beratern blähte er weiter auf, holte mit Craig O'Shannessy gar einen Datenanalysten.

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In Melbourne war für Djokovic im Achtelfinale Schluss.Bild: EPA/AAP

Nur Guru Pepe Imaz ist geblieben

Lange geblieben ist aber nur einer: Guru Pepe Imaz. Welche Rolle er wirklich spielt, das lässt sich bis heute kaum abschätzen. Djokovic sagt: «Tennis hat nicht mehr oberste Priorität. Ich bin an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich versuche, der beste Ehemann, der beste Vater und der beste Tennisspieler zu sein», sagte er einmal in seinem Krisenjahr, beseelt vom Gedanken, die beste Version seiner selbst zu werden. Es ist ein unmöglicher Spagat.

Djokovic spaziert mit Frau und Kind:

Djokovic selber sagt, er habe während seiner Pause viel meditiert: «Ich kann nicht sagen, was ich dabei gewinne, aber ich kann sagen, was ich verliere: Angst und Stress.» Sein inneres Gleichgewicht mag Djokovic damit gefunden haben, doch scheint er dabei den Biss verloren zu haben, der ihn zum Besten gemacht hat. Kürzlich hat er gesagt, er wolle bis 40 spielen. Mit Blick auf sein inferiores Handeln fällt es schwer, diesen Worten Glauben zu schenken.

Tennisspieler mit mindestens zwei Grand-Slam-Titeln (seit 1968)

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Tennisspieler mit mindestens zwei Grand-Slam-Titeln (seit 1968)
Novak Djokovic (2008 bis 2023): 24 Grand-Slam-Titel (10-mal Australian Open, 7-mal Wimbledon, 4-mal US Open, 3-mal French Open).
quelle: keystone / thibault camus
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17 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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MacB
04.04.2018 16:10registriert Oktober 2015
Bei den Worten Tennis und Guru muss ich immer an ORangen-Rainer von Patty Schnyder denken :D
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Egolf
04.04.2018 14:53registriert März 2014
Meiner Meinung nach sollte er entweder fast alles dem Tennis unterordnen und somit auch seinen Guru entlassen, oder eben aufhören. Er wird mit diesem nämlich nicht mehr der alte.
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Fulehung1950
04.04.2018 15:47registriert Juni 2014
Federer hat‘s vorgemacht (er ist eben in allen Belangen der Beste):

wenn es zwickt, macht man eine Pause. Und tankt mit der Familie auf

wichtiger als die Trainer ist Mirka, die ihm den Rücken frei hält

Und so wird man eben wieder die #1. der Jocker und Nadal treiben seit Jahren Raubbau mit ihren Körpern. Das wird nichts mehr.

Aber ich respektiere ganz ehrlich, wenn der Jocker sagt, er wolle der beste Ehemann und Papi sein. Aber dann leidet zwangsläufig das Tennis.
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