Kein alltägliches und doch ein gewohntes Bild: Björndalen läuft zwar ohne Gewehr, aber allen davon. Bild: Getty Images Europe
18. November 2006: Als Biathlet hat der Norweger Ole-Einar Björndalen längst alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Deshalb setzt er sich ein neues Ziel und im schwedischen Gällivare erreicht er es: Einen Sieg bei den Langläufern.
Was ist Sport? Die philosophische Antwort ist ausufernd lang, die nüchterne Antwort lautet: eine Ansammlung von Zahlen.
Kaum eine Karriere ist so prädestiniert, sie auf Zahlen herunterzubrechen, wie jene von Ole-Einar Björndalen. Der Norweger ist der erfolgreichste Wintersportler aller Zeiten – die Belege:
Davon nicht weniger als 8 x Gold
Davon nicht weniger als 19 x Gold
Und mehr als 100 weitere Podestplätze
Der alte Mann und das Gold: 2014 wird Ole-Einar Björndalen in Sotschi als 40-Jähriger im Sprint zum siebten Mal Olympiasieger. Bild: ERIC GAILLARD/REUTERS
Alle seine Erfolge erringt Ole-Einar Björndalen als Biathlet. Alle? Nicht ganz. Der heute 41-Jährige und immer noch aktive Athlet dominiert nicht nur seinen Sport während mehr als einem Jahrzehnt. Er schafft es am 18. November 2006 auch, ein Rennen im Langlauf-Weltcup zu gewinnen.
Im schwedischen Gällivare tritt Björndalen zum Wettkampf über 15 Kilometer in der freien Technik an. Er habe sich noch nie so gut in Form gefühlt wie in diesen Tagen, wird er nach dem Rennen zu Protokoll geben. Björndalen startet verhalten, dreht dann aber auf. Mit 23 Sekunden Vorsprung gewinnt er vor seinem Landsmann Tore Ruud Hofstad – die Sensation ist perfekt.
Das Siegerpodest in Gällivare: Die Norweger Tore Ruud Hofstad und Ole-Einard Björndalen und der Deutsche Franz Göring (von links). Bild: Getty Images Europe
Die Spezialisten mussten sich vorkommen wie Schulbuben. Zwar ist Björndalen zu jener Zeit als weltbester Langläufer der Biathleten anerkannt – aber er ist eben ein Biathlet und keiner, der tagein tagaus nur mit schmalen Ski über die Loipen jagt.
Björndalen ohne Gewehr unterwegs.
YouTube/biegowki
Mit Lukas Bauer, Alexander Legkov, Pietro Piller Cottrer, Axel Teichmann und Tobias Angerer lässt Björndalen namhafte Konkurrenz hinter sich. Um die Schweizer zu finden, muss man in der Vor-Cologna-Ära weit nach hinten schauen in der Rangliste: Remo Fischer ist als 37. ihr Bester, er verliert mehr als eineinhalb Minuten auf Sieger Björndalen.
An den Olympischen Spielen 2002 flog Simon Ammann sensationell zu zwei Goldmedaillen. Doch der wahre Überflieger der Spiele war Ole-Einar Bjørndalen: Er gewann alle vier Goldmedaillen, die es bei den Biathlon-Bewerben zu gewinnen gab.
Das passende Bild zum Wikipedia-Eintrag «Medaillenhamsterer». Bild: AP
Der «Kannibale der Loipe» gilt als trainingsverrückt, er ordnet sein Leben komplett dem Sport unter. Sein Motto lautet «Ein Tag ohne Training ist ein verlorener Tag» und einst gab er ehrlich zu: «Alles andere als ein Sieg ist scheisse.» Um seine Ziele zu erreichen, setzt er als erster Biathlet (mit grossem Erfolg) auf einen eigenen Schiesstrainer, arbeitet schon früh mit einem Mentalcoach zusammen.
Als Skijäger hat Ole-Einar Björndalen in seiner Karriere alles erreicht, was es zu gewinnen gibt. Als Langläufer bleibt eine Lücke offen: an Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen blieb ihm ein Medaillengewinn versagt. Angesichts seines proppenvollen Trophäenschranks wird er es verschmerzen.
Der grösste Tag in der Langlauf-Karriere von Ole-Einar Björndalen. Bild: Getty Images Europe
In der Serie «Unvergessen» blicken wir jeweils am Jahrestag auf ein grosses Ereignis der Sportgeschichte zurück: Ob hervorragende Leistung, bewegendes Drama oder witzige Anekdote – alles ist dabei.
26. Februar 2002: Auch die B-Probe überführt Langläufer Johan Mühlegg als Doper. Er stampft an den Olympischen Spielen in Salt Lake City alle in den Boden, wird dreifacher Olympiasieger – und lebt heute nach dem tiefen Fall als Immobilienhändler in Brasilien.
Er ist der «Allgäu-Torero», gefeiert für seine Goldmedaillen. «Der verlorene Sohn», titelt der Spiegel, denn Johan Mühlegg gewinnt nicht für Deutschland. In Salt Lake City tritt der Langläufer 2002 nach einem heftigen Krach mit Trainern und Funktionären für Spanien an. «Weil Deutschland diesen komplizierten Mann nicht ertragen konnte», ärgert sich die Zeitschrift.
Einige Tage später dürften die Deutschen froh darüber sein, dass Mühlegg nicht mehr ihr Problem ist. Denn was viele …