Kroos rettet Deutschland, der Regisseur trifft in der Nachspielzeit zum Sieg.Bild: AP/AP
Deutschlands Hoffnungen auf eine erfolgreiche Titelverteidigung drohten sich am Schwarzen Meer endgültig zu zerschlagen. Doch in der 95. Minute brachte Toni Kroos den Weltmeister mit dem 2:1-Siegtreffer gegen Schweden wieder auf Kurs.
23.06.2018, 23:2323.06.2018, 23:57
Eine Steigerung in der zweiten Halbzeit und der erste Treffer im 34. Abschluss an dieser WM verhinderten Deutschlands kolossales und erstmaliges Scheitern in der Gruppenphase vorerst. Der wunderbar ins lange Eck platzierte Freistoss von Toni Kroos in der Nachspielzeit brachte die zu diesem Zeitpunkt durch einen Platzverweis gegen Jérôme Boateng dezimierten Deutschen zudem um eine äusserst ungünstige Situation im letzten Gruppenspiel. Hätte die DFB-Elf gegen Schweden nicht gewonnen, wäre sie am nächsten Mittwoch auf Schützenhilfe von Mexiko angewiesen gewesen. Nun sollte ein Sieg gegen Südkorea reichen.
Marco Reus, der auf Kosten von Mesut Özil in die Startelf rutschte, wendete das Worst-Case-Szenario mit seinem Ausgleichstreffer zu Beginn der zweiten Halbzeit ab. Der Dortmunder, im Mexiko-Match als Joker einer der Lichtblicke, bugsierte eine Hereingabe von Timo Werner mit dem Knie ins Tor. Als der eingewechselte Julian Brandt in den Schlussminuten wie schon gegen Mexiko nur den Pfosten traf, schien der nächste Dämpfer gleichwohl Tatsache. Es ergab sich aber noch einmal eine Standardsituation, mit der Kroos seinen grössten Fehler in diesem Spiel maximal ausbügelte.
Das Siegestor von Kroos – wunderbar gemacht.Video: streamable
Kroos war nach einer halben Stunde am Ursprung des Gegentreffers gestanden. Der Champions-League-Sieger mit Real Madrid verlor im Spielaufbau den Ball, der das 0:1 einleitete. Viktor Claesson lancierte Ola Toivonen - jenen Toivonen, der aus einer torlosen Ligue-1-Saison beim FC Toulouse zur WM kam -, und der tat, was ihm nicht mehr viele zutrauten: Er überwand Manuel Neuer während seines Laufduells mit Hummels-Stellvertreter Antonio Rüdiger mit einem gefühlvollen Lob. Der Treffer kam mitten in einer fast noch folgenschwereren Schockstarre der zunächst gut gestarteten Deutschen.
«Wir taten uns etwas schwer im Abschluss, bewiesen aber eine gute Moral, verloren nie den Glauben und die Ruhe.»
Jogi Löw
In der Folge fehlte nicht viel, und Deutschlands Hoffnungen auf eine erfolgreiche Titelverteidigung hätten sich in Joachim Löws 100. Spiel als Trainer der DFB-Elf komplett zerschlagen. Nichts, aber auch gar nichts lief zunächst für den Weltmeister. Obwohl die teils haarsträubenden Fehler aus dem Mexiko-Match in den letzten fünf Tagen intensiv aufgearbeitet und ausdiskutiert wurden und Löw mit zwei Personalrochaden korrigierend Eingriff, schien die Mannschaft nicht allzu viel gelernt zu haben. Erneut lief man mehrmals ins offene Messer, wurden die beiden Innenverteidiger sträflich alleingelassen.
Die Deutschen jubeln über Kroos’ Tor, die Schweden sind am Boden zerstört.Bild: EPA/EPA
Über einen Penaltypfiff hätten sich die Deutschen in der 13. Minute nicht beschweren dürfen. Boateng, der seiner Form von 2014 seit geraumer Zeit hinterher hinkt, stiess den alleine auf Manuel Neuer zulaufenden Marcus Berg im Moment des Abschlusses leicht, aber entscheidend in den Rücken und berührte ihn zudem am Fuss. Zwei weitere Male tauchten die Schweden gefährlich vor Neuer auf. Nach einer halben Stunde musste sich zudem Sebastian Rudy, der anstelle von Sami Khedira spielte, mit einer blutenden Nase auswechseln lassen.
Besserung stellte sich erst ein, als sich die Mannschaft in der Pause sammeln konnte und Löw erneut Massnahmen ergriff (mit der Einwechslung von Mario Gomez für Julian Draxler). Nun blieben gefährliche schwedische Konter aus, doch gänzlich konnte der taumelnde Weltmeister die Verunsicherung nicht abstreifen. «Wir taten uns etwas schwer im Abschluss, bewiesen aber eine gute Moral, verloren nie den Glauben und die Ruhe», befand Löw erleichtert.
Die besten Szenen der Partie
Es hätte die frühe Führung für Deutschland sein können: Draxler mit der Riesenchance nach zwei Minuten.Video: streamable
Strittige Szene im Strafraum der Deutschen: Berg reklamiert in dieser Situation einen Penalty, die Pfeife von Schiedsrichter Marciniak bleibt stumm und auch der VAR schaltet sich nicht ein.Video: streamable
Die Führung für Schweden, Toivonen trifft technisch perfekt zum 1:0.Video: streamable
Schweden hatte einige gute Chancen, diese entschärft Neuer kurz vor der Pause mit einem starken Reflex.Video: streamable
Der rasche Ausgleich Deutschlands nach der Pause: Reus würgt den Ball über die Linie.Video: streamable
Für dieses Foul sieht Boateng völlig verdient die Gelb-Rote Karte.Video: streamable
Schwedens Goalie Olsen pariert diesen Gomez-Kopfball kurz vor Schluss der regulären Spielzeit mirakulös.Video: streamable
Der eingewechselte Brandt trifft in der 91. Minute den Pfosten, Werner steht beim Nachschuss im Abseits.Video: streamable
Die Tabelle
Das Telegramm
Deutschland - Schweden 2:1 (0:1) Sotschi. - 44'287 Zuschauer. - SR Marciniak (POL).
Tore: 32. Toivonen 0:1. 48. Reus 1:1. 95. Kroos (Freistoss) 2:1.
Deutschland: Neuer; Kimmich, Rüdiger, Boateng, Hector (87. Brandt); Rudy (31. Gündogan), Kroos; Müller, Draxler (46. Gomez), Reus; Werner.
Schweden: Olsen; Lustig, Lindelöf, Granqvist, Augustinsson; Claesson (74. Durmaz), Larsson, Ekdal, Forsberg; Berg (90. Thelin), Toivonen (78. Guidetti).
Bemerkungen: Deutschland ohne Hummels (angeschlagen). 82. Gelb-Rote Karte gegen Boateng (Foul). 92. Pfostenschuss Brandt. Verwarnungen: 8. Ekdal (Foul). 71. Boateng (Foul). 97. Larsson (Foul). (sda)
Die besten Bilder der Fussball-WM 2018 in Russland
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Überglücklich im strömenden Regen: Der frischgebackene Weltmeister feiert mit dem Pokal.
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