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Gretzkys Oilers führen 5:0 und verlieren im «Miracle on Manchester» noch

The Forum Los Angeles
Schauplatz eines Eishockey-Wunders: «The Forum» in Inglewood im Grossraum Los Angeles.Bild: Shutterstock
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Gretzkys Oilers führen 5:0 – und verlieren im «Miracle on Manchester» doch noch

10. April 1982: Den Los Angeles Kings gelingt das grösste Comeback der Playoff-Geschichte in der NHL. Sie schlagen den haushohen Favoriten Edmonton Oilers mit 6:5 nach Verlängerung, obwohl sie nach zwei Dritteln schon 0:5 zurück liegen.
10.04.2022, 00:0110.04.2022, 13:26
Ralf Meile
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Die Ausgangslage ist klar, als die Playoffs um den Stanley Cup 1982 beginnen. Auf der einen Seite sind da die Edmonton Oilers mit ihren vielen Jungstars wie Wayne Gretzky, Mark Messier oder Jari Kurri. Auf der anderen Seite haben wir die Los Angeles Kings, die in der Regular Season nur halb so viele Punkte geholt haben wie die Oilers.

So klar wie es vor der Playoff-Serie scheint, so spektakulär anders als gedacht verläuft sie. Das beginnt schon mit dem Auftaktspiel. Die Oilers führen zuhause früh mit 4:1, doch zu Beginn des Schlussdrittels heisst es an einem «Tag der offenen Tore» 8:8 unentschieden. Am Ende siegen die Kings mit 10:8. Die achtzehn Treffer sorgen dafür, dass dieses Duell bis heute die torreichste Playoff-Partie um den Stanley Cup ist.

18 Tore in 60 Minuten: Playoff-Rekord in der NHL.Video: YouTube/oilerfanatic1

Auch Spiel 2, ebenfalls in der kanadischen Provinz Alberta ausgetragen, ist nichts für schwache Nerven. Der 21-jährige Gretzky erzielt in der Verlängerung den 3:2-Siegtreffer für Edmonton, das die Best-of-Five-Serie damit ausgleicht.

Nach zwei Dritteln scheint alles klar

Nach zwei Partien in Kanada geht es nun nach Los Angeles. Die Fans der Kings sind zuversichtlich. Doch ihr Optimismus wird schon früh im Keim erstickt. Messier und Gretzky bringen die Oilers im Startdrittel mit 2:0 in Führung, zwanzig Minuten später ist das Spiel entschieden. Edmonton liegt nun mit 5:0 vorne, Gretzky ist mit einem weiteren Treffer und zwei Assists die grosse Figur.

Wayne Gretzky of the Edmonton Oilers in action, 1982. (AP Photo)
Noch nicht «The Great One», aber ein riesiges Versprechen: Wayne Gretzky im Jahr 1982.Bild: AP

Doch was dann geschieht, wird als «Miracle on Manchester» – am Manchester Boulevard befindet sich das Kings-Stadion – ins Geschichtsbuch der NHL eingehen.

Der Rückblick auf das legendäre Spiel.Video: YouTube/SPORTSNET

Erst lassen Jay Wells und Doug Smith mit zwei Toren bis zur 46. Minute wieder zarte Hoffnungen aufkeimen. Etwas später verkürzen Charlie Simmer und Mark Hardy mit einem Doppelschlag (55./56.) auf 4:5 – plötzlich ist wieder alles möglich. Auch ein sechster Oilers-Treffer, allerbeste Chancen bieten sich reichlich. Aber Kings-Keeper Mario Lessard lässt sich nicht mehr bezwingen.

«Jeder hat gedacht: Jetzt haben wir eine Chance …»

So leben die Los Angeles Kings weiter. Noch einmal erhalten sie die Möglichkeit, mit einem Mann mehr zu spielen. Und tatsächlich trifft Steve Bozek in diesem Powerplay fünf Sekunden vor der Schlusssirene zum nicht mehr für möglich gehaltenen 5:5-Ausgleich.

