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Die Zombies wachen wieder auf

Die Zombies wachen wieder auf

Zombie aus der TV-Serie «Walking Dead».Bild: AMCTV
Krise im Irak
Die «Untoten» des Irak-Feldzuges sind wieder da: Der ehemalige US-Vize Dick Cheney und der britische Ex-Premier Tony Blair greifen Präsident Obama wegen seiner Haltung in der Irak-Krise an.
25.06.2014, 17:2126.06.2014, 10:41
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Bisher galten der ehemalige US-Vize Dick Cheney und sein neokonservativer Begleittross als die ultimativen Versager, die mit dem Irak-Krieg eines der schlimmsten militärischen Debakel der Neuzeit verursacht haben. Auch Tony Blair, einst Strahlemann von Cool Britannia, wird seit seinem verunglückten Engagement gegen Saddam Hussein von seinen Landsleuten als Schosshund von George W. Bush verspottet. Barack Obama hingegen wurde 2008 zum US-Präsidenten gewählt, weil er sich entschieden gegen den Irak-Krieg gewendet hatte. 

Nun eilen die Truppen der ISIS von Sieg zu Sieg und stehen möglicherweise bald vor den Toren Bagdads. Das stellt die politische Diskussion auf den Kopf. Präsident Obama hat die schlechtesten Umfragewerte in seiner Amtszeit. «52 Prozent aller Amerikaner geben an, sie würden nicht einverstanden sein mit der Art, wie er die Irak-Krise handhabt», meldet die «New York Times». 

Die Neocons wittern Morgenluft

Dafür erwachen die lange in die politische Bedeutungslosigkeit verbannten Neokonservativen – Neocons genannt – zu neuem Leben. Dick Cheney gibt ein Interview nach dem anderen und greift dabei Obama direkt an. «Selten hat ein amerikanischer Präsident die Lage auf Kosten von so Vielen so falsch eingeschätzt», schrieb er kürzlich in einem Kommentar im «Wall Street Journal».

Ex-US-Vize Dick Cheney.
Ex-US-Vize Dick Cheney.Bild: GETTY IMAGES NORTH AMERICA

Auch die Neocons melden sich auf allen Kanälen zu Wort. Zu den bekanntesten gehören Paul Wolfowitz, William Kristol und Robert Kagan. Sie waren die führenden Ideologen des Irakfeldzugs und vertraten die These des «regime changes». Darunter versteht man die Maxime, dass ein den USA feindliches Regime nicht bloss kontrolliert, sondern nach Möglichkeit gestürzt werden soll.

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Tony Blair und die «Humvee liberals»

Für die Neocons war Ronald Reagan ein leuchtendes Beispiel, weil er mit seiner aggressiven Politik die Sowjetunion in die Knie gezwungen hatte. Sein Bewunderer George W. Bush setzte unter dem Einfluss der Neocons ebenfalls auf «regime change», stürzte den Diktator Saddam Hussein und glaubte ernsthaft daran, im Irak eine blühende Demokratie errichten zu können. Ein Irrtum, der Hunderttausende das Leben und die US-Staatskasse hunderte von Milliarden Dollar kostete. 

US-Humvees im Irak.
US-Humvees im Irak.Bild: EPA

Nicht nur die Neocons melden sich wieder, sondern auch die «Humvee liberals». Darunter versteht man die Linksliberalen, die sich ebenfalls für den Irak-Krieg stark gemacht haben. Der bekannteste «Humvee liberal» ist Tony Blair, der ehemalige Premierminister von Grossbritannien. In der «Financial Times» verteidigt er erneut seine Politik. Nicht der Sturz von Saddam Hussein sei die Ursache der neuerlichen Irakkrise, sondern eine Mischung aus schlechter Politik und schlechter Religion. 

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Bild: Matt Rourke/AP/KEYSTONE

«Es gibt eine Tendenz so zu tun, als ob Saddam Hussein ein Fels der Stabilität und des Friedens gewesen wäre», stellt Blair fest. «Zur Erinnerung: Er hat den Krieg gegen den Iran vom Zaun gebrochen, der mehr als eine Million Tote gekostet hat; er ist in Kuwait einmarschiert, er hat Chemiewaffen gegen die Kurden eingesetzt, er hat die Mehrheit der Schiiten unterdrückt und die Sumpfaraber verfolgt. Die Probleme der Region liegen darin, dass diese Konflikte nun an die Oberfläche kommen.» 

Sind die USA immer noch eine unverzichtbare Nation?

Die Kritik der Neocons und der «Humvee liberals» zielt darauf ab, Präsident Obama als Schwächling darzustellen, der die Rolle der USA als Supermacht, auf die man nicht verzichten kann – die «indispensable nation», wie Bill Clinton sie nannte – verrät. Der Eindruck täuscht. Obama ist alles andere als ein Friedensengel. Er hat nicht nur Osama bin Laden zur Strecke gebracht, er hat auch den umstrittenen Einsatz der Drohnen gegen Terroristen nicht nur stets gebilligt, sondern auch massiv ausgeweitet. 

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Bild: Pablo Martinez Monsivais/AP/KEYSTONE

Die unverzichtbare Nation USA weiss mittlerweile selbst nicht mehr, was sie will, die Meinungsumfragen sind total widersprüchlich. Obamas Aussenpolitik als Ganzes wird zwar verurteilt, die einzelnen Massnahmen hingegen finden Zustimmung. Sein Entschluss, 300 Elitetruppen nach Bagdad zu senden, wird begrüsst, ebenso der Einsatz der Drohnen und selbst eine mögliche Zusammenarbeit mit dem Iran. 

Das ist ein bisschen so wie jemand, der sagt, er möge Teigwaren, Tomatensauce und Parmesan, aber er verabscheue Spaghetti napoli. Kein Wunder also, dass in diesem Meinungschaos selbst die Neocon-Zombies wieder eine Chance erhalten. 

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