Wer wird Sportlerin des Jahres? Wer wird Sportler des Jahres? Diese Frage beschäftigt zum Jahresende jeweils Jurys auf der ganzen Welt. Es gibt offizielle Votings, Publikumswahlen und manchmal auch einfach Journalisten, die diese Entscheidung treffen.
So auch beim australischen «Daily Telegraph» aus Sydney. Dort listen Phil Rothfield und Darren Hadland jährlich ihre 50 Sporthighlights auf. Sportler des Jahres wird für sie der Cricket-Star Michael Clarke. «Wer sonst soll es sein?», fragen sie in der Erklärung.
Die Frage wäre im Olympiajahr 2012 auch bei den Frauen passend. Sally Pearson sprintet beispielsweise in London über 100 m Hürden zu Gold. Anna Meares rast im Bahnsprint zuoberst aufs Podest und die Schwimm-Girls Cate Campbell, Alicia Coutts, Brittany Elmslie und Melanie Schlange sichern ihrer Heimat im 4×100-m-Freistil den Olympiasieg.
An einer angemessenen Auswahl hapert es also nicht. Doch der «Daily Telegraph» kürt Black Caviar zur Siegerin.
Ein Pferd.
Ein Rennpferd, um genau zu sein.
Im Jahr 2012 wird also tatsächlich ein Pferd Sportlerin des Jahres. Man könnte knapp drüber lachen, wenn dies irgendwann zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewesen wäre. Aber wir schreiben das Jahr 2012.
Kein Wunder, landen die beiden Autoren mitten in einem Shitstorm. Auf Twitter ist das Thema «trending» und diverse Exponenten melden sich. Rothfields Versöhnungsversuch mit der Aussage «es sei nicht so ernst gemeint gewesen», geht im Getöse unter.
Und natürlich glätten sich die Wogen auch nicht, als Pearson in der Liste der beiden Journalisten immerhin in der Kategorie «Goldener Moment» siegt.
Es sei allerdings auch erwähnt: Black Caviar lieferte ein grossartiges Jahr ab. Das sechsjährige Vollblut bleibt das ganze Jahr über – wie schon in seiner gesamten Karriere – unbesiegt. Sie knackt dabei diverse Rekorde. Der wichtigste: Mit 22 unbesiegten Rennen stellt sie eine Bestmarke auf, die es zuvor 100 Jahre nicht mehr gegeben hat.
Zweimal wäre die Serie beinahe gerissen. Im 18. Rennen schreiben die Medien schon vor dem Start, dass die schwierigen Bedingungen Black Caviar nicht behagen. 20'000 Zuschauer kommen nach Caulfield und sehen einen überlegenen Sieg von Jockey Luke Nolen und seinem Wunderpferd.
Im April sichert sich Black Caviar in Morphettville mit dem 20. Sieg den alleinigen Australasien-Rekord. Trainer Peter Woody lobt danach: «Luke (der Jockey, die Red.) war sehr nett zu ihr, er gab ihr lediglich einen Klaps auf den Hintern und sie machte den Rest.»
Der wirkliche Test folgt aber erst im Sommer: beim ersten Übersee-Rennen im englischen Ascot. 80'000 Fans sind gekommen. In ganz Australien wird der Event live übertragen, in Melbourne kommt es zu einem grossen Public Viewing. Black Caviar siegt in einem dramatischen Rennen nur Zentimeter vor Moonlight Cloud. Es ist der 22. Sieg im 22. Wettkampf.
Auf den letzten Metern hätte sie ihren Vorsprung fast noch verspielt. Wie sich später herausstellt, hat sich die schnellste Dame Australiens während des Rennens einen Muskelriss zugezogen und muss danach eine längere Pause einlegen. Die Saison ist beendet.
Im November wird Black Caviar bei den Cartier Racing Awards mit der European-Champion-Sprinter-Auszeichnung beglückt. Eine Ehre, die vor ihr noch keinem ausserhalb Europas geborenen Pferd zuteil kam.
Das letzte Highlight des Jahres ist die Auszeichnung des «Daily Telegraph». 2013 siegt Black Caviar bei allen drei Rennen, in denen sie an den Start geht. Am 17. April folgt der Rücktritt. Woody sagt: «25 Siege ist eine schöne Zahl.»
Kurz darauf wird in Nagambie eine lebensgrosse Bronze-Statue enthüllt. Seither hat das Rennpferd mehrere erfolgreiche Schwangerschaften hinter sich. Die guten Gene sollen schliesslich weitergegeben werden.
Sportlerin des Jahres - mehr als verdient!
Weiss gar nicht, was sich die Aussies da so aufregen...