Es war einmal ein Zirkus mit dem Namen Radio Television Luxemburg, der sich unter den Gauklern im Reich der Deutschen einen Namen gemacht hatte. Tag für Tag versammelten sich die Untertanen vor der RTL-Bühne, um dort Komödien wie Dramen zu bestaunen.
Besonders ein dünner Harlekin schlug das Publikum in seinen Bann: Getauft auf Günter Jauch unterzog er Anwesende schwierigen Prüfungen, die er, sofern gemeistert, unter dem Gejohle der Gäste mit dem einen oder anderen Taler entlohnte.
Zuweilen fanden sich gar Adlige, Ritter und Schauspieler beim Harlekin ein, deren Antlitze im ganzen Land bekannt waren. Im Juni im Jahre 2014 des Herrn sollte ein Höfling der Fraktion CDU/CSU am Wissensreigen teilnehmen, der auf den Namen Wolfgang Bosbach hörte.
Doch ei der Daus! Noch vor der Vorstellung verkündeten Marktschreier von RTL, dass Bosbach bei «Wer wird Millionär?» Helfershelfer haben werde. Niemand Geringeres als die Königin Angela Merkel werde ihm zur Seite stehen, wenn der 61-jährige Greis dem hinterlistigen Harlekin mal nicht Paroli bieten kann.
Andere Marktschreier wie Bild («Es ist DIE Geheimsache») trugen die Kunde vom Kampf unter Augen der Herrscherin ins Land hinaus, das Volk traute seinen Ohren kaum: Würden Sie in diesem Theater diesen königlichen (Telefon-)Joker wenn nicht sehen, dann doch wenigstens hören können? Und, da es doch um Wissen ging: Würden Sie vielleicht Zeugen, wie diese deutsche Zarin versagte?
Zu Scharen strömten die Leute in die Arme RTLs. Seit knapp drei Jahren waren nicht mehr so viele bei «Wer wird Millionär?» dabei: 7,67 Millionen Augenpaare richteten sich laut Kress auf die Arena, als Jauch Bosbach mit einer Frage über das untergegangene DDR-Reich herausforderte.
Promi-"Wer wird Millionär?" auf RTL: Daddeln mit den Döddels:
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— Estefani paulino (@karol_paulino) 3. Juni 2014
500'000 Taler bot der schlaue Schlaks, wenn der weise Westdeutsche ihm beantworten könne, wozu die Ost-Waschmaschine «WM 66» ausser für die Reinigung von Kleidern und Lumpen noch verwendet worden sei. A: Heizstrom erzeugen, B: Obst einkochen, C: Staub saugen, D: Westradio empfangen.
Greis Bosbach gruselte es, denn er hatte nie seine Zelte im Reich von König Erich Honecker aufgeschlagen. Doch seine Königin, das war ihm gewiss, kannte die Lösung des Harlekin-Rätsels: Einst lebte auch sie in der DDR, die inzwischen zu einem Teil ihres eigenen Reiches geworden war. «Angela?», rief Bosbach verunsichert.
Doch die Königin blieb stumm. Nur ein Lakai namens Mailbox meldete sich, doch damit war niemandem geholfen. Der Greis jedoch überlegte lange und strich dann weise die Fahnen: Er verweigerte eine Antwort, konnte dem Harlekin aber immerhin noch 125'000 Taler abringen.
Muddiiiiiii Merkel ging net dran den sie muss die Welt retten xD #WerwirdMillionaer #rtl pic.twitter.com/um8yJ7gJeU
— Frech? Ich? Klar xD (@frecherscooti) 2. Juni 2014
Das Volk aber war erzürnt: Wo war ihre Herrin, der sie so sehnsüchtig geharrt hatten? Als sich der Abend dem Ende zuneigte, meldete sie sich noch durch einen Boten: «Ok was auch immer es war herzliche grüsse am», lauteten ihre SMS-Zeilen.
Dennoch murrte das Publikum noch lange, nachdem die Lichter in Köln schon erloschen waren. Andere wussten, dass die DDR-Untertanen die «WM 66» nutzten, um Feldfrüchte einzukochen: Wie würden Sie je erfahren, ob sie sich mit Merkel messen können? Bei RTL hingegen rieben sich Hände ...
Und deshalb lautet die Moral von der Geschicht': Marktschreiern, denen glaubt man nicht!