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watson in Sambia: Die Angst vor dem Knast und die Hoffnung auf Pressefreiheit

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Zensur in Medien

watson in Sambia: Die Angst vor dem Knast und die Hoffnung auf Pressefreiheit

In Sambia stehen am 20. Januar Präsidentschaftswahlen an. Dabei werden die Medien eine mitentscheidende Rolle spielen, obwohl – oder gerade weil – die Pressefreiheit seit Jahren immer wieder verletzt wird. Androhungen von Gefängnisstrafen, Entlassungen oder Strafen sind nicht ungewöhnlich. Newsseiten wurden 2014 schon blockiert. Doch es regt sich Widerstand.
01.12.2014, 10:2101.12.2014, 16:30
Nathan Chambula, sambia / Lusaka star
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Der 24. November 2014 könnte ein historisches Datum im Kampf um die Pressefreiheit in Sambia werden. Sportminister Chishimba Kambwili stürmte den Newsroom von ZNBC (Staatsfernsehen) und bedrohte Journalisten, weil diese aus seiner Sicht unangebrachte Storys über suspendierte Parteimitglieder der Patriotic Front (PF) und Präsidentschaftskandidat Hakainde Hichilema (UPND) publizierten. Es ist der aktuellste Fall von (versuchter) Zensur in sambischen Medien.

Die viel besprochene liberale Demokratie in Sambia wird immer wieder massiv beeinträchtigt durch Beeinflussung der Regierung gegen staatliche und private Medien. Seit der Unabhängigkeit 1964 sah sich die Presse bis heute immer wieder mit unterschiedlichen Regierungen und dem gleichen Problem konfrontiert.

Autor Nathan Chambula studiert an der Universität von Lusaka im dritten Jahr Kommunikation und arbeitet als Reporter für den «Lusaka Star». Diesen Artikel hat er für watson verfasst. Vom englisch ...
Autor Nathan Chambula studiert an der Universität von Lusaka im dritten Jahr Kommunikation und arbeitet als Reporter für den «Lusaka Star». Diesen Artikel hat er für watson verfasst. Vom englischen Original haben wir einige wenige Anpassungen vorgenommen.Bild: watson

Der Präsident meldet sich höchstpersönlich bei Journalisten

Frank Peter Kasoma, ein ehemaliger Professor am Department der Massenkommunikationsmedien an der Universität von Lusaka, zitiert dazu in seinem Buch «Die Geschichte der Medien in Sambia» Grey Zulu, den damaligen Innenminister von Kenneth Kaundas erster Regierung nach der Unabhängigkeit: «Ich bin extrem enttäuscht von der ‹Times of Zambia›. Ich kann mir keine grössere Torheit und Unverantwortlichkeit vorstellen, als eine Zeitung, welche Artikel über die Regierung und Polizei verfasst, aber es verpasst, den Wahrheitsgehalt abzuklären.»

In Sambia ist es üblich, dass ein Redaktor Telefonanrufe von Ministern oder gar dem Präsidenten erhält, bei welchen ihm erklärt wird, was alles nicht hätte publiziert werden dürfen und wie ein Folgeartikel auszusehen hat, der das wieder «in die Reihe bringt».

Zwei der grossen nationalen Zeitungen: «The Post» und die «Daily Mail».
Zwei der grossen nationalen Zeitungen: «The Post» und die «Daily Mail».Bild: watson

Verhaftungen, Entlassungen, Drohungen

Als die Bewegung für Mehrparteien-Demokratie (MMD) die United National Independence Party (UNIP) an der Macht ablöste, versprach sie Kaundas Propagandamaschinere – «The Times», «Daily Mail» (Zeitungen) sowie ZNBC (nationales TV) zu stoppen. Stattdessen hielten sie genauso daran fest wie auch an der Praxis, dass Journalisten, welche nach ihrer beruflichen Ethik beide Seiten in einer politischen Story zur Wort kommen liessen, unrühmlich gefeuert werden.

