Es erinnert an den Final der EM 2016, wie der kroatische Nationalcaptain Luka Modric in den Schlussminuten an der Seitenlinie steht und Anweisungen gibt. Wie damals Cristiano Ronaldo gegen Frankreich, als der Portugiese nach wenigen Minuten ausgewechselt werden musste, hält es Modric in Moskau keine Sekunde auf der Bank aus. Nachdem Kroatiens Nummer 10 wenige Minuten vor Schluss des historischen WM-Halbfinals gegen England das Feld verlassen hatte, weibelte er an der Seitenlinie unentwegt weiter.
Der Einsatz lohnte sich. Kroatien steht nach 120 Minuten unermüdlichen Einsatzes im ersten WM-Final in der Geschichte des 4-Millionen-Einwohner-Landes. Historic!
Nachdem Luka Modric an dieser WM bereits dreimal zum «Man of the Match» (gegen Nigeria, Argentinien und Russland) gewählt wurde und einer der Hauptverantwortlichen für den Halbfinaleinzug Kroatiens war, dauerte es im zweitletzten WM-Einsatz ein wenig, bis der Dreh- und Angelpunkt der kroatischen Nationalmannschaft ins Spiel fand.
Doch auch wenn mal ein Pass nicht dort landete, wo der langjährige Akteur von Real Madrid ihn haben wollte, verlor Trainer Zlatko Dalic keinen Gedanken daran, seinen Captain auszuwechseln.
Modric gab dem Trainer recht. Spätestens in der zweiten Hälfte fand der vielleicht abgebrühteste Mittelfeld-Spieler der Welt ins Spiel. Und sofort war es Kroatien, das der Partie den Stempel aufdrückte und hochverdient zum 1:1 ausglich. Die «Vatreni» verpassten es, den Sack bereits nach 90 Minuten zuzumachen und mussten bis in die 109. Minute und das Game-Winning-Goal von Mario Mandzukic warten, bis sie endlich feiern durften.
Nun steht Luka Modric mit Kroatien im WM-Final. «Ein Traum, der wahr wird», wie Kroatiens Nummer 10 nach der Partie zu Protokoll gibt. Und dies, nachdem Modric dieses Jahr zum dritten Mal in Folge mit Real Madrid die Champions League gewinnen konnte.
Ganharam Champions e Copa do Mundo no mesmo ano:
— Futmais (@futtmais) 12. Juli 2018
2018 🇫🇷Varane ou 🇭🇷 Modric e Kovacic
2014 🇩🇪Khedira
2002 🇧🇷Roberto Carlos
1998 🇫🇷Karembeu
1974 🇩🇪Beckenbauer
1974 🇩🇪Breitner
1974 🇩🇪Hoeness
1974 🇩🇪Kappellmann
1974 🇩🇪Maier
1974 🇩🇪Müller
1974 🇩🇪Schwarzenbeck pic.twitter.com/98nWkPLBg1
Sollte Luka Modric jetzt auch noch den Weltmeister-Titel in sein Palmarès aufnehmen, ist er der erfolgreichste Fussballer 2018. Die logische Konsequenz wäre die Auszeichnung zum Weltfussballer 2018.
Modric, der als Flüchtlingskind in einem Hotel lebend die Liebe zum Fussball entdeckte, hat mit 32 Jahren noch einmal sein ganzes Können ausgepackt und damit ein ganzes Land mit seinem Einsatz in Furore versetzt. So sehr, dass sogar der kroatische Mitspieler, der die Saison hindurch für Erzrivale Barcelona aufläuft, nach der Partie sagt: «Es ist an der Zeit, dass Luka Modric endlich den Ballon d'Or gewinnt.»
Modric selbst mag – in der Manier eines Captains – nicht über den Ballon d'Or reden. Diese Auszeichnung interessiere ihn im Moment nicht. Zur Zeit will und soll der 32-Jährige über den Erfolg der Nationalmannschaft sprechen. Auch wenn es viele Gründe für eine mögliche Nomination zum Weltfussballer gibt.
Aber hat Modric die Chance, der neue Weltfussballer zu werden? Wohl nur, wenn er mit Kroatien Weltmeister wird, und selbst dann ist seine Wahl nicht selbstverständlich. Denn Modric glänzt gewöhnlich nicht mit Toren. Nicht mit Dribblings von einem anderen Stern. Nicht mit der grossen Show.
Modric spielt einfach Fussball, wie dies ein siebenjähriger bei seinen Anfängen in den F-Junioren tut. Simpel, unbekümmert und stets voller Leidenschaft. Dazu kommen die Ruhe und Intelligenz, die kein zweiter so auf den Platz bringt wie der 1,72 Meter kleine Mann, der früher wegen seiner Grösse noch gemobbt wurde. Seine Pässe gehen zum nächstgelegenen Mitspieler, er schafft Räume, die es auf einem Fussball-Feld gar nicht gibt und er erobert Bälle, wie es sonst höchstens noch Frankreichs N'Golo Kanté tut. Alles ohne Hektik, alles ganz abgeklärt. Als würde er gar nicht realisieren, dass 80'000 im Stadion zusehen.
📻Rakitic, en @ElLarguero: "Ya es tiempo para que tenga Modric el Balón de Oro, a ver si se enteran estos"
— El Larguero (@ellarguero) 11. Juli 2018
➡https://t.co/PeNT9WXzNA pic.twitter.com/aK1kaKnVGt
Andres Iniesta war der letzte zentrale Mittelfeldspieler, der für einen Ballon d'Or nominiert war. Es war dies 2012, als er mit Spanien Europameister wurde und mit Barcelona im Halbfinal der Champions League scheiterte. Sein Spielstil kann mit jenem Modrics verglichen werden. Und trotzdem standen ihm zwei Spieler vor der Sonne: Lionel Messi und Cristiano Ronaldo. Dasselbe Schicksal droht nun auch Luka Modric.