Erstens und zweitens, sagt Barack Obama, drittens und viertens. Er will viel unterbringen in diesem kurzfristig angekündigten Statement zur Außenpolitik am Mittwochabend. Erstens den vorerst beigelegten Streit der afghanischen Präsidentschaftskandidaten; zweitens die Atomverhandlungen mit Iran, wo man nun eine Verlängerung erwägt; drittens die Gewalt in Nahost; und schließlich die Situation in der Ukraine.
Die Weltlage ist mal wieder komplex.
Um den letzten, den vierten Punkt geht es dem US-Präsidenten insbesondere, deshalb ist er aus dem Oval Office, wo er am Nachmittag mit US-Außenminister John Kerry beraten hat, herüber gekommen in den Presseraum des Weißen Hauses: Obama spricht über die neuen Sanktionen, die die USA gerade erlassen haben. Es sind die bisher schärfsten. Ein klares Signal, dass Obama die Geduld mit dem russischen Kollegen Wladimir Putin zu verlieren beginnt.
Denn Russlands «anhaltende Provokationen» und die Unterstützung für die Separatisten im Osten der Ukraine gingen weiter, so Obama. Immer wieder habe er klar gemacht, dass ...
«Wir haben unsere Präferenz betont, diese Angelegenheit diplomatisch zu lösen», erklärte Obama, «aber wir müssen konkretes Handeln und nicht nur Worte sehen.» Bisher habe Russland keinen der geforderten Schritte unternommen. Deshalb nun die neue, schärfere Sanktionsrunde. Nahezu gleichzeitig einigte sich auch die Europäische Union auf weitere Strafmaßnahmen; die aber wirken im Vergleich zu den amerikanischen harmloser. Im Wesentlichen hat das US-Finanzministerium folgendes auf Obamas Weisung verfügt:
Es handele sich um «schwerwiegende Sanktionen», sagt Steven Pifer, der frühere US-Botschafter in Kiew. Maßgebliche russische Energieunternehmen und Finanzinstitutionen seien damit ins Visier genommen wurden.
Zwar gehen die Maßnahmen vom Mittwoch weit über die Einreiseverbote und Kontensperrungen hinaus, die Amerikaner und Europäer bisher gegen Russen und prorussische Separatisten verhängt hatten; allerdings hätten die USA auch noch weitergehen und Sanktionen gegen ganze russische Wirtschaftszweige aussprechen können. Diesen Schritt behält sich Obama weiterhin vor. Putin selbst erklärte während eines Besuchs in Brasilien, die neuen Sanktionen würden amerikanischen Energieunternehmen schaden und die Beziehung zu Russland «in die Sackgasse» führen.
Die EU-Länder derweil haben auf ihrem Gipfel in Brüssel beschlossen, dass von ihnen erstmals Sanktionen nicht nur gegen Personen, sondern auch gegen Firmen verhängt werden können, denen die Destabilisierung der Ukraine vorzuwerfen ist. Bis Ende Juli soll die EU-Kommission eine Liste solcher Unternehmen aufstellen. Zudem werden die EU-Vertreter in der Europäischen Investitionsbank und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung angewiesen, keine neuen Projekte in Russland mehr zu genehmigen.
Dass die Amerikaner bereit sind, weiter zu gehen als die Europäer, das mag einerseits Differenzen offenbaren. Andererseits hält der Westen durchaus zusammen, schließlich hat Obama trotz wachsender Ungeduld in Washington nicht unilateral gehandelt, sondern auf die Europäer gewartet. Seit Wochen schon war man im US-Finanzministerium darauf vorbereitet, dass es zu einer neuen Sanktionsrunde kommen könnte. Das Finanzressort legt dem Weißen Haus stets Listen vor, was maximal an Sanktionen möglich ist. Obama pickt dann heraus, was politisch gewünscht ist.
In Washington sparen sie nicht mit Lob für die Europäer in dieser Woche. Insbesondere die deutsche Kanzlerin, so sagt ein hochrangiger US-Regierungsbeamter, habe sich drüben in Brüssel für eine «entschiedene Antwort» auf die russischen Provokationen eingesetzt: «Deutschland hat eine sehr konstruktive Rolle gespielt.»
Aber war da nicht noch was, die Spionage-Affäre? Trüben die gegenwärtigen Spannungen im deutsch-amerikanischen Verhältnis die Zusammenarbeit in Sachen Ukraine ein? Ach was, sagt der Regierungsbeamte, «ich würde mal nicht davon ausgehen, dass es da irgendeinen Effekt gibt».
Mit Material von AFP, dpa, Reuters, AP