Immer wieder kam so die Zeitung «The Post» mit der MMD-Regierung von Frederick Chibula in Konflikt. Journalisten wurden verhaftet, gefeuert und mit diversen (absurden) Klagen belegt, wenn sie Anti-Regierungs-Material veröffentlichten. Der Verkauf der «The Post» vom 5. Februar 1996 wurde gar vollständig verhindert.

Die Angst vor dem Gefängnis und Selbstzensur

Die Journalisten sind sich den möglichen Folgen und rechtlichen Schritten bei der Veröffentlichung von kritischem Material sehr bewusst, was sie zweimal überlegen lässt, welche Artikel sie publizieren sollen. Mit ungerechtfertigten Klagen und viel zu hohen Strafen landen die Journalisten im Gefängnis und können ihren Job nicht mehr ausführen. Nebeneffekt ist die Verbreitung der Angst vor dem Gefängnis bei Journalisten, was wiederum «Selbstzensur» mit sich brachte. Dies ist jedem verständlich, der schon einmal die zweifelhafte Ehre hatte ein sambisches Gefängnis – oder nur schon die Zellen auf dem Polizeiposten – von innen zu sehen.

Seit der Unabhängigkeit läuft es ähnlich: Regierungen kamen und gingen, aber die Zwickmühle der Medien hat sich nicht verändert. Am besten zeigt sich dies jeweils rund um Wahlen. Nachdem es ein Kandidat – teilweise auch dank den Medien – in eine Behörde geschafft hat, beginnt er die Presse zu bekämpfen.

Wie die Pressefreiheit in der Schweiz funktioniert, war etwas vom ersten, das die Studenten von uns wissen wollten.
Wie die Pressefreiheit in der Schweiz funktioniert, war etwas vom ersten, das die Studenten von uns wissen wollten.Bild: watson

Kritische Onlinemedien blockiert

Am 24. Juni 2014 sperrte die Regierung den Zugang zum «Zambian Watchdog», einer unabhängigen Newsseite, welche aus dem Ausland agiert und die aktuellen Machthaber kritisch durchleuchtet. Die drei mutmasslichen Mitarbeitenden Thomas Zyambo, Clayson Hamasaka und Wilson Pondamali wurden gleichzeitig verhaftet.

Hamasaka wurde vorgeworfen obszönes Material zu besitzen. Zyambo wurde nach 48 Stunden Haft provisorisch freigelassen. Ihm drohte eine Strafe von bis zu sieben Jahren, weil er «verwerfliches Material besitze und dieses publizieren wollte». Pondamali schliesslich sah sich mit einer bis zu zweijährigen Freiheitsstrafe konfrontiert, weil er «unrechtmässig im Besitz von geheimen militärischen Informationen war». Zyambo und Pondamali wurden in der Zwischenzeit freigesprochen.

Der Newsroom des UNZA-Radios an der Universität von Sambia. Dieser erhielt im Oktober unerwünschten Besuch eines Ministers.
Der Newsroom des UNZA-Radios an der Universität von Sambia. Dieser erhielt im Oktober unerwünschten Besuch eines Ministers.Bild: watson

Die kürzliche Sperre der Internetseiten Zambia Reports und dem Zambian Watchdog zeigt deutlich, dass die Kontrollen weiterhin organisiert durchgeführt werden. Ein IT-Sicherheitsexperte des «Watchdogs» erklärte, es sei offensichtlich, dass die Beamten Versuche, die Sperren zu umgehen, mit der «Deep Packet Inspection»-Methode (DPI) – einem Verfahren, das in der Netzwerktechnik dafür steht, Datenpakete zu überwachen und zu filtern – aufspüren.

Selbst das Universitätsradio ist betroffen

Einer der neusten Zwischenfälle ereignete sich gemäss «The Post» am 8. Oktober 2014, als Sportminister Kambwili in Begleitung eines unbekannten Mannes den Newsroom des UNZA-Radios (Studentenradio der Universität) stürmte und die anwesenden Studentenreporter bedrohte. Er wollte Stationsleiter Macpherson Mutala und den Verantwortlichen für den «Lusaka Star», Mark Simuwe, sprechen.