Das «Miracle on Manchester» in voller Länge.Video: YouTube/Virgil Moody

Sie hätten sich vor dem letzten Drittel vorgenommen, einfach dieses zu gewinnen und so etwas positiven Schwung ins vierte Spiel mitzunehmen, erinnert sich Kings-Stürmer Daryl Evans viele Jahre später. «Aber als dann das dritte Tor fiel, hat jeder auf die Uhr geschaut und gedacht: Jetzt haben wir eine Chance, wenn wir noch eins machen. So ging es immer weiter, und man konnte sehen, wie das Lächeln in den Gesichtern der Oilers-Spieler immer ein bisschen kleiner wurde.»

Evans, ein Rookie, macht die verrückte Wende in der Verlängerung komplett. Zweieinhalb Minuten sind in dieser gespielt, als er abdrückt. «Augen zu und hoffen, dass er im Netz landet», verrät der Matchwinner seine simple, aber letztlich erfolgreiche Taktik.

«Mein Jubel war so nicht geplant, ich war immer der spontane Typ. Zum Glück hatte es Banden, sonst würde ich vielleicht heute noch skaten …»
Daryl Evansla kings insider
Vom 0:7 zum 7:7
Am 25. November 1990 führt der deutsche Bundesligist EV Landshut nach zwei Dritteln gegen Preussen Berlin 7:0 – und gewinnt doch nicht. Denn die Berliner treffen nun wie am Fliessband, die Partie endet 7:7.

In der Schweiz ist ein 6:6 legendär. Rapperswil-Jona führt 1994 gegen Zug im ersten Spiel mit Lockout-Star Doug Gilmour bis 31 Sekunden vor Schluss 6:3. Doch der EVZ trifft noch drei Mal und erzwingt eine Verlängerung, in der kein Tor mehr fällt.

Fürs Geschichtsbuch ist auch der WM-Viertelfinal 2003 zwischen den Rivalen Finnland und Schweden. In Helsinki führen die Finnen nach 27 Minuten und drei Toren von Teemu Selänne 5:1. Während sich die Fans schon im Halbfinal wähnen, treffen nur noch die Schweden – zum 6:5-Sieg.

Die Oilers müssen sich noch ein wenig gedulden

Diese Schlacht hat der Aussenseiter also gewonnen, doch die Oilers haben den Krieg noch nicht verloren. Spiel 4 holen sie sich mit einem 3:2-Sieg, wieder ist die Serie ausgeglichen. Und nun geht es für die Entscheidung zurück nach Edmonton.

July 28, 2010 - Canoga Park, CA, USA - Former Kings player and current Kings radio commentator Daryl Evans speaks to children at West Valley Boys & Girls Club in Canoga Park, Wednesday, July 28, 2 ...
Populäre Kings-Figur: Evans spielte zehn Saisons in der NHL und ist seit vielen Jahren Radio-Reporter bei den Spielen der Los Angeles Kings.Bild: imago stock&people

Während die bisherigen vier Spiele sehr ausgeglichen sind, ist dieses deutlich – und zwar zugunsten des Underdogs. Die Kings gehen durch eine Doublette von Charlie Simmer früh mit 2:0 in Führung, nach zwei Dritteln liegen sie mit 6:2 vorne. Und den Oilers gelingt keine so spektakuläre Wende wie dem Gegner, bloss noch etwas Resultatkosmetik. Nach der 4:7-Niederlage ist Edmontons Saison unerwartet früh zu Ende.

Für die Los Angeles Kings endet sie eine Runde darauf, sie scheitern an den Vancouver Canucks. Den Stanley Cup holen sich – wie in den beiden Jahren zuvor – die New York Islanders. 1983 gewinnen sie den Titel zum vierten Mal in Folge, ehe dann mit etwas Verspätung doch noch die grosse Ära der Edmonton Oilers beginnt. Zwischen 1984 und 1990 gewinnen sie fünf Mal den Stanley Cup.

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