25 Minuten ist Mario Götze auf dem Feld, als er sich seinen Eintrag in die Geschichtsbücher sichert. In der 113. Minute schiesst der 22-jährige Mittelfeldspieler Deutschland mit dem 1:0-Siegtreffer gegen Argentinien zum vierten WM-Titel. Nach Vorarbeit von André Schürrle bugsierte der Münchner den Ball halb im Fallen an Gaucho-Keeper Sergio Romero vorbei ins Tor. Natürlich wird er nach der Partie zum «Man of the Match» gewählt.
Künftig wird Götze mit den früheren deutschen WM-Helden Helmut Rahn (1954), Gerd Müller (1974) und Andreas Brehme (1990) in einem Atemzug genannt. Auch sie sicherten den Deutschen mit ihren Final-Treffern den WM-Titel. Dass in Brasilien ausgerechnet Götze das goldene Tor erzielen würde, hatte sich in den vergangenen Wochen nicht abgezeichnet.
WM-Helden. pic.twitter.com/rHt4C9LAxA
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Bei der WM glänzt der nur 1,71 Meter grosse Jungstar eigentlich überhaupt nicht. In den 90 Minuten gegen Portugal zum Auftakt bleibt Götze trotz dem 4:0-Sieg blass. Beim 2:2 gegen Ghana im zweiten Vorrunden-Spiel erzielt er zwar das 1:0, es ist aber eher ein Zufallstreffer mit dem Knie.
Danach verliert Götze seinen Stammplatz. Im Achtelfinal gegen Algerien darf er zwar noch einmal von Beginn an, nach der schwachen Vorstellung zieht ihm Bundestrainer Joachim Löw aber Miroslav Klose vor. Von den 570 Minuten bis zum Endspiel darf er nur 225 bestreiten, und auch im Final kommt er erst in der 88. Minute für Klose ins Spiel.
Hätte sich Christoph Kramer nicht verletzt, dann wäre der Teenieschwarm wohl nicht mehr zum Einsatz gekommen, denn im Angriff ist eigentlich Flügelstürmer Schürrle erste Option, der von der Bank aus eine starke WM spielt.
WIR SIND WELTMEISTER! SUPER MARIO GÖTZE HAT DEN VIERTEN STERN GEHOLT! #GERARG pic.twitter.com/KkDFeL1f4U
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Die Kritiken für Götze sind vor dem Final niederschmetternd, dabei wäre Götze doch vorgesehen gewesen, dem Turnier zusammen mit Neymar den Stempel aufzudrücken. Weit gefehlt: Günter Netzer bezeichnet ihn vor dem Final als «einzige Enttäuschung» im deutschen Team. Wäre Mesut Özil nicht gewesen, die Kritik wäre wohl noch heftiger ausgefallen.
«Es war bis hierhin nicht das Turnier von Mario Götze», sagt DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Götze, dieses aussergewöhnliche Talent, dessen Ballgefühl die Zuschauer bei jedem Training in Staunen versetzt, wirkt in Brasilien bis zum Final oft wie ein Fremdkörper.
Während man seine Mitspieler lachen und flachsen sieht, bewegt sich Götze häufig ein Stück weit abseits. Vieles wirkt ein wenig schnöselig bei ihm. Von Götzes Vertrauten ist zu hören, dass dies Selbstschutz sei. Götze neige nach aussen zu einer aufgesetzten Arroganz, wenn es ihm nicht gut gehe.
Dem 22-Jährigen scheint in Brasilien nach den ersten schwachen Auftritten dann auch alles über den Kopf zu wachsen. Dabei scheint Götze schon 2011 auf dem Weg zum Weltstar. Nach einem 3:2-Sieg im Testspiel gegen Brasilien überschlagen sich die Experten vor Begeisterung. Doch es sollte anders kommen.
2013 verpasste Götze wegen einer Verletzung den Champions-League-Final mit Borussia Dortmund gegen Bayern München. Kurz zuvor wird bekannt, dass er auf die kommende Saison zum Erzrivalen wechseln wird, was ihm Anfeindungen im ganzen Land einbringt. Weil er sich gerne selbst in Szene setzt und seinen Status als Superstar immer leicht zelebriert, kommt er nicht überall gut an.
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Im München erlebt er unter Pep Guardiola prompt eine schwierige erste Saison. Der erklärte Wunschspieler des Spaniers sitzt oft nur auf der Bank, ist zweite Wahl. Bundestrainer Löw hält trotzdem zu seinem grössten Talent und wird an der WM spät belohnt. «Zeig der ganzen Welt, dass du besser als Messi bist», flüstert er Götze vor der Einwechslung gegen Argentinien ins Ohr. Der Rest ist bekannt.
Götze kann sein Glück nach der Partie kaum fassen. «Ich begreife gar nicht, was passiert ist. Das letzte Jahr war nicht leicht für mich, diese WM nicht einfach. Ich bin einfach nur überglücklich.» Nun ist der Knoten genau zum richtigen Zeitpunkt geplatzt und Deutschland feiert seinen neuen Helden, der auch in Zukunft noch für die eine oder andere Sternstunde sorgen soll.
Für Götze, der seit seinen Kindertagen immer wieder zu hören bekommt, dass er ein Supertalent sei, wird der Druck nach diesem Treffer nicht kleiner. Aber er wird Götze wieder etwas mehr Vertrauen in sich und seine sportlichen Fähigkeiten geben.