Im Sommer 1998 ging der Stern von Roger Federer auf. Als knapp 17-Jähriger triumphierte der heutige Rekord-Grand-Slam-Sieger beim Junioren-Turnier von Wimbledon. Dieser Erfolg ermöglichte ihm erste Turnierteilnahmen auf der Profi-Tour. Bei seinem ATP-Debüt in Gstaad kurz danach verlor Federer zwar gegen die argentinische Weltnummer 88 Lucas Arnold Ker in zwei Sätzen, der Grundstein für seine einzigartige Karriere war dennoch gelegt.
20 Jahr später schickt sich nun einer an, in die grossen Fussstapfen des «Maestros» zu treten. Die Parallelen sind verblüffend: Chun-hsin Tseng aus Taiwan hat wie Federer am 8. August Geburtstag, ist somit auf den Tag genau 20 Jahre jünger als der achtfache Wimbledon-Sieger. Am vergangenen Sonntag gewann Tseng die Junioren-Konkurrenz an der «Church Road», 20 Jahre nach Federer.
Name: @rogerfederer
— Mouratoglou Tennis Academy (@MouratoglouAcad) 17. Juli 2018
Date of birth: August 8, 1981
Boys' #Wimbledon champion: 1998 🏆
Name: Chun Hsin Tseng
Date of birth: August 8, 2001
Boys' Wimbledon champion: 2018 🏆 pic.twitter.com/3DpGnqPZbz
Ist Chun-hsin Tseng also «The next big thing to come» im Männer-Tennis? Das zu sagen wäre vielleicht noch etwas verfrüht, schliesslich ist der Rechtshänder, der die Rückhand im Gegensatz zu seinem berühmten Vorgänger zweihändig spielt, erst 16 Jahre alt. Das Potenzial dazu hätte der Taiwaner aber allemal.
Als erster Spieler seit Gaël Monfils vor 14 Jahren hat er es in die Finals von allen drei bisherigen Junioren-Grand-Slams geschafft. In Australien unterlag er Sebastian Korda (Sohn von Petr Korda, Australian-Open-Sieger von 1998) noch in zwei Sätzen, in Paris und in Wimbledon holte er sich dann gegen den Briten Jack Draper den Pokal. In der Junioren-Weltrangliste ist Tseng damit im Moment die klare Nummer 1.
Um noch besser zu werden, trainiert Tseng derzeit an der renommierten Mouratoglou Tennis Academy. Gründer Patrick Mouratoglu trainierte unter anderen Marcos Baghdatis, Grigor Dimitrov und Serena Williams. Noch nicht völlig austrainiert und nur 1,75 Meter gross wirkt der Taiwaner noch etwas schmächtig, um dereinst das Welttennis zu erobern. Ein paar Zentimeter Wachstum und ein paar Stunden im Kraftraum würden sicherlich nicht schaden.
Tseng, der in der Academy einfachhalber «Jason» statt Chun-hsin gerufen wird, wird oft mit Kei Nishikori, seinem grossen Vorbild, verglichen. Der Japaner gehört mit 1,78 Meter ebenfalls nicht zu den grössten Spielern auf der Tour, hat sich in der Weltspitze aber etabliert. 2014 stand er im US-Open-Final, ein Jahr später war er die Weltnummer 4. Noch wartet er aber auf den ganz grossen Coup.
Wer sich auf die Suche nach einem Grand-Slam-Sieger unter 1,80 Meter macht, muss weit zurückschauen. Der 1,75-Meter-grosse Gaston Gaudio triumphierte 2004 beim French Open. Auf einem schnellen Belag war es Lleyton Hewitt (1,78 Meter) bei seinem Wimbledon-Triumph 2002.
«Jason» Tseng befindet sich noch im Wachstum. Gut möglich, dass er noch ein paar Zentimeter zulegen wird. Für eine grosse Karriere ist die Körpergrösse ohnehin nur ein Faktor. Entscheidend wird auch sein, wie er sich in Sachen Spielintelligenz und Taktik weiterentwickelt, wie er mit den wachsenden Erwartungen und dem Druck umgehen wird.
"So, I heard you're the aspiring Prince of Wimbledon..."
— Mouratoglou Tennis Academy (@MouratoglouAcad) 14. Juli 2018
Chun Hsin Tseng had the chance to meet with HRH The Duchess of Sussex — better known as Meghan Markle — ahead of tomorrow's #Wimbledon junior final 👑 pic.twitter.com/33H6pWAzxH
Eine Prognose, wie weit es Tseng dereinst bringen wird, bleibt momentan nur Spekulation. Spätestens in 20 Jahren wissen wir mehr. Wenn der Taiwaner dann mit fast 37 Jahren 20 Grand-Slam-Titel auf dem Konto hat so wie Roger Federer, wäre es definitiv eine schöne Geschichte.