Nein, ein gewöhnlicher Stürmer war Martin Palermo nie. «El Loco», wie ihn die Fans liebevoll nennen, ist zwar ein Torjäger, wie er im Buche steht, doch immer wieder steht er sich auf dem Weg nach oben selbst im Weg. Aber der Reihe nach ...
Mit 19 gibt der 1,87 grosse Modellathlet bei seinem Jugendverein Estudiantes de La Plata sein Profidebüt. Schnell wird klar, dieser Junge hat einen unglaublichen Torriecher und so sichern sich die Boca Juniors bald die Dienste Palermos. Bei «Los Xeneizes» schiesst er sofort wieder Tore am Laufmeter, dennoch wird er erst mit 26 zum ersten Mal für die Nationalmannschaft aufgeboten.
Nach seinem Auftritt am 4. Juli 1999 gegen Kolumbien in der Copa America ist die Karriere in der Landesauswahl aber vorerst zu Ende. Gleich drei Elfmeter bringt Palermo nicht im gegnerischen Kasten unter. Der erste Versuch streift noch die Latte, beim zweiten Mal knallt er den Ball drüber und beim dritten Anlauf scheitert er am Torhüter. Diese (Fehl-)Leistung bringt ihm sogar einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde ein.
Trotzdem will ihn Lazio Rom nach Europa holen. Ein Kreuzbandriss lässt den Transfer jedoch platzen. Ein Jahr später holt er sich mit den Boca Juniors dank eines 2:1-Erfolgs im Final gegen Real Madrid den Weltpokal. Beide Treffer der Argentinier gehen auf das Konto von ... Palermo natürlich.
Ein paar Monate später klappt der Wechsel nach Europa doch noch. Im Januar 2001 unterschreibt Palermo beim FC Villarreal und wechselt für 7,5 Millionen Euro in die Primera Division.
In Europa findet sich Palermo nicht gleich zurecht, sein Torriecher war auch schon besser. Sieben Tore schiesst er in den ersten 21 Spielen für das «Submarino amarillo». Dann passiert es: In der zweiten Runde der Copa del Rey gegen Levante erleidet der damals 28-Jährige einen kuriosen Unfall. Nach dem 1:0-Treffer in der Verlängerung läuft der bullige Argentinier zu den jubelnden Fans, die in ihrer überschäumenden Freude nach vorne stürmen und dabei eine Mauer zum Umstürzen bringen, die zu allem Übel auch noch auf die Beine des Villarreal-Stürmers fällt.
Bittere Konsequenz: Palermo trägt einen doppelten Schienbeinbruch davon und muss mehr als ein halbes Jahr aussetzen. Die Betonplatte kostet den Argentinier auch die (höchstwahrscheinliche) Teilnahme bei der WM in Japan und Südkorea.
2003 verlässt Palermo das gelbe U-Boot und wechselt erst zu Betis Sevilla, danach zu Alaves. Doch Spanien bringt dem Instinktfussballer, der offenbar nur in der Heimat den richtigen Torriecher hat, kein Glück. So kehrt Palermo 2004 zu den Boca Juniors zurück.
Hier findet Palermo wieder zu seiner Torgefährlichkeit zurück und schiesst sich mit seinen unzähligen Treffern in die Herzen der Boca-Fans. Die Klubverantwortlichen bieten dem 34-Jährigen einen Vertrag auf Lebzeiten an, der bescheidene Stürmer lehnt dankend ab.
Auch mit der Nationalmannschaft gibt es ein Happy End. Nachdem die «Albiceleste» in der WM-Qualifikation 2010 enttäuscht und erstmals seit 1970 die Endrunde zu verpassen droht, erinnert sich der Nationaltrainer Diego Maradona an die Ikone des Traditionsklubs und holt seinen ehemaligen Mitspieler nach zehnjähriger Absenz (!) zurück.
Zwei Spiele vor Schluss steht Argentinien mit dem Rücken zur Wand. Als im Heimspiel gegen Peru den Gästen in der 90. Minute noch der Ausgleich gelingt, scheinen den Gauchos bei strömendem Regen die Felle davonzuschwimmen. «Ich dachte schon, wir wären draussen», gesteht Maradona. «Aber ich hatte vergessen, dass es den heiligen Palermo gibt.» Der 35-jährige Joker trifft nämlich im Gegenzug für die Gastgeber und veranlasst seinen Coach, per Taucher-Jubel in den nassen Rasen zu plumpsen.
«Das Wunder des heiligen Palermo hat uns ein neues Leben gegeben», meint Maradona erleichtert, der schliesslich mit dem Team die Qualifikation doch noch schafft.
Bereits vor dem Wunder sorgt Palermo für weltweites Aufsehen, als er eine Woche zuvor im Ligaspiel gegen Velez Sarsfield aus 38 Metern per Kopfball trifft.
Im Dezember 2011 beendet Martin Palermo als 38-Jähriger seine Karriere. Für die Boca Juniors geht er mit 236 Toren in 361 Pflichtspielen als bester Torschütze aller Zeiten in die Geschichte ein. In seinem geliebten Stadion «La Bombonera» wird zum Abschied sogar die Latte aus der Verankerung gerissen und dem Torjäger, der in einen blau-gelben Superman-Mantel eingekleidet worden ist, als Geschenk präsentiert.
Nach seiner Karriere wurde Palermo Trainer und war neben Argentinien auch in Mexiko und Chile engagiert.