watson: Als Belinda Bencic sechs Jahre alt war, haben Sie in sie investiert. Jetzt hat sich das Risiko erstmals richtig ausbezahlt. Weshalb wussten Sie, dass Ihr Plan aufgeht?
Marcel Niederer: Gewusst habe ich es nicht. Ich könnte jetzt sagen, ich sei ein gewiefter Geschäftsmann, aber das wäre hier nicht richtig. Es war Intuition. Vater Ivan Bencic hat mich überzeugt, dass es sich lohnt, etwas zu riskieren.
Wie kam der Kontakt zustande?
Ivan und ich spielten früher gemeinsam Eishockey bei Uzwil. Wir waren beide Profis. Der Kontakt ging nie verloren. Ich kenne Belinda, seit sie auf der Welt ist. Wir fuhren auch schon gemeinsam in die Ferien. Als Belinda sechsjährig war, wollten wir eine fixe Struktur ins Training bringen.
Sie erarbeiteten einen Achtjahresplan, in welchem Sie sich verpflichteten für den Lohnausfalls des Vaters aufzukommen. Wie gross war Ihr finanzielles Risiko?
Natürlich gab es ein Risiko. Aber es war nicht so, dass ich meine Existenz aufs Spiel setzte.
Wie viel haben Sie investiert?
Es waren einige hunderttausend Franken. Aber das war über zwölf Jahre hinweg. Der ursprüngliche Vertrag lief aus, als Belinda 14 war. Ab da wollten wir spätestens versuchen mit Sponsorenbeiträgen genügend Geld einzuholen. Und dann ab 18 Jahren als Profi mit Preisgeldern. Der Plan geht momentan auf.
In der aktuellen Saison dürften Sie dank den rund 370’000 Dollar Preisgeld allein vom US Open einen Gewinn erzielen.
Auf eine Saison betrachtet schon. Aber wie gesagt, wir schauen gerne auf das ganze Bild. Wir arbeiten seit zwölf Jahren auf ein Ziel hin. Sie dürfen auch nicht vergessen, wer da im Team immer mit dabei ist.
Wer begleitet die Belinda Bencic denn ständig?
Ihr Vater ist immer vor Ort. Zudem reist ein Physio und ein Hitting-Partner an alle Turniere mit. Wir brauchen also für vier Personen jeweils Unterkünfte, Flüge und alles, was dazugehört.
Sie selber sind nie dabei?
Ich versuche an fünf bis sechs Turniere mitzureisen. Normalerweise sicher bei den Grand Slams. Jetzt in New York war es mir leider nicht möglich.
Wie viel Ihrer Arbeitszeit stecken Sie mittlerweile ins Tennis?
Das ist rund ein Drittel meiner Zeit. In den letzten Tagen war der Medienhype natürlich riesig. Aber mir ist es lieber so als umgekehrt.
Was ist die Aufgabe von Melanie Molitor?
Belinda trainiert immer mit ihr, wenn sie in der Schweiz ist.
Es gab vor zweieinhalb Jahren Meldungen, dass man sich im Streit getrennt habe.
Das stimmt nicht. Molitor sagte damals, dass Belinda jetzt auch in die Welt hinaus muss, um sich weiterzuentwickeln. Bis dahin waren wir praktisch immer nur in Wollerau. Aber sie kommt immer wieder zurück, um an der Technik zu feilen. Wir haben das alle zusammen so entschieden.
Und wie läuft die Zusammenarbeit mit Martina Hingis?
Hingis ist oft an den gleichen Turnieren und hat gegen viele Gegnerinnen von Belinda schon gespielt. Da kann sie gute Tipps geben.
Bencic wurde oft mit Hingis verglichen. Was ist ihre grösste Stärke?
Belinda ist eine Kämpferin und behält bei heiklen Punkten die Nerven. Das hat man in den zwei Partien gegen die Top-10-Spielerinnen gesehen. Mental ist Belinda sackstark. Martina war ein Jahrhunderttalent, Belinda eine unermüdliche Arbeiterin.
Was sind jetzt die nächsten Ziele?
Das Ziel ist immer gleich: das nächste Turnier. Es soll vorwärts gehen. Belinda hat sich in diesem Jahr kontinuierlich entwickelt. Hier beim US Open ist ihr wohl der grösste Sprung geglückt.
Wann wird Belinda Bencic die Weltnummer 1?
Das kann niemand sagen. Es ist meine Hoffnung. Wenn alles normal weiterläuft, können wir diese Hoffnung haben. Aber auch ein Platz in den Top 10 oder Top 5 wäre grossartig.