Tausende Menschen haben am Sonntag in New York einem Polizisten die letzte Ehre erwiesen, der zusammen mit einem Kollegen in seinem Streifenwagen erschossen worden war. Die Trauerfeier für Wenjian Liu wurde in der US-Metropole live auf Bildschirme nach aussen übertragen.
Dort kam es trotz einer Ermahnung des Polizeichefs erneut zu Protesten gegen Bürgermeister Bill de Blasio. Als dieser das Wort ergriff, drehten einige Dutzend der mehreren tausend anwesenden Polizisten den Leinwänden den Rücken zu.
Wenjian Liu war am 20. Dezember zusammen mit seinem Berufskollegen Rafael Ramos getötet worden. Ihr Mörder, der sich nach der Tat selbst das Leben nahm, hatte die Tat als Vergeltung für die Tötung unbewaffneter Schwarzer durch weisse Polizisten bezeichnet.
Diese Fälle hatten in den USA zu Protesten und einer Debatte über Polizeigewalt und Rassismus geführt. De Blasio hatte in diesem Kontext bei der Polizei für Ärger gesorgt, als er öffentlich erklärte, er rate seinem Sohn, im Umgang mit Polizisten vorsichtig zu sein. De Blasio ist mit einer Afroamerikanerin verheiratet.
Bereits bei der Trauerfeier für Ramos hatte es deshalb vergangene Woche Proteste gegen den Bürgermeister gegeben. Daraufhin hatte der New Yorker Polizeichef Bill Bratton am Samstag seine Beamten aufgerufen, die Trauerfeier für Liu nicht für erneute Proteste zu nutzen. «Bei einem Heldenbegräbnis geht es ums Trauern, nicht ums Klagen», schrieb Bratton an die 34'000 Polizisten der US-Ostküstenmetropole.
«New York's Finest» nennt sich die Polizei der US-Millionenmetropole - das beste, was New York zu bieten hat. Die Beamten sind stolz auf sich und ihren Job und zeigen das bei jeder Gelegenheit. Aber jetzt fühlen sich viele der rund 50'000 Polizisten New Yorks in ihrem Stolz zutiefst verletzt - und das ausgerechnet von Stadtpräsident de Blasio.
Der mit einer Afro-Amerikanerin verheiratete Stadtpräsident hatte öffentlich Demonstrationen unterstützt, die Polizeigewalt gegen Schwarze anprangerten. Auch seinen Sohn Dante habe er im Umgang mit der Polizei trainieren müssen, sagte de Blasio bei einer Pressekonferenz - und handelte sich damit den Zorn seiner eigenen Polizeitruppe ein.
Vertreter der kommunalen Polizeibehörde New York City Police Department (NYPD) gaben ihm daraufhin eine Mitschuld an der Erschiessung von zwei Polizisten vor rund zwei Wochen.
Auch Stadtpräsident de Blasio habe nun «Blut an seinen Händen», wetterte Polizeigewerkschaftschef Patrick Lynch. Neue Statistiken deuten jetzt eine eigenwillige Reaktion der Polizei an: Unangekündigter Arbeitskampf.
In der letzten Dezemberwoche 2014 - der Woche nach der Erschiessung der beiden Polizisten - stellten die New Yorker Cops Medienberichten zufolge 94 Prozent weniger Verkehrsstrafzettel, 92 Prozent weniger Parkbussen und 94 Prozent weniger Verwarnungen wegen Vergehens wie öffentlichem Urinieren aus als in derselben Woche 2013. Ausserdem nahmen sie 84 Prozent weniger Menschen wegen Drogendelikten fest.
In den beiden besonders betroffenen Polizeibezirken - dem, wo die beiden Polizisten erschossen wurden, und dem, wo sie patrouilliert hatten - sind die Zahlen noch auffälliger: Wurden in der letzten Dezemberwoche 2013 noch 130 Menschen wegen eines Vergehens verwarnt, war es in der letzten Dezemberwoche 2014 genau einer.
Aber die Polizei hat laut ihrem Chef Bill Bratton nicht die Arbeit eingestellt. Seine Truppe befinde sich lediglich in einer «Phase der Trauer» und sei ausserdem am Limit ihrer Kapazitäten: Nicht nur müssten die immer noch andauernden Demonstrationen gegen Polizeigewalt von tausenden Polizisten überwacht werden, sondern nach den Morden müssten die Beamten jetzt auch sich selbst besser schützen. (sda/dpa)