Sie hatte etwas Skurriles, die Inszenierung, mit der Novak Djokovic im letzten Winter die Verpflichtung von Radek Stepanek als Trainer bekannt gab. Er machte es via Livestream über Instagram. Darin erzählte der Serbe von seinen letzten Wochen, von der Vorbereitung auf die neue Saison, von seinen Zielen. Und davon, dass er eine wichtige Mitteilung zu überbringen habe. Dann stiess er die Tür zum Nebenraum auf, wo Radek Stepanek sass, der neue Trainer.
Nicht einmal ein halbes Jahr später ist diese Paarung bereits Geschichte. Nach dem Masters-Turnier in Miami, wo Djokovic nach Indian Wells zum zweiten Mal in Folge bereits seinen ersten Match verloren hatte, geht das Reinemachen weiter. Erst hatte sich Andre Agassi von ihm getrennt, mit salbungsvollen Worten, mit der sanften Stimme, die ihn ausmacht, aber auch mit subtiler Kritik: «Wir sind übereingekommen, dass wir zu oft nicht übereinkommen.»
Und nun die Trennung vom Tschechen Radek Stepanek (39), der ehemaligen Nummer acht der Welt. Sie ist begleitet von den Worten, die solche Trennungen immer begleiten. Man sei gemeinsam zu diesem Schluss gekommen. Man sei dankbar für die gemeinsame Zeit. Und man bleibe Freunde fürs Leben. Die Wahrheit? Die kennen wohl nur Djokovic und Stepanek, der im Sommer erstmals Vater wird. Auch das dürfte eine Rolle gespielt haben.
Das alles ändert aber nichts an der sportlichen Misere. Djokovic wirkte zuletzt nur noch wie ein Schatten seiner selbst. «Ich versuche alles, aber nichts funktioniert. Ich fühle mich einfach nicht gut genug», sagte er in Miami. «Alles im Leben hat seinen Grund», ist zu seinem Mantra geworden. Doch der 30-Jährige macht noch immer den Eindruck, als falle es ihm schwer, mit letzter Konsequenz zu akzeptieren, dass es nicht auf jede Frage eine Antwort gibt.
Also hört er auf andere: auf Trainer, auf Physiotherapeuten, auf Manager, auf Einflüsterer, sogar auf Gurus. Und wenn ihm diese nicht die Antwort liefern, so scheint es, verschwinden sie ebenso schnell wieder von der Bildfläche, wie sie aufgetaucht sind. Von seiner Lohnliste verschwunden sind in den letzten Jahren: Boris Becker, Fitnesstrainer Gebhard Phil Gritsch und Physiotherapeut Miljan Amanovic, sogar Marjan Vaida. Und nun Agassi und Stepanek.
Seit seinem Erfolg bei den French Open 2016 hat Novak Djokovic begonnen, sich von seinem alten Selbst zu emanzipieren. Vom getriebenen Asketen, der fast ein Jahrzehnt im Schatten von Roger Federer und Rafael Nadal gestanden war. Der als Sinnbild eines Selbstoptimierers die beste Version seiner selbst werden wollte und geworden war. Ein zwölffacher Grand-Slam-Sieger, der während 223 Wochen die Weltrangliste anführte. Einer der Besten der Geschichte.
Hin zum Familienvater, weg vom Dominator, raus aus dem Tennis-Nirwana. Denn Erfüllung hatte ihm das offenbar nicht gebracht. Also wandte er sich der Spiritualität zu. «Mein ganzes Glück pflegte davon abzuhängen, Tennismatches zu gewinnen. Vielen Athleten geht es heute so. Aber ich versuche, davon loszukommen», sagte er im letzten Sommer. Dann beendete er seine Saison. Eine hartnäckige Verletzung am Ellenbogen hatte ihn dazu gezwungen.
Als er im Januar zurückkehrte, schien er vom Geist beseelt, der ihn aus dem Schatten Federers und Nadals hat treten lassen, inspiriert, angestachelt. Er erreichte in Melbourne immerhin die Achtelfinals. Doch das Hoch – es war nur von kurzer Dauer. Es folgten neuerlich Probleme und eine Operation am Handgelenk in der Muttenzer Rennbahnklinik. Den Stab an Beratern blähte er weiter auf, holte mit Craig O'Shannessy gar einen Datenanalysten.
Lange geblieben ist aber nur einer: Guru Pepe Imaz. Welche Rolle er wirklich spielt, das lässt sich bis heute kaum abschätzen. Djokovic sagt: «Tennis hat nicht mehr oberste Priorität. Ich bin an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich versuche, der beste Ehemann, der beste Vater und der beste Tennisspieler zu sein», sagte er einmal in seinem Krisenjahr, beseelt vom Gedanken, die beste Version seiner selbst zu werden. Es ist ein unmöglicher Spagat.
Djokovic selber sagt, er habe während seiner Pause viel meditiert: «Ich kann nicht sagen, was ich dabei gewinne, aber ich kann sagen, was ich verliere: Angst und Stress.» Sein inneres Gleichgewicht mag Djokovic damit gefunden haben, doch scheint er dabei den Biss verloren zu haben, der ihn zum Besten gemacht hat. Kürzlich hat er gesagt, er wolle bis 40 spielen. Mit Blick auf sein inferiores Handeln fällt es schwer, diesen Worten Glauben zu schenken.