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26.06.1954: Die Schweiz kassiert gegen Österreich in der «Hitzeschlacht von Lausanne» eine ihrer bittersten Niederlagen

Zwölf Mal landete der Ball im Tor – dies ist bis heute WM-Rekord.
Zwölf Mal landete der Ball im Tor – dies ist bis heute WM-Rekord.Bild: AP
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26.06.1954: Die Schweiz kassiert gegen Österreich in der «Hitzeschlacht von Lausanne» eine ihrer bittersten Niederlagen

26. Juni 1954: Bei Temperaturen um die 40 Grad verliert die Schweizer Nationalmannschaft den Viertelfinal der Heim-Weltmeisterschaft gegen Österreich mit 5:7. Es ist das torreichste Spiel der WM-Geschichte und eines der legendärsten zugleich.
26.06.2015, 00:0126.06.2015, 13:37
Ralph Steiner
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Heute wäre ein Match in dieser Form wohl nicht mehr möglich – die WM 2022 in Katar findet aller Voraussicht nach in den kühleren bzw. weniger heissen Wintermonaten statt. Im Juni 1954 ist es jedoch noch kein Problem, bei 40 Grad im Schatten eine WM-Partie auszutragen. Die Schweiz – damals im Gegensatz zu heute Mittelmass – hat sich dank einem Sieg über Italien für den Viertelfinal qualifiziert, dort wartet nun Österreich.

Bereits früh im Spiel erleidet der österreichische Torhüter Kurt Schmied einen Sonnenstich. Da zu dieser Zeit Wechsel noch nicht erlaubt sind, muss Schmied durchhalten. Wie in Trance und quasi orientierungslos wankt er zwischen den beiden Torpfosten hin und her.

Josef Ulrich, der Masseur der Österreicher, dirigiert Schmied von hinter dem Tor. Zusätzlich versucht er, seinen Schlussmann mit Schwämmen und Wasser zu kühlen. Der bemitleidenswerte Torhüter kann sich nach der Partie an nichts erinnern: «Alle anderen haben mir später immer in den höchsten Tönen vorgeschwärmt, was das für ein grossartiges Spiel war!»​

Mit einem Schwamm wird Torwart Schmied gekühlt.
Mit einem Schwamm wird Torwart Schmied gekühlt.Bild: ullstein bild

«Ihr könnt's mir eh alles erzählen, ich weiss ja nichts mehr»

Nun aber der Reihe nach. Die Schweizer wissen die Handlungsunfähigkeit des gegnerischen Torhüters zu nutzen und erzielen zwischen der 16. und der 19. Minute drei Tore. Der Jubel im Stade Olympique de la Pontaise in Lausanne ist gross, 50'000 Zuschauer sind aus dem Häuschen.

Allerdings ist die Freude nur von kurzer Dauer, denn auch Österreich spart nicht mit Toren und trifft zwischen der 25. und der 34. Minute doch tatsächlich fünf Mal in Serie ins Schwarze. Zur Pause steht es dank des Anschlusstreffers von Robert Ballaman wenigstens 4:5 aus Schweizer Sicht.

Die torreichsten WM-Spiele
12 Tore: Österreich – Schweiz 7:5 (1954).
11 Tore: Ungarn – El Salvador 10:1 (1982). Ungarn – Deutschland 8:3 (1954). Brasilien – Polen 6:5 n.V. (1938).
10 Tore: Frankreich – Paraguay 7:3 (1958).

In der zweiten Hälfte erhöht zuerst Wagner für Österreich, dann gelingt Hügi der neuerliche Anschlusstreffer, 15 Minuten vor Schluss besorgt Probst den für die Eidgenossen so bitteren Endstand, zusätzlich verschiessen die Österreicher einen Penalty. Kurt Schmied im Österreicher Kasten taumelt nach wie vor nur konfus herum, kann sich aber auf die Qualitäten seiner Vorderleute verlassen. Er pflegte in den Jahren nach der legendären Partie jeweils zu sagen: «Ihr könnt's mir eh alles erzählen, ich weiss ja nichts mehr.»

Die Tore der ereignisreichen Partie.youtube/srf 3

Roger Bocquet trägt einen Gehirntumor davon

Die insgesamt fünfte Weltmeisterschaft ist die erste in der Schweiz. Für unser Land, aber auch für Österreich, steht im Viertelfinal viel auf dem Spiel. Die Österreicher sind geprägt von der Nachkriegszeit und ringen nach Anerkennung, die Schweiz will sich den grossen Fussballnationen annähern. Es ist die erste Weltmeisterschaft, die live im Fernsehen übertragen wird, Zehntausende verfolgen das Geschehen mit. Der bekannte Sportreporter Vico Rigassi freute sich über die für damalige Verhältnisse qualitativ guten TV-Bilder: «Die wichtigsten Spielphasen waren so klar, dass man meinte, wirklich dabei zu sein.»

Ösi-Goalie Schmied ist übrigens nicht der einzige, der gesundheitlichen Schaden nimmt. Auch der Schweizer Abwehrchef Roger Bocquet leidet unter den hohen Temperaturen und bricht in der Schlussphase zusammen. Später stellen Ärzte bei Bocquet einen Gehirntumor fest.

Eine Szene vor dem Schweizer Tor: Der Österreicher Stojaspal, Bocquet und Goalie Parlier (von links).
Eine Szene vor dem Schweizer Tor: Der Österreicher Stojaspal, Bocquet und Goalie Parlier (von links).Bild: ullstein bild

Wird der WM-Rekord je geknackt?

Die Österreicher scheitern nach dem grandiosen Sieg gegen die Schweiz im Halbfinal an Deutschland. Das Endspiel sorgt dann für ein weiteres Kapitel in den Geschichtsbüchern des Fussballs. Die Deutschen bezwingen das übermächtige Ungarn im «Wunder von Bern» mit 3:2.

Die «Hitzeschlacht von Lausanne» dürfte auf ewig das torreichste WM-Spiel aller Zeiten bleiben. Am nächsten kommt die Partie zwischen Ungarn und El Salvador an der Weltmeisterschaft 1982, in der beim 10:1-Sieg der Osteuropäer insgesamt elf Treffer fielen.

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Bei ihrem allerersten Spiel an einer Weltmeisterschaft gewinnt die Schweiz im San Siro sensationell dank Brillenstürmer Poldi Kielholz.
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