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«Welt»-Chef bittet um Freilassung Yücels und Türkei hält an Nazi-Vergleich fest

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#freedeniz.Bild: CLEMENS BILAN/EPA/KEYSTONE

«Welt»-Chef bittet um Freilassung Yücels und Türkei hält an Nazi-Vergleich fest

07.03.2017, 19:1407.03.2017, 19:23
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«Welt»-Chefredaktor Ulf Poschardt hat sich in einem offenen Brief an den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan gewandt und um Freilassung seines Korrespondenten Deniz Yücel gebeten. «Das augenblickliche Verhältnis spiegelt nicht wider, was unsere beiden Länder verbindet», schrieb Poschardt in dem am Dienstagabend veröffentlichten Brief mit Blick auf die Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei.

«Sie können das ändern. Sie vor allem. Die Freilassung von Deniz Yücel wäre ein Signal», schreibt Poschardt. Er erinnerte Erdogan daran, dass dieser 1999 selbst eine Haftstrafe antreten musste, «weil der politische Gegner Sie dort am besten aufgehoben sah. Sie wissen also, was eine solche Strafe bedeutet.»

«Deniz Yücel ist Journalist, ein kritischer und unbequemer. Nicht mehr und nicht weniger. Bitte lassen Sie ihn frei.»
«Welt»-Chefredaktor Ulf Poschardt

Der «Welt»-Chef fügte hinzu: «Deniz Yücel ist Journalist, ein kritischer und unbequemer. Nicht mehr und nicht weniger. Bitte lassen Sie ihn frei.» Er mache sich grosse Sorgen um Yücel, der seit Montag vergangener Woche in Untersuchungshaft sitzt. Die «Welt» veröffentlichte den Brief auf Deutsch und auf Türkisch auf welt.de.

Yücel werden in der Türkei Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen. Erdogan hatte ihn am vergangenen Freitag als einen «deutschen Agenten» und einen Vertreter der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK bezeichnet. Am Sonntag hatte Erdogan gesagt: «Dieser Mann ist ein Terrorist. Dieser Mann ist kein Journalist.»

Derweil hält die Türkei hält an Wahlkampf in Deutschland und Nazi-Vergleichen fest

Im Streit um verhinderte Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland bemühen Vertreter Ankaras weiter Vergleiche mit Nazi-Deutschland. Nach Präsident Recep Tayyip Erdogan zog auch sein Aussenminister Mevlüt Cavusoglu am Dienstag einen Vergleich zur Nazi-Zeit.

«Das ist ein total repressives System», sagte Cavusoglu der Zeitung «Hürriyet» (Online). «Alle Praktiken ähneln denen der Nazi-Zeit.»

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel rief angesichts des Streits zu Souveränität im Umgang mit der Türkei auf. Deutschland müsse den Konflikt mit Ankara um Wahlkampf-Auftritte türkischer Minister im Land aushalten, sagte die Kanzlerin am Dienstag in einer Unionsfraktionssitzung in Berlin nach Teilnehmerangaben.

Es sei nicht klug, wenn Deutschland der Türkei die Einschränkung der Meinungsfreiheit vorwerfe und dann mit Einschränkung der Meinungsfreiheit antworte, sagte Merkel.

Ein ursprünglich in einem Festsaal in Hamburg geplanter Wahlkampfauftritt Cavusoglus war von den kommunalen Behörden wegen mangelhaften Brandschutzes abgesagt worden. Stattdessen begab sich Cavusoglu am Dienstag in die Residenz des türkischen Generalkonsuls in Hamburg.

Die umstrittenen Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland haben das Referendum am 16. April zum Thema, bei dem auch die rund 1,4 Millionen wahlberechtigten Türken in Deutschland über die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei abstimmen dürfen.

Türkische Gemeinde in Deutschland besorgt

Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière sagte in der Sitzung der Unionsfraktion den Angaben zufolge, dass Erdogan bewusst Provokationen anfache, um die Wahlbeteiligung der in Deutschland lebenden Türken zu erhöhen. Das Präsidialsystem würde die Macht des türkischen Parlaments deutlich schwächen.

«Es handelt sich um ein verantwortungsloses Vorgehen, das die türkeistämmigen Menschen in Deutschland, ganz unabhängig von ihren jeweiligen türkeipolitischen Einstellungen, um ihre verbesserten Perspektiven bringt»
Türkische Gemeinde in Deutschland

Nach Ansicht der Türkischen Gemeinde schadet der Streit um die Wahlkampf-Auftritte vielen Türken in Deutschland. Die türkische Regierung transportiere mit unbegründet harter Sprache Bedrohung und Verleumdung.

«Es handelt sich um ein verantwortungsloses Vorgehen, das die türkeistämmigen Menschen in Deutschland, ganz unabhängig von ihren jeweiligen türkeipolitischen Einstellungen, um ihre verbesserten Perspektiven bringt», kritisierte die Gemeinde am Dienstag in einem offenen Brief an beide Regierungen. Die türkische Gemeinschaft in Deutschland zahle den Preis «für dieses sinnlose populistische Anheizen». (sda/dpa)

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