Die «New York Times» bringt es auf den Punkt: «How a Bee stung a Bear.» Wie ein Bär von einer Biene gestochen wurde. Es ist einer der bizarrsten, verrücktesten Boxkämpfe aller Zeiten. Muhammad Ali (34) fordert am 30. Oktober 1974 George Foreman (25) um die Krone im Schwergewicht heraus.
Zum ersten Mal wird ein Schwergewichts-Titelkampf in Afrika ausgetragen. In einem Fussballstadion in Kinshasa, der Hauptstadt von Zaire. Beide Boxer kassieren fünf Millionen Dollar. Es ist «The Rumble in the Jungle», die Schlägerei im Dschungel. Der «Kampf des Jahrhunderts».
Wie zehn Jahre zuvor bei seinem ersten Titelkampf gegen Sonny Liston ist Ali krasser Aussenseiter. George Foremann, der Olympiasieger von 1968, hat 37 seiner 40 Kämpfe durch K.o. gewonnen. Mit seinem harten Punch gilt er als praktisch unschlagbar.
Foreman benötigt in seinen drei Titelkämpfen gegen Joe Frazier, Joe «King» Roman und Ken Norton zusammengezählt nur gerade 11 Minuten und 25 Sekunden. Viele erwarten, dass Ali diesen Titanenkampf verlieren wird und darüber hinaus seine Karriere durch einen K.o.-Schlag beendet werden könnte.
Doch im Kampf unter afrikanischem Mond vor 100'000 Zuschauern überrascht Ali seinen Gegner, das Publikum und sogar seinen eigenen Trainer durch seine Taktik. Anstatt wie früher durch Schnelligkeit und Tänzeln zu versuchen, den harten Schlägen seines Gegners auszuweichen, lässt er sich zunächst freiwillig in die Seile drängen, in denen er sich weit nach hinten lehnt.
So hält er den Kopf ausserhalb von Foremans Reichweite. Den Körper kann er durch die Arme schützen, zudem federn die Seile die Schläge ab. Nur in der zweiten Runde gerät er kurz ins Taumeln.
In den Kampfpausen wird versucht, die Seile zu spannen. Aber Ali spielt weiterhin sein «Robe-a-Dope» (Verweil am Seil) und provoziert seinen Gegner verbal: «Is that all you can, George?», fragt er seinen Kontrahenten. Die Fans sind begeistert, «Ali, boma ye!» («Ali, töte ihn!») rufen sie.
George Foreman hat in den letzten dreieinhalb Jahren nie länger als fünf Runden gekämpft und die letzten acht Gegner bereits in der zweiten Runde auf die Bretter geschickt. Er verliert seine Ruhe, treibt Ali durch den Ring, verbraucht viel zu viel Kraft. Ali wagt sich mehr und mehr aus der Deckung heraus.
Kurz vor dem Ende der 8. Runde schlägt er Foreman mit zwei schnellen Links-rechts-Kombinationen und neun aufeinander folgenden Kopftreffern nieder. Der Favorit braucht zu lange, um wieder aufzustehen. Der Kampf ist vorbei. Die Biene hat den Bären gestochen.
Muhammad Ali hat den Titel, der ihm sieben Jahre zuvor aus politischen Gründen aberkannt worden ist (er verweigerte den Militärdienst in Vietnam), zurückgewonnen und bricht damit als zweiter Schwergewichtsprofi nach Floyd Patterson das ungeschriebene Gesetz des Boxens: «They never come back!»
Der Kampf ist auch wegen des äusseren Rahmens ein Weltereignis und bleibt bis zur Fussball-WM 2010 in Südafrika das grösste Sportereignis auf dem afrikanischen Kontinent. Im Rahmenprogramm veranstaltet Promoter Don King ein Grosskonzert, bei dem unter anderem Miriam Makeba, James Bron, B.B. King, The Spinners und The Crusaders musizieren.
Wie üblich klopft Muhammad Ali vor dem Kampf grosse Sprüche und nervt seinen Gegner. Er erzählt den Medien unter anderem: «Ich habe Neues für diesen Kampf getan. Ich habe mit einem Alligator gerungen, mit einem Wal gerauft, dem Blitz Handschellen angelegt und den Donner eingekerkert. Ich bin böse.»
«Letzte Woche hab' ich einen Felsen ermordet, einen Stein verletzt und einen Ziegel krankenhausreif geprügelt. Ich bin so gemein, dass ich selbst Medizin krank mache. Letzte Nacht betätigte ich den Lichtschalter in meinem Schlafzimmer und war im Bett, bevor der Raum dunkel war.»
«Ich bin so schnell, dass ich durch einen Hurrikan laufen kann, ohne nass zu werden. Wenn George Foreman auf mich trifft, wird er seine Schulden bezahlen. Ich kann untergehen und dabei das Wasser austrinken und einen toten Baum töten, wartet bis ihr Muhammad Ali seht.»
Auf die in einer Pressekonferenz gestellte Frage, was er denn speziell gegen Foreman habe, antwortet er: «He talks too much», er redet zu viel. Das Beispiel von Muhammad Ali zeigt: Manchmal ist viel reden nicht Silber, sondern Gold.