Barbara Eggert, Ratgeberin in allen Lebenslagen beim «Westfalen Blatt», hat ihren Arbeitgeber berühmt gemacht. Zumindest in der Social-Media-Sphäre.
Ein Leser fragte, wie er es verhindern könne, dass seine beiden sechs und acht Jahre alten Töchter an der Hochzeit seines Bruders und dessen Freund teilnehmen müssen. Er wolle seine Kinder in diesem Alter noch nicht mit dem Thema sexuelle Orientierung konfrontieren.
Statt dem Leser aufzuzeigen, dass Kinder vom Anblick eines schwulen Ehepaares keinen Schaden davontragen, ging Eggert in ihrer Kolumne vom Sonntag auf das Ansinnen des Lesers ein. «Sagen Sie Ihrem Bruder, dass Ihre Kinder nicht an der Hochzeitsfeier teilnehmen, weil Sie nicht möchten, dass die Kinder verwirrt werden», schreibt Eggert. Die Begründung liefert sie vorab: «Ich gebe Ihnen recht, Ihre Töchter würden durcheinander gebracht.»
Die Ratgeber-Kolumne beschäftigt derweil die Twitter-Community.
Das Westfalen-Blatt im Jahr 2015. Sehr fortschrittlich. pic.twitter.com/X0VFvtzeAB
— P. (@panne_t) May 19, 2015
Etliche Kommentatoren des Tweets von @panne_t regen sich über die unliberale Antwort Eggerts auf, die in der gedruckten Ausgabe homophobe Züge mehr als durchschimmern lässt.
Mittlerweile sind Zweifel am Motiv Eggerts aufgetaucht, vom Besuch der Kinder an der Hochzeit des Bruders abzuraten. In der E-Paper-Version des «Westfalen-Blattes» vom Sonntag äussert sich Eggert differenzierter. Sinngemäss sollten die Kinder nicht an eine Schwulenhochzeit gehen, da ihre homophobe Erziehung dann zu inneren Konflikten führen könne.
Andere Version aus dem PDF. Komisch. pic.twitter.com/8YCqW3Q7Bj
— P. (@panne_t) May 19, 2015
Gemäss einem Facebook-Eintrag ist die E-Paper-Version des Textes aber auch in gedruckten Exemplaren ausgeliefert worden.
@panne_t @Felicea Da kursieren mehrere Versionen. Nicht daß die andere viel besser wäre... https://t.co/jikQfRZUMm
— Ralf H (@kamerakata) May 19, 2015
Die Social-Media-Kommentatorenschaft ist sich jedoch einig: Der in der Urversion verlorengegangene Satz macht die Antwort Eggerts auch nicht zu einem Meilenstein politischer, gesellschaftlicher oder sexuellerAufklärung.
Auf Anfrage von watson bezeichnet der Redaktionsleiter des «Westfalen Blatt» die Weglassung des einen Satzes als «gravierende journalistische Fehlleistung». Homophobes Gedankengut läge der Redaktion fern. Eggert selbst mag sich von ihren zumindest latent homophoben Äusserungen nicht distanzieren.
In einer Mitteilung des Verlags schreibt sie im Wortlaut: «Hier geht es nicht um meine Weltanschauung oder einen gesellschaftlichen Konflikt, sondern um ein ganz privates, nicht repräsentatives Problem eines verunsicherten Vaters. Ich habe ihm geschrieben, dass seine Kinder vielleicht nicht liberal genug erzogen wurden, und ihm geraten, ein offenes Gespräch mit seinem Bruder zu suchen, um seinen Standpunkt zu erklären. Ich bin der Meinung, dass man alle Menschen ernst nehmen und respektieren muss, auch die und gerade die, die anders denken als man selbst, alles andere würde mir intolerant erscheinen.» (thi)