UEFA-Cup-Sieger 1988, DFB-Pokal-Sieger 1993. Das sind die beiden einzigen Pokale in der Vitrine von Bayer Leverkusen – weil es für zweite Plätze höchstens ein paar Schulterklopfer gibt, aber nichts, das man ausstellen könnte.
Auf diese zweiten Plätze ist Bayer Leverkusen um die Jahrtausendwende abonniert. 1997, 1999 und 2000 wird der Klub Vizemeister. Nun in der Saison 2001/02 soll es endlich klappen mit der ersten deutschen Meisterschaft. Wochenlang führt die Mannschaft von Trainer Klaus Toppmöller die Tabelle der Bundesliga an, drei Runden vor Schluss beträgt der Vorsprung auf die Verfolger fünf Punkte.
Aber anstatt die Schale in die Höhe zu stemmen, bleibt «Vizekusen» wieder einmal bloss der Frust, einen Titel knapp verpasst zu haben. Leverkusen verliert gegen Bremen 1:2, in Nürnberg 0:1 und ist vor der letzten Runde plötzlich nicht mehr Leader, sondern einen Punkt hinter Dortmund.
Der 34. und letzte Spieltag muss entscheiden. Michael Ballack, die grosse Leaderfigur der Leverkusener, trifft früh zum 1:0 gegen Hertha Berlin. «Auf der Haupttribüne wackelte Reiner Calmunds Bauch vor lauter freudiger Aufregung», schrieb die «Sonntags Zeitung» über den schwergewichtigen Kult-Manager. Kurz nach der Pause legt Ballack mit seinem zweiten Tor nach – und Dortmund spielt für Bayer. 20 Minuten vor Schluss steht es im Westfalenstadion gegen Bremen nur 1:1. Damit wäre Bayer 04 erstmals Meister.
Dann die 74. Minute und eine tschechisch-brasilianische Kombination, die dem BVB den Titel einbringt. Tomas Rosicky lanciert Dede, der flankt in die Mitte, wo Jan Koller den Ball zwar verpasst, aber Ewerthon goldrichtig steht und zum 2:1-Siegestreffer trifft. «Ich spielte die Begegnung mit zittrigen Beinen zu Ende», berichtete Dortmunds Otto Addo später und bezeichnete die Partie als «das Spiel meines Lebens».
In ihrem Jubel vergessen die Dortmunder nicht, den im Fernduell unterlegenen Gegner zu loben. «Leverkusen hat diese Saison überragend gespielt», anerkannte BVB-Trainer Matthias Sammer. Und Präsident Gerd Niebaum blickte voraus: «Die Leverkusener werden sicher noch etwas holen.»
Machten sie nicht. Denn eine Woche nach der verlorenen Meisterschaft unterlag Bayer im DFB-Pokal-Final dem FC Schalke 04 und nochmals vier Tage später verloren Ballack und Co. auch den Final der Champions League. Ein Geniestreich von Zinédine Zidane entschied das Spiel zugunsten von Real Madrid.
Drei Mal eine Hand am Kübel – drei Mal mit hängenden Köpfen vom Platz getrottet. Und diese Bilanz des Schreckens war sogar noch zu toppen.
Denn die Saison ging für die Leverkusener Nationalspieler Michael Ballack, Bernd Schneider, Carsten Ramelow, Oliver Neuville und Hans-Jörg Butt erst an der WM in Japan und Südkorea zu Ende. Dort kam Deutschland bis in den Final – den es gegen Brasilien verlor.
«Da war ich schon länger als gewöhnlich am Tresen», bekannte Oliver Neuville nach seiner Karriere, «man verliert ja nicht jedes Jahr ein WM-Finale.» Man kann es dem im Tessin aufgewachsenen Stürmer nicht verübeln. Wenn einem ständig Gegner die schönen, grossen Trinkgefässe vor der Nase wegschnappen, muss man sich irgendwann selber helfen.
Bayer Leverkusen konnte bis heute keinen weiteren Titel mehr gewinnen. 2009 verlor der «Werksklub» den Final des DFB-Pokals, 2011 wurde man erneut Vizemeister. Das Warten am Rhein dauert an.