Mit ihren Erfolgen prägen Roger Federer, Rafael Nadal, Novak Djokovic und Andy Murray eine goldene Ära, von der eine ganze Generation profitiert: Über eine Milliarde Zuschauer verfolgten die Tennis-Tour der Männer im letzten Jahr im Fernsehen. Weit über hundert Spieler haben in diesem Jahr alleine an Preisgeldern mehr als eine Viertelmillion Dollar eingespielt. Es sind fast schon paradiesische Zustände.
Doch die vier Athleten sind allesamt schon über 30 Jahre alt, ihre Karrieren neigen sich unweigerlich dem Ende zu. Das wissen auch die Macher – allen voran die Profi-Vereinigung ATP und der Tennisweltverband ITF. Doch darüber, wie das Tennis der Zukunft aussehen soll, herrscht Uneinigkeit, auch unter Federer, Nadal und Djokovic. Wie gross die Dissonanzen zum Teil sind, hat die vor einer Woche bestätigte Radikalreform des Davis Cups offengelegt. Es ist nur die Spitze des Eisbergs. Wir erklären Ihnen die wichtigsten Baustellen
Federer, Nadal:
Obwohl er bei Schaukämpfen auch
schon Sätze auf vier Games, ohne Vorteil
bei 40:40 (der nächste Punkt entscheidet
das Game) und ohne Wiederholung des
Aufschlags bei einer Netzberührung
spielte, gilt Federer als Gralshüter der traditionellen
Zählweise. Vielmehr hat er
sich mehrfach dafür ausgesprochen, dass
in den Finals bei Masters-Turnieren wie
bis 2006 wieder auf drei Gewinnsätze gespielt
wird. «Das ist eine verpasste Chance.
Ich verstehe die Gründe, finde es aber
schade», sagte er jüngst. Nadal steht in dieser Frage auf Federers Seite.
Djokovic:
Djokovic hingegen
stellte zur Überraschung aller kürzlich
gar das Best-of-Five-Format bei
Grand-Slam-Turnieren infrage. Seine Begründung:
«Die neue Generation der
Tennis-Fans und die Millennials haben eine
kürzere Aufmerksamkeitsspanne. Alles
muss schneller, dynamischer und kürzer
sein. Das Tennis kann sich dem nicht
verschliessen.»
Federer:
Neu ist die Regel nicht, wonach die
Spieler zwischen den Aufschlägen nur 25
Sekunden zur Verfügung haben. Bei den
US Open aber läuft erstmals für alle sichtbar
eine Uhr mit. Federer, der nicht als
Freund technologischer Hilfen gilt, begrüsst
die Neuerung, er gilt als Schnellspieler
– und hat sich immer wieder daran
gerieben, wie viel Zeit seine Kontrahenten
jeweils verstreichen liessen.
Nadal, Djokovic:
Nadal
bezeichnet die Einführung der Shotclock
als «respektlos». Es gehe dabei nur
ums Geld. Sein Argument: «Wenn du ein
schnelles Spiel ohne Denken willst, dann
ist das eine gute Entscheidung. Wenn es
ein taktisches Spiel bleiben soll, dann ist
das schlecht für den Sport. Darum kann
ich das nicht unterstützen.» Djokovic
sagt: «Die Shotclock ist ein Bruch mit unserer
Tradition.» Bei Überschreiten der
Zeitlimiten drohen Punktabzüge und
Bussen von bis zu 20'000 Dollar.
Nadal, Djokovic:
Der immer wieder von Verletzungen
geplagte Rafael Nadal spricht sich
schon seit Jahren vehement für eine Reform
der Weltrangliste aus. Sein Vorschlag:
Es zählen nicht nur die Resultate
eines Jahres, sondern jene aus zwei
Jahren, wie das im Golf der Fall ist. «Ich
bin nicht der Einzige, der das will. Es
schützt alle, nicht nur jene, die oben
stehen. Wer sich heute verletzt, ist
schnell weg vom Fenster und kommt
früher zurück, als er sollte, weil er
Angst hat, den Anschluss zu verlieren.»
Federer:
Federer, der selber einmal ein halbes
Jahr fehlte, argumentiert, es sei für die
nachrückende Generation schon heute
schwierig geworden, sich schnell nach
vorne zu arbeiten. Er befürwortet deshalb
auch, dass bei den Australian
Open 2019 wieder zur Formel von 16
statt wie bisher 32 Gesetzten zurückgekehrt
wird. Djokovic und Nadal sehen
darin die Gefahr, dass Spieler frühzeitig
scheitern, für die das Publikum Eintritt
bezahlt – zum Beispiel für sie selbst.
Federer, Nadal, Djokovic:
Einigkeit herrscht immerhin darüber,
dass der Terminkalender überfrachtet
ist. Federer gönnt sich den Luxus,
selbst während der Saison mehrmonatige
Pausen einzulegen. Nadal und Djokovic
hingegen verzichten kaum einmal
auf ein Turnier.
Dem Davis Cup blieben alle drei regelmässig fern. Lieber spielten sie gut dotierte Schaukämpfe in Asien, Südamerika, in den USA, oder sie veranstalten gleich selber einen neuen Nationenwettbewerb wie Federer mit dem Laver Cup. Am Ende, und das ist bei allen politischen Ränkespielen wohl die traurige Quintessenz, entscheidet das Geld über Sein oder Nichtsein. Der Davis Cup ist das beste Beispiel dafür. Selbst das Paradies hat seinen Preis.