Lasse Paulsen darf stolz sein. An diesem Tag ist der 24-jährige Norweger der beste Nicht-Österreicher im Super-G von Innsbruck. Bloss interessiert das am Patscherkofel niemanden. Denn Paulsen wird Zehnter oder in anderen Worten: Österreich feiert einen Neunfachsieg.
«Es war kurz vor Weihnachten und die meisten hatten schon beim Frühstück im Kopf, wann ihre Heimflüge gehen», erzählt ÖSV-Alpinchef Hans Pum Jahre später. Dazu wird der Rennstart wegen Nebels mehrmals verschoben, bis es gegen 14 Uhr doch noch losgeht.
«Vielleicht waren die Gegner mit den Gedanken nicht mehr so bei der Sache», mutmasst Pum. «Aber für uns war es trotzdem ein wichtiges Rennen, denn es war ein Heimrennen und wir hatten eine starke Mannschaft.»
Die Statistik belegt diese Aussage: Zwischen März 1997 und März 2000 gewinnt das «Austria Power Team» sagenhafte 21 Super-G in Folge. «Wir haben uns gegenseitig nach oben getrieben und keiner wollte nachgeben», erklärt Hans Knauss die damalige Erfolgswelle und Fritz Strobl ergänzt: «Wir hatten so viele gute Athleten, zum Teil konnten wir gar nicht blöd genug tun, einer war trotzdem immer vorn.»
In Innsbruck gewinnt Hermann Maier den Super-G hochüberlegen mit 76 Hundertstelsekunden Vorsprung und mehr. Hinter dem «Herminator» geht es eng zu und her: Den Zweitplatzierten Christian Mayer und Werner Franz auf Rang 9 trennen bloss zwei Zehntelsekunden. Zwischen ihnen klassieren sich Fritz Strobl, Stephan Eberharter, Rainer Salzgeber (nein, nicht der Moderator), Hans Knauss, Patrick Wirth und Andreas Schifferer.
«Für mich hat es sicher grössere Siege und emotionalere Rennen gegeben», gesteht Maier im Rückblick. «Aber neun Mann vorn wird es wohl nie mehr geben. Und ich kann von mir behaupten, dieses Rennen gewonnen zu haben.»
Paradox: Der Neunfachsieg wird nur zurückhaltend gefeiert: «Ich war sauer, immerhin waren drei vor mir und es zählt doch nur der Sieg», erinnert sich Stephan Eberharter. «Aber jetzt? Ich bin einer von denen, die Geschichte geschrieben haben.»
Bis das historische Foto der glorreichen Neun geschossen wird, ziehen zehn Jahre ins Land. Denn Fritz Strobl, der später als Sänger den Après-Ski-Hit «Genie auf die Ski» landet, rast erst mit der Nummer 45 aufs Podest – da ist das Bild des vermeintlich historischen Achtfachsiegs bereits im Kasten. Und als Strobl im Ziel ist, fehlt Werner Franz, weil er kränkelt und bereits abgereist ist.
«Was denkt man sich als Österreicher, wenn man mit der Startnummer 45 ins Rennen geht und acht Österreicher vorne liegen?», fragt Strobl am zehnten Jahrestag und antwortet gleich selber, was ihm damals im Starthaus durch den Kopf geht: «‹Scheisse, es interessiert eigentlich kein' Mensch' mehr, ob ich noch fahre oder nicht, denn einen Achtfachsieg, das wird es nie mehr geben.› Aber mein Trainer Robert Trenkwalder hat mich motiviert und so bin ich Dritter geworden.»
«Alle Neune», wie beim Kegeln. Österreich jubelt und stürzt den Rest der Welt kurz vor Weihnachten in ein Jammertal. Die Schweizer – ihr Bester in Innsbruck ist Paul Accola als 16. – erholen sich nicht und gewinnen an der WM in Vail wenige Wochen später nur zwei Bronze-Medaillen durch Steve Locher im Riesenslalom und Accola in der Kombination.
Die Schweizer Fans bedanken sich in jenen Tagen beim norwegischen Super-Duo Lasse Kjus und Kjetil André Aamodt. Ohne die beiden «Ski-Zwillinge» hätten die Erzrivalen aus Österreich in Vail sowohl in der Abfahrt wie auch im Super-G alle drei Medaillen gewonnen.
Hucken a poa Kumpel im Gasthaus zom und schaugn Skirennen, frog oaner, isch des Zeitlupe,
na Schweizer!