Das Rennen um den Gesamtweltcup im Winter 2011/12 ist gegen Ende der Saison zum Duell zweier Ausnahmetalente verkommen. Beat Feuz, 25-jährig aus Schangnau im Emmental, misst sich mit dem zwei Jahre jüngeren Marcel Hirscher aus dem Salzburger Land.
Das viertletzte Rennen der Saison ist die Abfahrt im Weltcupfinal in Schladming. Feuz wird Zweiter und so ist die Ausgangslage vor dem drittletzten Rennen, einem Super-G, komfortabel: Feuz hat 135 Punkte Vorsprung auf Hirscher. Mit einem Sieg oder einem zweiten Platz kann sich der Schweizer den Sieg im Gesamtweltcup sichern, falls es seinem österreichischen Kontrahenten nicht gelingt, zu punkten.
Doch Beat Feuz hat eine schlechte Vorahnung, als er vor dem Super-G über diese Ausgangslage spricht. «Marcel kann ein Spitzenresultat einfahren und ich ausfallen. Dann ist plötzlich wieder alles anders», warnt er.
Hirscher ist ein exzellenter Slalom- und Riesenslalomfahrer, in den schnellen Disziplinen tritt er nur selten an. In Schladming aber versucht er natürlich zu punkten. Hirscher hat Glück bei der Startnummernauslosung, kann mit der frühen Nummer 2 ins Rennen gehen.
Er nutzt dies ebenso aus wie die Kurssetzung, die seinem Fahrstil entgegenkommt. Hirscher fährt eine Zeit, an der sich fast alle Konkurrenten die Zähne ausbeissen.
Marcel Hirscher liegt immer noch auf Rang 3, als Beat Feuz mit der Startnummer 19 angreift. Seine Fahrt ist nicht fehlerfrei, aber mit 0,32 Sekunden Rückstand bei der zweiten Zwischenzeit kann er vorne mitmischen.
Doch dann das verhängnisvolle Missgeschick: In einer Rechtskurve verliert Feuz über eine Kuppe fahrend kurz die Kontrolle. Er rutscht aus, scheidet aus – und verliert so auch den Gesamtweltcup.
Denn dank den 60 Punkten für Rang 3 im Super-G hat Marcel Hirscher den Rückstand im Gesamtweltcup auf 75 Punkte reduziert. Für die beiden letzten Saisonrennen, ein Riesenslalom und ein Slalom, ist er der klare Favorit. «Das ist eine grosse Überraschung für Österreich, für den Skisport», staunt Hirscher.
Obwohl es für ihn gelaufen ist, weist der Österreicher die Favoritenrolle von sich: «75 Punkte sind immer noch wahnsinnig viel, dafür muss ich zuerst mal Zweiter werden.» Der Österreicher hält dem Druck jedoch stand. Er gewinnt zwei Tage nach dem Super-G den Riesenslalom. Weil Beat Feuz in jenem Rennen keine Punkte holt und im Slalom gar nicht mehr antritt, geht die grosse Kristallkugel an Marcel Hirscher.
Für den Österreicher beginnt damit eine einzigartige Erfolgs-Ära. Denn er gewinnt den Gesamtweltcup von diesem ersten Sieg 2012 an gleich acht Mal in Folge. 2019 tritt Hirscher zurück, er macht es auch als zweifacher Olympiasieger und siebenfacher Weltmeister.
Beat Feuz kommt dem Triumph im Gesamtweltcup nie mehr so nahe. Nach der Saison 2012 kommt es bei einer Knie-Operation zu Komplikationen, zwischenzeitlich droht dem Emmentaler gar eine Amputation. Feuz muss immer wieder unters Messer, seine Karriere hängt an einem seidenen Faden.
Doch er kämpft sich magistral zurück auf die ganz grosse Bühne. 2017 wird Beat Feuz in St.Moritz Abfahrts-Weltmeister, 2022 in Peking Olympiasieger in der Königsdisziplin. Und dazwischen gewinnt er vier Mal in Folge die kleine Kristallkugel für den Gewinn der Abfahrtswertung – auch, weil er unter anderem die Klassiker am Lauberhorn und in Kitzbühel mehrfach gewinnt.
Und weil Feuz auf allerhöchstem Niveau sagenhaft konstant ist. Bis zu einem Sturz in Bormio Ende 2021 klassiert er sich in 36 Abfahrten in Folge in den Top Ten. Meist steht Feuz auf dem Siegertreppchen, mit 46 Podestplätzen tritt er im Januar 2023 als in dieser Hinsicht erfolgreichster Abfahrer der Geschichte zurück.