Eine unschlagbare Waffe sei es, ein emotionaler Tribut auch an diesen Meisterspieler, sagt Hersteller Babolat über das vermeintlich neue Racket von Rafael Nadal.
Der vorwiegend schwarze Rahmen ist in den spanischen Nationalfarben Rot und Gelb gehalten, das Orange steht für den Pariser Sand, auf dem der 31-Jährige zehn Titel gewann. Sinnigerweise heisst der Schläger im Handel «Pure Aero Decima». Mehr Power verspricht er, mehr Kontrolle auch, und vor allem soll es den Spin von Nadals Schlägen noch besser annehmen.
Es sind schöne Worte, noch schönere Versprechen, doch das Racket ist wohl nur eine Mogelpackung. Dass Spieler wie Nadal ihr wichtigstes Arbeitsutensil wechseln, kommt weit seltener vor, als uns die Hersteller glauben lassen. Zwar gehen Spieler lukrative Werbedeals ein, spielen aber meist mit den alten Modellen weiter. Die Rahmen werden einfach übermalt. Nur einmal hat Nadal sein Racket wirklich gewechselt: Ende 2016, nachdem er über Monate neue Modelle getestet hatte, fügte Babolat dem Schläger zwei Gramm mehr Gewicht hinzu.
Das hört sich nach wenig an, bedeutet aber einen massiven Einschnitt. Vor allem in der Welt des Rafael Nadal. In ihr haben Zufall und Improvisation keine Chance. Wie Gardesoldaten richtet er Getränkeflaschen auf einer Reihe aus. Keinen Fuss setzt er auf die Linien. Zupft nervös an Hosen und Leibchen. Wischt sich den Schweiss von der Stirn. Büschelt pedantisch seine Bananen. Rituale als Teil der Erfolgsformel. Veränderungen? Unerwünscht!
Seit 2004 spielt er mit dem fast gleichen Racket. Gewicht, Balancepunkt, Griff und Bespannung – alles ist perfekt austariert. «Nadal ist extrem feinfühlig. Er merkt sofort, wenn ein Schläger ein Gramm mehr oder weniger hat. In der Musik wäre das das absolute Gehör», erklärt Michael Schwarz von Babolat.
Geht es um ihren Schläger, werden die Tennis-Profis zu sensiblen Tüftlern. Pete Sampras verbot seinem Bespanner Nate Ferguson einst, ein W für Wilson auf die Saiten zu malen – weil sich der Ball für ihn wegen der Farbe anders angefühlt habe. Stan Wawrinka brauchte nach seinem Wechsel von Head zu Yonex zwei Monate, um sich an das neue Racket zu gewöhnen. Und Björn Borg trat bei seinem Comeback-Versuch 1993 mit einem antiquierten Holzschläger an und scheiterte grandios.
Dass es auch anders geht, beweist Roger Federer. 2013, nachdem er in Wimbledon als Titelverteidiger bereits in der zweiten Runde gescheitert war, wechselte er mitten in der Saison sein Racket. Vom grösseren Schlägerkopf versprach er sich damals mehr Power. Die Kehrseite: Das Racket wird dadurch weniger gut manövrierbar und gibt weniger Feedback. Der Spieler kann so also mehr Druck ausüben, allerdings auf Kosten der Präzision. Auch für Federer ging die Rechnung zunächst nicht auf.
Auch, weil er in jenem Sommer unter Rückenbeschwerden litt, brach er das Experiment ab und verschob den Wechsel auf nach Saisonende. Doch es zahlte sich aus: im Jahr darauf erreichte er sowohl in Wimbledon als auch bei den US Open die Finals und hatte bis zuletzt die Chance, wieder die Nummer eins der Welt zu werden. Für die Experten ist darum klar: Ohne den Schlägerwechsel, der den offensiveren Spielstil unterstützt, hätte Federer im Alter von 36 Jahren keine Grand-Slam-Turniere mehr gewonnen.
Doch die Beispiele von Federer und Nadal zeigen exemplarisch: Nur Spieler, die in einer fundamentalen sportlichen Krise stecken, oder mit Schmerzen kämpfen, sind beim Material zu radikalen Veränderungen bereit. Beides trifft auf Novak Djokovic zu. Seit seinem Sieg bei den French Open 2016 hat er keinen grossen Titel mehr gewonnen. Zudem machte ihm eine Verletzung am Ellbogen zu schaffen.
Dass er experimentiert, hat er längst bestätigt, über die Details schweigt er sich hingegen aus. Beobachter berichten aber, dass er im Besaitungsmuster von zuvor 20 Quer- und 18 Längssaiten auf ein 19:18-Muster gewechselt hat. Je weiter das Muster, desto mehr Spin wird auf den Ball übertragen. Die Folge: Mehr Kontrolle, geringerer Kraftaufwand. Djokovic: «Es fühlt sich so an, als ob ich mehr Kraft hätte, speziell beim Aufschlag.»
Wer Djokovics Weg beschreitet, ist entweder mutig oder verzweifelt. Rafael Nadal ist nichts von beidem. Er ist die Nummer eins der Welt, hat in Paris nur zwei Mal verloren. Die grösste Innovation, die sein Racket je erfahren hat, ist der Einbau eines Chips, der Daten sammelt, die später ausgewertet und Fans zugänglich gemacht werden. Jeder einzelne Schlag seines Weges zum zehnten Sieg in Roland Garros ist seither gespeichert – für die Ewigkeit. Aber auch das ist nur eine schlaue Spielerei einer findigen Marketingabteilung.