Schnee hat er erstmals vor zwei Jahren gesehen. Aber das hat Pita Taufatofua nicht von seinem Traum abgehalten: Nach Sommerspielen auch an Olympischen Winterspielen teilzunehmen. Am Wochenende hat der 34-jährige Sportler aus Tonga die Qualifikation geschafft – bei der letzten Chance dafür.
«Ich bin überglücklich. Bei den vorherigen Rennen hatte ich stets ein schlechtes Gefühl», strahlte Taufatofua. «Aber heute lief's mir richtig gut. Das ist ein Wunder! Ich muss Gott dafür danken.»
2016 lernt die Welt Pita Taufatofua kennen, als er bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro an der Eröffnungsfeier mit nacktem Oberkörper stolz die Flagge Tongas präsentiert. Das Taekwando-Turnier ist nach einer 1:16-Niederlage dann schon nach einer Runde vorbei.
Aber Taufatofua war dennoch auf den olympischen Geschmack gekommen. Und so suchte er sich eine neue Herausforderung, um auch an den Winterspielen teilnehmen zu können. Erst ein Athlet aus Tonga schaffte das, vor vier Jahren der Rodler Fuahea Semi. Weil der sich von Bruno Banani sponsern liess und seinen Namen nach den Unterhosen umtaufte, blieb er in Erinnerung.
Taekwando-Kämpfer Taufatofua suchte sich, wie er es sagt, den härtest möglichen Sport für seine Herausforderung. Er fand sie im Langlauf. «Schaut nur mal, wie die Bedingungen sind. Es ist wie im Tiefkühler, gefühlt eine Million Grad Minus», sagte er nach der Qualifikation auf Island halb im Scherz, halb Ernst. Rang 6 erreicht er in Isafjordur, das reicht für die benötigten Punkte.
Ein Tongaer auf Island – die Formulierung könnte der Beginn eines Witzes sein. Tatsächlich hat Taufatofua, der im australischen Brisbane lebt, zumeist im Trockenen auf Rollski trainiert: «Diese Dinge sind das schlechteste, was jemals erfunden wurde.»
Auf Schnee trat er im letzten Winter gegen die Weltelite an, an der WM im finnischen Lahti wurde er im Sprint 153. Zwar benötigte Taufatofua fast doppelt so lange wie Qualifikations-Sieger Sergej Ustjugov, aber immerhin konnte er drei Konkurrenten hinter sich lassen. Das gab dem Langläufer von der Pazifik-Insel Mut.
«Finanziell ging es mir noch nie so schlecht wie jetzt», meint der Langläufer und strahlt dabei trotzdem, «denn dafür bin ich so glücklich wie nie. Ich habe alles dem Ziel untergeordnet, dass ich mich für Olympia qualifizieren kann.»
Nicht nur das Bankkonto schrumpfte, er speckte auch 15 Kilogramm ab. Der 1,92 m grosse Tongaer wiegt jetzt 85 Kilogramm, Dario Cologna (1,78 m) bringt 75 Kilogramm auf die Waage.
Taufatofua betont, dass er all seine Ziele nur dank seines Willens erreicht habe. «Ich wurde völlig talentfrei geboren. Aber ich gebe nicht auf, das lässt mein Kopf nicht zu. Bei jedem Langlauf-Rennen wollte ich am liebsten schon nach der ersten Runde aufhören, aber das mache ich einfach nicht.»
Und so versteht er sich mit seiner Qualifikation für Pyeongchang auch als Botschafter. «Mein ganz grosser Traum hat sich schon vor zwei Jahren erfüllt, ich bin ein Olympionike. Aber das hier ist nochmals ganz speziell. Ich will Menschen ermutigen, Ziele anzugreifen, die sie sich nicht zutrauen. Wenn ich so etwas schaffen kann, dann kann das jeder.»
Mit der Teilnahme hat er das vorrangige sportliche Ziel erreicht. In Südkorea wird es für Pita Taufatofua darum gehen, vielleicht nicht Letzter zu werden. Aber Resultate sind für ihn ohnehin nebensächlich. «Wenn ihr euch die Olympischen Spiele anschaut, dann denkt daran: Es geht um den Spirit, um das Zusammenkommen von Menschen aus aller Welt. Klar, Medaillen sind schön und gut. Aber das Wichtigste ist der olympische Geist.»
Bleibt noch die Frage nach der Eröffnungsfeier am 9. Februar. Als einziger Sportler Tongas wird Pita Taufatofua in Pyeongchang erneut der Fahnenträger seiner Delegation sein. Ob er wieder mit nacktem Oberkörper einmarschiert?