Es ist zwar nur ein Testspiel, doch Zlatan Ibrahimovic ist das egal. Gegen England setzt der schwedische Superstar zu einer fantastischen Gala an. Im Alleingang schiesst er die «Blågult» gegen England zum 4:2-Sieg: Er trifft in der 20., 77., 84. und 90. Minute. Vor allem der Treffer zum 4:2 ist ein Kunststück, das seinesgleichen sucht. «Seine Vorstellung heute war Weltklasse. Es war sein Abend», schwärmt England-Captain Steven Gerrard.
Nein, selbstverständlich ist es nicht, dass Zlatan Ibrahimovic zu dem geworden ist, was er heute ist. Der Sohn eines bosnischen Hausmeisters und einer kroatischen Putzfrau, die sich kurz nach seiner Geburt scheiden lassen, wächst in Malmö auf, der drittgrössten Stadt Schwedens.
What a goal Ibra.
— Rio Ferdinand (@rioferdy5) 14. November 2012
Die Gegend Rosengard ist berühmt-berüchtigt für eine hohe Arbeitslosenquote und einen Ausländeranteil von 84 Prozent. Zlatan Ibrahimovic und seine fünf Geschwister erleben also nicht die Erziehung, wie sie der schwedische «Normalbürger» erlebt, wie er einmal dem «Guardian» erzählt: «Keiner fragte: Wie war dein Tag, kleiner Zlatan?»
Seine frühere Schulleiterin sagte einst dem «Kicker»: «Er war der Prototyp eines Jungen, mit dem es böse endet. Während meiner 33 Jahre in der Schule war er einer der fünf unruhigsten Schüler, die ich je hatte, einfach ein Krawallbruder.»
So erzählt auch ein Freund aus seinem Quartier in der Dokumentation «From Rosengard With More Than One Goal», dass Zlatan «ein guter Velo-Dieb war». Und er rühmt den Fussballstar: «Er konnte sehr schnell von der Polizei wegrennen!»
Heute ist Zlatan Ibrahimovic Rekordtorschütze seines Landes und ist vielleicht nicht der König Schwedens, aber immerhin Rekordtorschütze und über 100-facher Nationalspieler.
«Wie hat es der Junge aus Rosengard so weit gebracht?» Die Antwort des 1,95 Meter grossen Stürmers: «Niemand glaubte, ich könnte es schaffen. Alle laberten nur Müll. Sie dachten, dass ich weggehe, weil ich eine grosse Klappe habe. Sie dachten, die Träume des Typen sind verrückt. Es wird nicht geschehen. Aber ich hatte diese Träume, wo ich einmal sein werde. Und hier bin ich jetzt.»
Trotz seines Rufes als einer der besten Angreifer der Welt schien ihn die englische Presse nicht wirklich zu würdigen. «Wenn du keine Tore gegen englische Teams erzielst, bist du nicht gut genug», so Ibrahimovic. «Es war immer so. Immer wenn ich gegen englische Mannschaften gespielt hatte, skorte ich nicht. Also sagten sie, ich sei nicht gut genug. Nächstes Spiel, gleiche Sache. ‹Oh, seht her, er ist nicht gut genug.›»
That was obscene. What a goal.
— michael owen (@themichaelowen) 14. November 2012
Der Stürmerstar weiter: «Aber dies motiviert mich. Das gibt mir Adrenalin. Die Leute denken, sie könnten mich vielleicht brechen, aber das Gegenteil ist der Fall. Ich kriege mehr Wut, um zu zeigen, wer ich bin. Ich nehme bei meiner Spielweise Risiko auf mich, also sieht es nicht immer nach Spektakel aus.»
«Aber dann kam England. Sie sagten die gleichen Sachen über mich, aber ich sagte nur: ‹Es wird fantastisch – das erste Spiel in unserem neuen Stadion.› Das erste Tor kam und ich war glücklich. Als das zweite Tor fiel, war ich ausser mir. Als ich den dritten Treffer erzielte, schaute ich mich um: ‹Ok, was willst du jetzt sagen?› Beim vierten Treffer, dem Fallrückzieher, dachte ich: ‹Das ist es. Ich weiss nicht mehr, was ich mehr tun kann.› Ich muss gestehen, es gab mir ein ultra-spezielles Gefühl.»
Zlatan zlatanisierte – ein offiziell in die schwedische Sprache aufgenommener Begriff für «stark dominieren» – die «Three Lions» derart, dass sich an diesem Tag auf Facebook eine Gruppe mit dem Namen: «Ich war am Leben, als Zlatan Ibrahimovic England vergewaltigte» bildet.
Paul Clement, der (englische) Assistenztrainer des damaligen PSG-Coach Carlo Ancelotti, beschreibt Ibrahimovics erstes Training im Klub nach seiner Vier-Tore-Gala als konzentrierteste Einheit, die er je gesehen habe. Ibrahimovic bestätigt dies: «Ich arbeitete so hart wie nie zuvor an diesem Tag» und enthüllt:« Ich habe den gleichen Seitfallzieher im Training gemacht. Es regnete und ich machte den Rückwärtssalto nochmals und ich traf in eines dieser kleinen Trainingstore. Niemand konnte es glauben. Sie sagten, es sei noch schöner als der Treffer gegen England gewesen.»
Ibra ist allerdings anderer Meinung: «Ich sagte: ‹Nein, ich bevorzuge das England-Tor.› Aber das ist die Art, wie ich trainiere. Ich will immer besser werden. Wenn es ein Problem ist, nie zufrieden zu sein, dann habe ich es. Wenigstens ist es ein gutes Problem.»
Zlatan hat das in seiner Karriere immer wieder eindrücklichst bewiesen.
Dieses Tor werde ich noch meinen Enkeln und so das Leben will, Urenkeln zeigen.