Ganz links steht der Eindringling. Bild: EPA DPA
18. April 2001: Beim Champions-League-Spiel zwischen Bayern München und Manchester United kommt es zum grossen Auftritt von einem Arbeitslosen namens Karl Power. Der ehemalige Boxer schleicht sich vor der Partie tatsächlich aufs offizielle Mannschaftsfoto der United.
Die TV-Zuschauer staunen nicht schlecht, als sie am Mittwochabend vor der Kiste sitzen. Auf jeden Fall jene, welche das Mysterium erkennen. Nach x-fachem Nachzählen und Augenreiben ist klar: Beim Posieren für das Mannschaftsfoto von Manchester United steht neben der üblichen Startelf ein zwölfter Mann.
Der zwölfte Mann positioniert sich – ganz links. Bild: Getty Images Europe
Manchester United ist zu Gast im Olympia-Stadion für das Champions-League-Rückspiel des Viertelfinals gegen Bayern München. Die «Red Devils» brauchten eine faustdicke Überraschung, um den 0:1-Rückstand aus dem Hinspiel aufzuholen. Beim Mannschaftsfoto überrascht das Team schon einmal mit einem unbekannten Gesicht. Wie Gary Nevilles Reaktion zeigt, kommt auch für sie die kräftige Gestalt, die sich da dazu schleicht, wie aus heiterem Himmel.
Video: Youtube/pinoy jim
Der Mann, dem dieses Kunststück gelingt, heisst Karl Power. Natürlich wäre die Aktion nie im Leben erlaubt gewesen, doch weder Spieler noch sonst irgendjemand bemerkte den kräftigen Mann mit dem Shirt von Eric Cantona. So knipsen die Fotografen ihr Foto, Power steht breitbeinig und mit stolzer Brust neben Ashley Cole.
Als Fotograf verkleidet, gelangt Power überhaupt erst ins Stadion. Seinen Presseausweis erlangt er dank dem Männermagazin «Front». Unter dem Fotografenüberzug hält der ehemalige Boxer das ManU-Trikot bereit und als er in Richtung Spielerbank läuft, ist er nicht mehr aufzuhalten. Ungehindert betritt der Mann, der Cantona sehr ähnlich sieht, das Feld und lässt sich ablichten.
Power verlässt nach der Aktion gemütlich das Feld. Bild: Getty Images Europe
Fabien Barthez (in Schwarz) und Co. waren wohl auch etwas verwirrt. Bild: Getty Images Europe
Es ist nicht das erste Mal, dass es Karl Power bei einem wichtigen Match ins Stadion schafft. «Vor einem Spiel von ManU gegen Barcelona stand ich auch schon auf dem Feld», gibt Power später an. Es ist ein Test während der Planung seines grossen Auftrittes. Dieser verläuft ohne weitere Folgen. Power betritt den Platz beinahe unbemerkt, verlässt diesen ebenso und auch danach folgen keine Konsequenzen.
Karl Powers unglaubliche Qualität, unbemerkt und aus nächster Nähe einen Grossanlass zu geniessen, unterstreicht der Engländer ein Jahr später in Wimbledon. Beim prestigeträchtigen und äusserst traditionellen Turnier in der Hauptstadt Englands spielt er seelenruhig ein paar Bälle mit seinem Kollegen Tommy Dunn.
Bild: standard.co.uk
Die Zuschauer warten gerade auf Tim Henman, als sich die beiden Flitzer auf den Centre Court schleichen und eine Runde Tennis spielen. Bis die Schuhe von Powers Kollegen, die nicht traditionell weiss, sondern schwarz waren, die ungebetenen Gäste verraten. Die Security führt die zwei aus dem Stadion, wo sie jedoch schnurstracks in ein bereitstehendes Taxi steigen und verschwinden.
Beim Formel-1-GP in Silverstone 2002 steht Power die Aufgabe bevor, eines der schwierigsten Sicherheitssysteme zu überwinden. Wie genau er dabei vorging, sehen Sie im Video (ganz unten) ab Minute 55.
GIF: Youtube/KarlPowerTV
Nachdem ihm ein Sicherheitsbeamter die Türe aufhält, schleicht er sich mit zwei Kollegen aufs Podest, winkt freundlich und lässt die Zuschauer in der Ungewissheit, wer jetzt tatsächlich dort oben steht. Dieses Mal regieren die Sicherheitsleute schnell und befördern den Spassvogel wieder runter. Ernsthafte Konsequenzen trägt auch dieses Gastspiel keine mit sich.
Seinen letzten grossen Auftritt hat Power gleich mit einer ganzen Mannschaft an seiner Seite. Vor einem Spiel zwischen Manchester United und Liverpool manipuliert er nicht nur ein Mannschaftsfoto, er nimmt seine Kollegen gleich mit auf dem Platz.
Dort lassen sie es sich nicht nehmen, den gegnerischen Goalie Jerzy Dudek zu verspotten, indem sie einen fürchterlichen Fehler Dudeks rekonstruieren. Diesem unterläuft 2002 einen schrecklichen Patzer, der zum 1:0 durch Diego Forlan führt (siehe Video).
Die Veräppelung Dudeks hat zum ersten Mal Konsequenzen für den berühmten Flitzer: Der zwölfte Mann wird lebenslänglich aus dem Old Trafford verbannt.
Der Patzer von Liverpools Dudek gegen Manchesters Forlan. Video: Youtube/LukaszStachowiak
Video: Youtube/KarlPowerTV
In der Serie «Unvergessen» blicken wir jeweils am Jahrestag auf ein grosses Ereignis der Sportgeschichte zurück: Ob eine hervorragende sportliche Leistung, ein bewegendes Drama oder eine witzige Anekdote – alles ist dabei.
5. Dezember 1981: Heute würde der Seitfallzieher von Kevin Keegan wohl zum Tor des Jahres gekürt. Doch weil die Offside-Regel damals noch anders ist, wird sein herrlicher Treffer annulliert.
In den 70er- und 80er-Jahren ist Kevin Keegan der grösste Star des englischen Fussballs. Für Liverpool schiesst er Tore am Fliessband, wird mit den «Reds» drei Mal Meister, Cupsieger, er gewinnt den Meistercup und den UEFA-Cup. Danach wechselt er zum Hamburger SV, wo sie ihn bis heute verehren.
Doch sein, wie er sagt, schönstes Tor erzielt Keegan erst danach: Im Dezember 1981 im Trikot des FC Southampton. Dumm nur, dass der Treffer beim 3:2-Sieg über das in blau spielende Manchester United …