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US-Wahlen 2016

Vernichtende Niederlage – Clinton schafft noch nicht einmal die eigene Wahlparty

Vernichtende Niederlage – Clinton schafft noch nicht einmal die eigene Wahlparty

09.11.2016, 10:2409.11.2016, 15:32
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Fassungsloser Clinton-Anhänger am Wahltag in New York.Bild: ANDREW GOMBERT/EPA/KEYSTONE

Ihr ganzes Leben hat sie auf diesen Moment hingearbeitet: Hillary Clinton wollte als erste Präsidentin der USA Geschichte schreiben. Am Ende unterliegt sie dem Demagogen.

Am Ende schweigt sie. Kein Auftritt, keine Rede. Hillary Clinton ist abgetaucht. Die Demokratin ruft ihren Konkurrenten an, gratuliert Donald Trump zum Sieg, so erzählt es der Republikaner später bei seiner Siegesrede.

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Clintons Wahlkampfleiter hat gerade die Gäste der New Yorker Wahlparty informiert, dass Hillary nicht kommt.Bild: RICK WILKING/REUTERS

Clinton verschwindet still und leise, vielleicht gebrochen von der politischen Bühne. Ihren Anhängern im Jacob K. Javits Convention Center in New York steht das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben.

Monate voller Hysterie

Was für ein Auftritt wäre es gewesen, hätte sie hier ihren Sieg feiern können. Die gläserne Decke über ihrem Kopf als Symbol für die, die sie durchstossen hätte: die erste Präsidentin der USA. Ihr ganzes Leben hat sie auf diesen Moment hingekämpft. Am Ende unterliegt sie dem Demagogen und vor allem den vielen wütenden weissen Männern im Land.

Es ist ein hässliches, bitteres Ende für Clinton, in einem Wahlkampf, der an bitteren Momenten nicht gerade arm war. Hinter ihr liegen Monate voller Hysterie. Der ganze Hass, all die niederträchtigen Sprüche. Die vielen Männer und Frauen, die schrien, sie gehöre eingesperrt. Ihre T-Shirts, auf denen stand, sie sei ein Miststück, eine Schlampe.

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Anti-Clinton-Protest in Orlando, Florida.Bild: CRISTOBAL HERRERA/EPA/KEYSTONE

Die Frauen, die plötzlich wieder im Rampenlicht standen und sagten, Bill Clinton habe sie misshandelt. Julian Assange, der aus seinem Zimmer in der ecuadorianischen Botschaft in London heraus einen ganzen Köcher voller giftiger Pfeile gegen sie abfeuerte.

Der Gegner, der all das beflügelte, der dadurch wuchs, immer grösser wurde. Trump war auch stark, weil Clinton so angreifbar war. Wer hätte im April 2015 gedacht, dass es einmal zu diesem ungleichen Duell kommen würde. Voller Optimismus gab Clinton damals in einem Video ihre Kandidatur bekannt. Nur knapp 19 Monate sind seitdem vergangen. Es wirkt wie eine Ewigkeit.

Zu viel Ballast

Clinton war First Lady, sie war Senatorin, sie war Aussenministerin. Sie war die logische Präsidentschaftskandidatin, aber sie passte nicht mehr in die Zeit. Die Menschen waren die politischen Dynastien leid, sie wollten keinen weiteren Bush im Weissen Haus, sie wollten keine Clinton. Sie war die Repräsentantin der Elite, des Alten, des Establishments. Sie hatte wohl auch zu viel Ballast.

Hillary Clinton – ihr Leben in Bildern

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Hillary Clinton – ihr Leben in Bildern
Geboren wird Hillary (Zweite von links) 1947 in Chicago als Hillary Diane Rodham. Ihr Vater, Hugh Ellsworth Rodham, war Eigentümer einer mittelständischen Textildruckerei. Der Textilunternehmer war überzeugter Republikaner und hoffte stets, dass sein späterer Schwiegersohn und US-Präsident Bill Clinton die Partei wechseln würde.
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Zusammen mit ihrem Mann Bill hat sie sich über Jahrzehnte eine Skandalchronik erarbeitet, seine Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky ist nur die Spitze des Eisberges. Das Image der Korruptheit hängt am Ehepaar.

Allzu oft suchten die Clintons in der Vergangenheit die Nähe zu Bankern und grossen Spendern. Als Aussenministerin traf sie sich mit Leuten, die Geld gaben für die familieneigene Stiftung. Das verfing.

Über alldem schwebte die Affäre, die sie einfach nicht los wurde. Das Wort E-Mail hat 2016 seine Unschuld verloren. Dass sie als Aussenministerin ihre dienstlichen Nachrichten auch über einen privaten Server geschickt hatte, und 30'000 davon löschte, erweckte bei vielen Menschen den Eindruck, da stellt sich eine Politikerin über das Gesetz.

Von der Favoritin zum kleineren Übel

Clinton blieb angreifbar, auch als das FBI seine Ermittlungen in der Affäre eingestellt hatte. Es kam alles wieder hoch, als der FBI-Chef James Comey vor wenigen Tagen schrieb, es seien neue E-Mails aufgetaucht. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass Ermittler sie auf dem Computer eines Kongressabgeordneten fanden, der pralle Unterhosen-Bilder verschickt hatte.

Als wäre das nicht genug, veröffentlichte Julian Assange Tranche um Tranche gehackter E-Mails der Demokraten. Man erfuhr daraus, dass es einen grossen Unterschied gibt zwischen der privaten und der öffentlichen Person Clinton. Dass sie diesen Kontrast sogar einräumt.

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Clinton ist kriminell, verkünden diese Trump-Anhänger.Bild: CRISTOBAL HERRERA/EPA/KEYSTONE

Man sah auch, welche Machenschaften hinter den Kulissen am Werk waren. Wie Mitarbeiter gegeneinander intrigierten. Wie sie über ihre Kandidatin dachten. Es lag alles offen wie eine riesige klaffende Wunde.

Am Anfang war sie die Favoritin, am Ende nur das kleinere Übel. Das hat viel mit Trump zu tun, aber auch mit ihr selbst. Es gab in diesem Wahlkampf nur einige wenige Momente, in denen Clinton ganz bei sich war.

Als sie Trump in der ersten Fernsehdebatte vorführte, mit Fakten und Zahlen auftrumpfte, war das so ein Augenblick. Da stand die Staatsfrau, die sie sein kann, die sie eigentlich schon lange ist.

(sda/dpa)

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9 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Amboss
09.11.2016 12:18registriert April 2014
Sehr guter Artikel, der es sehr genau trifft.

So einen Abgang hat sie eigentlich nicht verdient. Trotz allem war sie sehr lange für das Land tätig, durchaus erfolgreich.
Aber sie ist ganz selber Schuld, dass es dazu kam.

Vor acht Jahren hat sie schallend gegen Obama die Vorwahl verloren. Dies hätte doch Zeichen genug sein müssen. Aber nein, sie musste nochmals antreten.

Wer so die Zeichen der Zeit nicht erkennt, ist wahrlich selber Schuld.
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