Tom Lüthi probt in Jerez seine neue Kalex.Bild: Jean-Claude Schertenleib
Harmonisch zum Titel, zerstritten ins Debakel
Ob Tom Lüthi (28) und Dominique Aegerter (24)
mit der Kalex wirklich besser als mit der Suter sind, wissen wir auch nach den ersten Tests noch nicht.
Aber der erste Auftritt des neuen Schweizer
Rennteams in Jerez hat uns interessante
Innenansichten vermittelt.
14.11.2014, 08:3514.11.2014, 11:31
Klaus zaugg, Jerez
Circuito de Jerez de la Frontera im November
2014. Die Motoren schweigen. Die weiteren Tests
fallen buchstäblich ins Wasser und werden vom
Winde verweht. Die am ersten Tag erzielten
Rundenzeiten (Tom Lüthi 4. in 1:43,470, Aegerter
14. in 1:44,653, Mulhauser 19. in 1:45,519)
werden am zweiten und dritten Tag nicht mehr
erreicht.
Der Wind treibt Regenwolken über Jerez.
Dominique Aegerter und Tom Lüthi sind am
Donnerstag keinen Meter gefahren und bleiben
wohl auch heute Freitag weitgehend in der Box
und reisen am Abend ab. Es sind gar Regenstürme
angekündigt. Klimawandel halt. Aber die vom Wetter erzwungene Pause verschafft
uns interessante Einblicke ins Innenleben des
neuen Teams.
Fachsimpelei in der Box
Szene am Donnerstag: Draussen
weht der Wind, hin und wieder regnet es. Die Piste
trocknet einfach nicht ab. Testfahrten machen jetzt
keinen Sinn mehr. Tom Lüthi und Dominique
Aegerter sind in der Box in ein Gespräch vertieft.
Miteinander reden statt gegeneinander rasen.
Die
Körpersprache verrät, dass sie sich offenbar
intensiv über Schräglagen, Bremspunkte und
technische Details ihrer neuen Höllenmaschinen
unterhalten. Weil wegen des garstigen Wetters
nicht mehr gefahren werden kann, kommen sich
die beiden neben der Rennpiste näher. Der
neutrale Beobachter denkt: Die zwei haben sich
zusammengerauft und werden sich 2015
gegenseitig zu Höchstleistungen aufputschen.
Dominique Aegerter und Tom Lüthi führen Jerez erste Gespräche als Teamkollegen.Bild: Jean-Claude Schertenleib
Ich hoffe, dass es so sein wird. Aber dieser erste
gemeinsame Auftritt war erst das Hochzeitsfest. Es
waren die drei ersten Tage im Leben der neuen
Töff-Ehe. Im Leben des neuen, teuersten und
konkurrenzfähigsten Teams unserer Töff-Geschichte. Aus dem richtigen Leben wissen wir:
Ehen werden im Himmel geschlossen aber auf
Erden gelebt (und gelegentlich mit Karacho
geschieden).
Wird es diese Harmonie von Jerez auch dann noch
geben, wenn im nächsten Frühjahr der Alltag
beginnt? Wenn bei jedem Training und jedem
Rennen einer teamintern ein Sieger oder ein
Verlierer sein wird? Nach Jerez im November 2014
ist klar: Dieses Team hat das Potenzial zum WM-
Titel. Aber eben nur, wenn es Teammanager Fred
Corminboeuf gelingt, einen Konflikt zwischen
seinen beiden sensiblen Alphatieren und vor allem
deren Entourage zu vermeiden. Harmonisch zum
WM-Titel, zerstritten ins Debakel.
23 Männer und zwei Frauen für zwei Fahrer
Das Schweizer «Töff-Dreamteam» mit
Dominique Aegerter, Tom Lüthi und Robin
Mulhauser hat seinen Sitz in der Industriezone
von Signes, einem Weiler gleich neben der
legendären Rundstrecke von Le Castellet in
Südfrankreich.
Hier hat das Team eine gut
ausgebaute Werkstadt mit mehreren Büros
und einer kleinen Cafeteria gemietet. Für Tests
wird gleich nebenan die Rennstrecke genutzt
und in der nahe gelegenen Ferienanlage
können jederzeit Zimmer zu Spezialpreisen
belegt werden. Zwischen den Rennen und
während der Winterpause sind hier
regelmässig mindestens vier Techniker an der
Arbeit.
Das «Dream Team» wird pro Saison rund 4
Millionen Franken kosten. 23 Männer und 2
Frauen arbeiten nächste Saison bei den
Europa-GP für die drei Schweizer Piloten. Neben Teammanager
Fred Corminboeuf sind es die drei
Cheftechniker Gilles Bigot (für Aegerter),
Alfred Willecke (für Lüthi) und neu Didier
Langouët (für Mulhauser).
Dazu kommen
insgesamt sechs Mechaniker, zwei Reifen-,
drei Computer- und zwei
Stossdämpferspezialisten, zwei
Kommunikationsexperten, eine administrative Teamkoordinatorin, die sich um die
Organisation der Reisen kümmert und ein
Fotograf. Ein Koch und zwei Kellner sowie ein
tschechisches Fotomodell (die kluge Julia) werden sich für das Wohl und
die Betreuung der Gäste auf dem Rennplatz sorgen.
Bei den Übersee-GP (in Katar, in den USA,
Argentinien, Japan, Australien und Malaysia)
wird nur das technische Personal dabei sein.
Die offizielle Teamsprache ist Englisch. Alle
Verträge sind in englischer Sprache abgefasst
und die Bezahlung erfolgt für alle in Euro.
Insgesamt sind im Team sechs Länder
vertreten: Die Schweiz, Italien, Deutschland,
Frankreich, Tschechien und Holland.
Es ist das konkurrenzfähigste und teuerste
Team unserer Töff-Geschichte. Teammanager
Fred Corminboeuf hat die Zielsetzung klar und
eindeutig formuliert. „Bei jedem Rennen
fahren Tom Lüthi und Dominique Aegerter um
einen Podestplatz. Wenn das gelingt, sind wir
auch im Kampf um den WM-Titel dabei.“
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