Das Live-Studio des UNZA-Radios. Hier unterbrach der Minister die Sendung.
Das Live-Studio des UNZA-Radios. Hier unterbrach der Minister die Sendung.Bild: watson

«Er ging zuerst ins Live-Sendestudio, unterbrach den Sprecher und erklärte, er wolle sofort die Verantwortlichen sehen. Als ihm klar wurde, dass die beiden nicht anwesend sind, stürmte er in den Newsroom und schrie die Redakteure an: ‹Ich werde euch alle entlassen.› Wir fragten uns, wie er Studenten entlassen wollte», berichtet ein anwesender Zweitjahres-Student der Massenkommunikationsmedien.

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Leiter Unternehmensentwicklung Sven Ruoss und Sportchef Reto Fehr führen in Zusammenarbeit mit der Schweizer Hilfsorganisation B360 education partnerships an der Universität von Lusaka (UNZA) in Sambia ein zweiwöchiges Modul über Online-Journalismus durch. Die Studenten erhalten dabei wertvolle Inputs für ihre Newsplattform Lusaka Star. Die Zeitung wurde vor rund zwei Jahren mit Unterstützung der Zürcher Agentur Mediaschneider in ein Online-Portal umgewandelt und wird vom Studiengang Mass Communication betreut.

Kürzlich hat die Regierung einen Gesetzesentwurf abgelehnt, welcher ihr untersagt hätte, sich bei elektronischen und Onlinemedien einzumischen. Dies obwohl die Regierung alleine den Entwurf dafür 50 Millionen Dollar kosten liess. Gebastelt wird jetzt an einem neuen Gesetz, welches Onlinemedien regulieren und damit «Internetmissbrauch» verhindern soll. Noch ist unklar, ob das Gesetz auch soziale Medien wie Twitter und Facebook betreffen würde.

ZNBC wehrt sich und stellt sich hinter die Mitarbeiter

In letzter Zeit beginnen sich die Medienhäuser gegen Einschüchterungen und Zensur zu wehren. Der eingangs erwähnte Fall des Sportministers könnte dabei einen Wendepunkt darstellen. ZNBC veröffentlichte nach dem Vorfall ein Statement, in welchem es erklärt, dass es nicht erlauben werde, dass Journalisten von Politikern belästigt werden, und es alles für den Schutz seiner Mitarbeiter unternehmen werde: «Die Führungsetage von ZNBC fordert, dass alle Statements von Politikern nur noch schriftlich und unterschrieben akzeptiert werden. Mündliche Aussagen werden nicht mehr berücksichtigt, um unsere Journalisten zu schützen. Wir möchten zudem erneut betonen, dass unser Newsroom keine Bühne für Politiker ist. Wir haben unseren Mitarbeitern versichert, dass wir sie voll und ganz unterstützen, wenn es darum geht News zu veröffentlichen und unsere Aufgaben gegenüber dem Volk wahrzunehmen.»

Die nächsten Wochen werden zeigen, ob dies nur ein Tropfen auf den heissen Stein oder doch mehr ist. In Sambia, wie auch in vielen anderen afrikanischen Ländern, erleben Online-Newsseiten einen Boom, da sie neben weiteren Vorteilen im Gegensatz zu den herkömmlichen Medien von der Regierung schwieriger zu kontrollieren sind.

Viele afrikanische Regierungen reagieren daher besorgt auf Onlinemedien und Soziale Medien, welche die Meinungsfreiheit unterstützen, Protestaktionen einfach planen lassen und für einen politischen Frühling sorgen können. Dies wurde erstmals bei den Protesten in Ägypten und Libyen sichtbar. Es dürften nicht die letzten Fälle gewesen sein.

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